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6. KAPITEL

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Es wurde allmählich dunkel, und drohend schoben sich die blauschwarzen Wolken vor die untergehende Sonne. Vor einer provisorischen Straßensperre wartete eine lange Fahrzeugschlange auf die Abfertigung durch die Militärpolizei.

Der MP-Sergeant mit dem roten Käppi fragte Carter, wohin er wolle, und als er erwiderte, er sei auf dem Weg zum Hauptquartier des 30. Corps in Bad Niendorf, bemerkte der Sergeant die grünen Abzeichen an seiner Uniform und schaute auf den dicken Papierstapel an seinem Klemmbrett. Nachdem er etliche Seiten durchgeblättert hatte, sagte er: »Sämtliche Nachrichtendienstoffiziere des 30. Corps, die nicht anderweitig eingeteilt sind, müssen sich in Bad Salzuflen melden. Dort befindet sich das Hauptquartier des Nachrichtendienstes sowohl für das 30. Corps als auch für die 21. Army Group. Tut mir leid, Sir, aber Sie müssen umkehren.«

»Herrgott noch mal. Wo, zum Teufel, ist Bad Salzuflen?«

»Fahren Sie auf dieser Straße zurück nach Minden ...«

»Aus Minden komme ich doch gerade, verflucht noch mal.«

»Fahren Sie durch Minden hindurch, und Sie werden feststellen, daß Sie Bad Oeynhausen umgehen können. Sie fahren geradeaus weiter bis Herford, und dort werden Sie auf Hinweisschilder stoßen, die östlich nach Bad Salzuflen weisen. Liegt etwa fünfzehn Kilometer hinter Herford. Der Großteil des Verkehrs ist in entgegengesetzter Richtung unterwegs, daher sollten Sie gut vorankommen.«

»Kann ich hier wenden?«

»Wenn Sie fix machen.«

Die letzten fünfundzwanzig Kilometer regnete es in Strömen, aber er schaffte die Fahrt in zwei Stunden. Ein Sergeant der Field Security wies ihm den Weg zu den Offiziersmessen. Es gab eine für Stabsoffiziere und eine für Captains und niedrigere Dienstgrade. Eine Unterteilung, die um so lächerlicher war, als es im Intelligence Corps keine einfachen Leutnants gab.

Es war ein großes, weitläufiges Haus, und der Messekorporal brachte ihn in einem Zimmer mit zwei Feldbetten unter, das er sich mit einem alten Bekannten aus dem Ausbildungslehrgang in Winchester teilte, einem Waliser namens Lewis. Carter nahm das freie Bett und schob seinen Kram neben die auf der Matratze zusammengefalteten Armeedecken.

»Was geht hier vor, David? Warum sind wir nicht im Hauptquartier des 30. Corps?«

»Das hier soll das ständige Hauptquartier für sämtliches Nachrichtendienstpersonal werden. Die teilen uns hier ein und schicken uns dann zu unserem Einsatzort.«

»Weißt du schon, wohin du kommst?«

»In ein Kaff namens Celle. Die jeweiligen Standorte sind am Schwarzen Brett im Korridor angeschlagen.«

»War mein Name auch dabei?«

»Weiß ich nicht mehr. Schau doch nach.«

Vor dem Schwarzen Brett standen einige Offiziere, und an der Wand daneben hing eine Landkarte in großem Maßstab mit den Gebieten, für die das 2. und das 30. Corps zuständig sein sollten. Die Namen waren nicht in einer bestimmten Reihenfolge aufgeführt, und Carter brauchte eine Weile, bis er seinen fand.

CARTER, E. 10350556. Int. Corps. Lieutn. Zu OC 103 Field Security Section. Hildesheim. Ernennung zum Captain mit sof. Wirkung. Bei Major Hargreaves melden. GSO II I(b), Haus Waldheim, Bad Salzuflen.

Er trat vor die Landkarte und stellte fest, daß Hildesheim südöstlich von Hannover lag. Über den Daumen gepeilt mußten es etwa achtzig Kilometer sein, wenn die Nebenstraßen passierbar waren.

Die Messe war voller Offiziere, und auf langen Tischen war Essen aufgetragen. Büchsenfleisch, Brot, Butter und etwas matschig aussehender Schinken. Es gab keine Sitzgelegenheiten, und trinken konnte man nur Bier oder Apfelsaft. Trotz der Neuigkeiten von der Kapitulation am Tag zuvor drehten sich die Gespräche hauptsächlich um die angeblichen Pläne zur Demobilisierung. Um Punkte für abgeleistete Dienstzeit und Extrapunkte für den Dienst in Übersee. Gerüchten zufolge sollten Offiziere des Intelligence Corps mit besonderen Erfahrungen oder Qualifikationen von der Demobilisierung ausgenommen sein.

Dai Lewis schlief schon, als er wieder auf seine Stube kam.

