Читать книгу Die Hand des Anubis - Tessa Jones - Страница 10
Kapitel 4
ОглавлениеMit einem dumpfen Krachen fiel die Bunkertür hinter ihm zu, knirschend rastete der Riegel ein. Reglos blieb er einige Herzschläge in der absoluten Dunkelheit des steilen Treppenschachtes stehen, dann streckte er zielsicher die linke Hand aus und zündete mit seinem Sturmfeuerzeug die erste Wandfackel an. Er nahm sie aus ihrer Halterung, stieg langsam die Treppe hinab und entzündete eine Fackel nach der anderen. Unten drehte er um und wiederholte den Vorgang beim Hinaufgehen, bis er erneut vor der Tür stand. Nachdem er die Fackel wieder befestigt hatte, wandte er sich nach links, kreuzte die Arme vor der Brust und verneigte sich ehrfürchtig.
»Gegrüßt seist du, Herr der Toten. Dein ergebener Diener ist hier, deinen Willen zu vollstrecken und deinen Segen zu empfangen.«
Erst jetzt öffnete er die Augen. Wie jedes Mal sah ihn Anubis aus der Wandnische heraus schweigend an. Die schwarzgoldenen Verzierungen der mannshohen Statue schimmerten im flackernden Licht. Der Blick des schakalköpfigen Standbildes schien ihm zu folgen, als er sich wieder an den Abstieg machte. Während er im Vorraum die notwendigen Utensilien für die nachfolgende Prozedur aus den Regalen nahm, rezitierte er leise Beschwörungsformeln, um seinem Herrn gefällig zu sein. Er wusste, der König der Unterwelt war ihm gewogen. Hatte er doch in monatelanger Kleinstarbeit die Wände des unterirdischen Tempels bemalt und die Räume für das Ritual vorbereitet. Er allein hatte Blut und Schweiß gegeben, um Anubis dieses Haus zu errichten.
Es gab insgesamt drei Kammern im Heiligtum. Den Vorbereitungsraum, das Allerheiligste mit dem Altar vor der drei Meter hohen Statue und die Aufbewahrung, in der die Gaben darauf warteten, dass seine Hände sie zu würdigen Opfern erhoben.
Er gab Wasser in die bereitstehende Alabasterschale und begann, den schwarzen Marmorblock zu reinigen. Der Anblick des Herabrinnens der im Fackellicht schimmernden Tropfen hatte etwas Meditatives.
Diesmal musste er alles richtig machen. Eine ähnliche Schlamperei wie bei der vorherigen Gabe würde der Gott nicht noch einmal dulden und ihm schlimmstenfalls seinen Segen vorenthalten. Er hatte gelernt, dass er die Herzen der Geschenke mit Hoffnung und nicht mit Furcht erfüllen musste. Dann würden sie willig ihrem Zweck dienen.
Zurück im Vorbereitungsraum strich er sich den dünnen Bademantel von den breiten Schultern. Nur mit einem Schurz aus ägyptischem Leinen bekleidet schauderte er im ersten Moment in der kühlen Luft. Ehrfurchtsvoll nahm er die Schakalmaske von ihrem Sockel und stülpte sie sich über. Durch die Öffnungen unter der langgezogenen Schnauze konnte er sehen. Er war sehr stolz darauf, dass ihm die Nachbildung des einzig erhaltenen Exemplars, welches sich in Deutschland in einem Museum befand und von dessen Kopie er in Boston einen Abdruck hatte nehmen können, so gut gelungen war. Die von ihm verwendete Maske aus mit Epoxidharz verstärkter Leinwand war allerdings tragbar und haltbarer als das zerbrechliche Original aus Ton. Zudem hatte er sich erlaubt, sie zu Ehren von Anubis mit Blattgold zu verzieren.
Mit einem letzten Blick versicherte er sich, dass alles bereit lag. Zufrieden entriegelte er die Tür der Aufbewahrung. Gänsehaut kroch über seine Haut, als er in den Kühlraum trat und sich, die leeren Hüllen der unwürdigen Gaben leicht beiseiteschiebend, seinen Weg in den hinteren Teil bahnte. Er würde wohl zeitnah einige davon entsorgen müssen, sie nahmen zu viel Platz weg. Aber das war nicht weiter schlimm, seine Hunde waren immer hungrig.
Das weibliche Gefäß war noch nicht wieder zu sich gekommen. Das war gut, machte es den Transport doch stressfreier. Er griff nach oben, hob die Kette aus dem Haken und schulterte den kühlen Körper. Anschließend legte er den nackten Leib bäuchlings auf den Vorbereitungstisch und löste, nachdem er sich Handschuhe übergestreift hatte, das Klebeband, welches die Arme auf dem Rücken fixierte. Der hellblaue Latex um seine Hände widerstrebte ihm, es brach das Bild der heiligen Handlungen. Aber ihm war klar, dass es so besser war. Dass seine Feinde ihn ansonsten zu schnell finden und seinen Weg frühzeitig beenden würden.
Er drehte die Frau auf den Rücken und fesselte sie mit breiten Lederriemen an Armen und Beinen an den Tisch. Nachdem er ihr die langen, roten Haare aus dem Nacken gestrichen hatte, legte er einen letzten Riemen um ihren Hals und zog ihn soweit fest, dass sie gerade eben noch Luft bekommen würde. Dann stellte er sich ans Fußende und wartete darauf, dass sie aufwachte. Sein Blick war stur auf ihr Gesicht gerichtet, die harten Brustwarzen oder die gespreizte Scham interessierten ihn in keiner Weise. In Gedanken dankte er seinem Herrn für die Willensstärke, den Verlockungen des Fleisches widerstehen zu können, um sich völlig auf seine Aufgabe zu konzentrieren.
Als sie erwachte, reagierte sie wie erwartet. Sie versuchte, sich zu bewegen, und geriet in Panik, sobald ihr bewusst wurde, dass sie gefesselt – und nackt – war. Als sie ihn registrierte, begann sie zu schreien.
»Still. Niemand wird dich hören. Tu, was ich dir sage, und du wirst frei sein. Kämpfe gegen mich und du wirst unsagbar leiden. Verstanden?«
Mit tränennassen Augen starrte sie ihn einige Herzschläge an, dann nickte sie. Den Kampf gegen die Fesseln aufgebend lag sie leise zitternd vor ihm. Ihre Hoffnung darauf, dass er sie freilassen würde, war seine stärkste Waffe. Er hatte zuvor diverse Betäubungsmittel erprobt, aber die Ergebnisse waren stets unbefriedigend gewesen.
»Gut. Dann werde ich nun beginnen. Rühr dich nicht, dann wirst du nicht verletzt.« Er nahm die Schale mit dem Halawa und die zugeschnittenen Stoffstreifen zur Hand und fing an, mit Hilfe der Honigpaste nach und nach jegliche Körperbehaarung zu entfernen. Sie machte es ihm leicht, den Intimbereich hatte sie, aus der Eitelkeit der modernen Menschen heraus, bereits enthaart. Ob sie wusste, dass diese Modeerscheinung schon den alten Ägyptern bekannt gewesen war?
Als er an ihren Kopf trat und die Haare zu einem Zopf zusammenfasste, begann sie zu betteln und zu flehen. Appellierte an sein Herz und redete ihm ein, dass er das hier nicht tun müsste. Er würdigte ihre Unwissenheit nicht mit einer Antwort, sondern griff zum Rasiermesser. Dicht über der Kopfhaut schnitt er den schimmernden Bund ab und legte ihn zur Seite, ehe er sich daran machte, der leise wimmernden Frau den Schädel zu scheren.
Er ließ sich Zeit und arbeitete voller Sorgfalt, immer darauf bedacht, sie nicht zu schneiden. Kein Tropfen Blut durfte vor dem Ritual vergossen werden. Nach dem letzten Zug des Messers warf er es beiseite und griff zu der Flasche mit dem Salböl. Er verteilte die nach Lotusblumen duftende Flüssigkeit auf der Opfergabe und massierte sie gründlich ein. Als er die Finger in sie führte, um das heilige Öl auch dort zu verteilen, kreischte die Frau und kämpfte gegen die Fesseln an. Sie vermutete wohl, er wolle sich an ihr vergehen. Mit einem abfälligen Schnauben nahm er die Zeremonien-Perücke vom Ständer und setzte sie ihr auf den kahlen Schädel.
»Siehe, oh Herr, das Opfer wurde gereinigt und gesalbt, dir Ehre zu bringen. Sei nun Zeuge der Öffnung und segne mich.«
Den Blick auf das Gesicht der Statue gerichtet, ergriff er die Obsidian-Klinge, übergoss sie mit klarem Wasser und trocknete sie sorgfältig ab. Dann beugte er sich über die Frau.
»Ich werde nun die Fesseln lösen. Du wirst aufstehen und dich auf den Altar zu Füßen des Gottes legen. Du wirst nicht versuchen, zu fliehen. Du wirst nicht versuchen, mich anzugreifen. Du wirst es bitter bereuen, wenn du es doch tust.«
Er wartete, bis sie, nun bebend vor Angst und mit der blanken Panik in den blaugrünen Augen, nickte. Als er ihre Fußgelenke befreite, zog sie instinktiv die Beine zusammen, um ihm den Blick in ihre Spalte zu verwehren. Insgeheim amüsierte es ihn. Wie wichtig den Menschen doch ihre Schamhaftigkeit war, selbst im Angesicht des Todes. Er löste den letzten Riemen und ergriff ihren Oberarm, geleitete sie ins Allerheiligste und half ihr, sich auf dem Altar auszustrecken. Nacheinander schloss er die vergoldeten Eisenmanschetten um ihre Gelenke, fixierte sie auf dem schwarzen Stein. Er spürte ihren Blick. Ein Teil von ihm labte sich an ihrer Angst, genoss es, wie der Schrecken in ihren Augen mit jeder Sekunde größer wurde. Erregung überkam ihn, als er die Spitze des Messers auf ihrem Brustbein ansetzte.
Als er die scharfe Klinge mit einer fließenden Bewegung bis zum Bauchnabel durchzog, erschauerte er und ergoss sich in den Stoff seines Schurzes. Die Frau schien im ersten Moment gar nicht zu realisieren, was er getan hatte. Dann hob sie etwas den Kopf und als sie das Blut, ihr Blut, sah, begann sie zu schreien. Sie schrie, bis der Schmerz ihr Gehirn erreichte und ihr das Bewusstsein nahm.
Er legte das Messer zur Seite, ging nach nebenan und zog sich einen frischen Leinenrock an. Erleichtert und gereinigt kehrte er zu seinem Opfer zurück und wartete darauf, dass sie wieder zu sich kam.
Er war noch lange nicht fertig mit ihr.