Haus Waldheim war einst der Wohnsitz eines einheimischen Geschäftsmannes gewesen. Zwölf Schlafzimmer, in denen man Behelfsbüros eingerichtet hatte, während das Erdgeschoß den höheren Offizieren als Wohnquartier diente. In einem der umgewandelten Schlafzimmer, das mit einem schlichten Holzschreibtisch, aber zwei bequemen Armsesseln aus dem Besitz des vormaligen Eigentümers ausgestattet war, führte Major Hargreaves das Antrittsgespräch mit Carter.

Major Hargreaves blieb an seinem Schreibtisch sitzen und deutete auf einen Holzstuhl.

»Setzen Sie sich, Carter.« Er wartete, bis Carter saß, und sagte dann: »Zweifellos haben Sie schon gesehen, wo Sie stationiert werden. Hildesheim. Liegt größtenteils in Schutt und Asche, wie ich mir habe sagen lassen, aber Sie werden schon was finden, das Sie für Ihre Jungs in Beschlag nehmen können. Der Stadtkommandant wird das für Sie erledigen.

Sie erhalten eine ganze Abteilung. Sergeant-Major, zwölf Sergeants und einen Fahrer.« Er griff zu einem hektographierten Blatt Papier. »Sie haben dieselben Instruktionen wie alle anderen FS-Einheiten bekommen. Entnazifizierung lautet das Stichwort. Es gibt ein Buch, das Sie sich bei einer Dienststelle namens CRASC besorgen können. Steht für Commander, Royal Army Service Corps. Darin sind die Namen von Zehntausenden von Gesuchten aufgelistet. Wir möchten, daß Sie uns täglich über Ihre Festnahmen berichten. Keine Namen, nur allgemeine Einstufungen: Gestapo, Sicherheitsdienst, Abwehr, Waffen-SS, Allgemeine SS, hohe Parteimitglieder ...« Er lächelte. »Damit sollten Sie ein, zwei Wochen beschäftigt sein.«

»Wohin soll ich die Gefangenen bringen?«

»Sie führen ein kurzes Verhör durch. Falls es noch steht, können Sie das örtliche Gefängnis benutzen. Aber wenn Sie, sagen wir mal, zwanzig Mann aufgegriffen haben, geben Sie uns Bescheid, und wir schicken Ihnen ein Fahrzeug und holen sie ab. Wir haben ein paar deutsche Lager übernommen. Ihre Gefangenen kommen in ein Kaff namens Westertimke. Von dort beziehen Sie auch Ihre Verpflegung, aber Sie können sich auch vor Ort eindecken, wenn es frische Ware gibt. Noch Fragen?«

»Nein, Sir.«

»Noch eins. Man hat Sie zum Captain befördert, aber lassen Sie sich das nicht zu Kopf steigen. Sie haben es nicht mit Trotteln zu tun. Ihre Leute sind klug und intelligent. Wir erwarten von Ihnen ein straffes Regiment, soweit es die Jerries betrifft, aber auch für die gilt der Gesetzesweg und all dieser Mist. Eine große Verantwortung für einen jungen Burschen wie Sie, also versieben Sie es nicht. Okay?«

»Ja, Sir. Danke, Sir.«

»Wenn Sie unten einen Lieutenant Thomson sehen, dann schicken Sie ihn bitte herauf.«

Carter setzte die Mütze auf, salutierte, und der Major nickte. Carter merkte, daß hier kein Kasernenhofgehabe erwartet wurde, daher stampfte er nicht mit dem Fuß auf, als er sich umdrehte und hinausging.

In der Schreibstube suchte der Sergeant-Quartermaster auf einer Liste seinen Namen und Dienstgrad. Dann schaute er Carter an. »Ihre Männer warten ein Stück die Straße runter, Sir. Ihr Sergeant-Major war schon da und hat Ihren G1098-Vorrat samt Verpflegung für zwei Wochen aufladen lassen. Sie haben die Erlaubnis, ihre Motorräder zu behalten ...« – er lächelte – »... mit Ausnahme der Harley-Davidson, die sie in Venlo organisiert haben. Sie bekommen einen Pritschenwagen und einen Fahrer vom Service Corps.« Er hielt inne, dann lächelte er erneut. »Sie brauchen noch ein Paar zusätzliche Sterne, stimmt’s?« Er ging zu einem Aktenschrank und holte ein Paar grüne Schulterstücke aus einer Schublade. »Da sind sie schon, Sir.« Er schob Carter ein vorgedrucktes Formular hin. »Wenn Sie für die Waren gegenzeichnen würden. Die unterste Zeile.«

Carter unterschrieb. »Wo sind meine Männer?« fragte er.

»Der Sergeant-Major, Phillips, wartet nebenan auf Sie. Ich glaube, sie sind bereit zum Abrücken.«

»Besteht vielleicht die Möglichkeit, mit dem Stadtkommandanten von Hildesheim zu telefonieren?«

»In dieser Gegend sind alle Verbindungen zusammengebrochen. Die einzigen verfügbaren Leitungen haben die Royal Signals, und die sind nur für dringenden Dienstgebrauch. Tut mir leid.«

»Danke.«

Der Stadtkommandant hatte ein großes Haus mit Grundstück für sie requiriert. Ein Haus, dessen einziger Vorzug darin bestand, daß es über genügend Zimmer für ihre Unterbringung sowie für Büro- und Verhörräume verfügte. Im Erdgeschoß gab es zudem einen großen Raum, der als Messe dienen konnte. Das von hohen Kiefern umstandene Haus war solide gebaut, wirkte aber düster und gedrungen. Dunkle, feldsteinartige Ziegel, massive Schiebefenster. Das Mobiliar, das die früheren Bewohner hatten zurücklassen müssen, war solide, und Teppich und Vorhänge waren noch in gutem Zustand. Es erinnerte Carter an einen Film, den er einmal gesehen hatte: Das alte dunkle Haus mit Boris Karloff.

Über acht breite Stufen gelangte man zur Haustür und von dort in einen geräumigen Vorsaal mit geschwungenen Treppen an beiden Seiten, die zu einer Empore hinaufführten.

Der Sergeant-Major wies den Leuten die Schlafräume und Büros zu, und gegen Abend wirkte ihre Unterkunft bereits halbwegs offiziell und funktionsfähig.

Jacko, der Fahrer, hatte Carters Sachen in das große Schlafzimmer gebracht, das für ihn reserviert worden war. Er wusch sich das Gesicht und trat, während er sich die Hände abtrocknete, an das dreiteilige Fenster. Draußen war es noch hell, und auf der anderen Straßenseite sah er einen haushohen Trümmerhaufen, dessen Ausläufer wie ein Lavastrom bis zum Eingang eines Nachbarhauses reichten, anscheinend ein öffentliches Gebäude. Junge Frauen schaufelten Schutt in Schubkarren und fuhren ihn über eine Holzplanke auf die Ladefläche eines Lastwagens. Über der ganzen Stadt hatte Verwesungsgeruch gehangen, als sie sich einen Weg zu dem großen Haus gebahnt hatten. Carter hatte keine Ahnung, wie zum Teufel sie in diesem Trümmerhaufen Nazis und andere Kriminelle aufspüren sollten. Am Stadtrand standen zwar noch ein paar Häuser, aber es gab keinerlei Straßen mehr. Vielleicht sollte er sein Hauptquartier lieber in eins der Dörfer verlegen. Er drehte sich um, als es an der Tür klopfte, und rief: »Herein!«

Es waren sein Fahrer und der Sergeant-Major.

»Was gibt’s, Jacko?«

»Wollte Ihnen bloß sagen, daß ich einen schönen Mercedes für Sie organisiert habe, Sir.«

»Woher?«

»Hab’ ihn in einer Garage gefunden.«

»Das ist Plünderung, Jacko.«

»Nein, Sir. Der Stadtkommandant hat ihn für uns requiriert.« Er grinste. »Alles ganz offiziell und ordnungsgemäß.«

»Darüber reden wir später.«

Jacko lächelte und ging hinaus, doch der Sergeant-Major blieb.

»Ich habe mich kurz in der Stadt umgesehen, Sir. Ist nicht ganz so schlimm, wie es aussieht. Die Pioniere sagen, sie schaffen ein paar Schaufelbagger her und in zehn Tagen haben sie den Großteil weggeräumt. Die Gegend hier hat’s am schlimmsten erwischt, aber der südliche Teil der Stadt ist nur beschädigt, nicht zerstört.«

»Das Buch, das ich Ihnen gegeben habe, die Liste mit den gesuchten Männern. Setzen Sie die ganze Abteilung darauf an, während wir warten, und lassen Sie Karteikarten anlegen. Nur die Namen aus unserem Abschnitt.«

»Okay, Sir. Dürfte ich Sie vielleicht wegen der Einteilung der Messe fragen?«

»Ich dachte, Sie haben den großen Raum im Erdgeschoß dafür ausgesucht?«

»Ich denke dabei an Sie, Sir. Sie brauchen eine eigene Messe. Ich möchte sichergehen, daß Ihnen der Raum recht ist, den ich dafür vorgesehen habe.«

»Sergeant-Major, ich werde mit Ihnen und den anderen speisen. Ich weiß, daß ich ihnen im Weg sein werde, aber damit müssen sie sich abfinden.«

»Und was ist, wenn Sie Besuch von der 21. Army Group bekommen?«

Carter lächelte. »Die werden nicht so schnell in dieses Kaff kommen. Warten wir’s ab.«

Drecksarbeit

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