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Prolog

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Kalt. Warum war es so furchtbar kalt? Sie zitterte, klapperte unwillkürlich mit den Zähnen, doch sie sah nichts. Etwas bedeckte ihre Augen. Weicher, anschmiegsamer Stoff. Eine Augenbinde aus Samt. Sie rieb ihren Kopf an der Schulter, es klirrte leise, als sie sich bewegte und ein leichter Schwindel sie erfasste. Zudem hatte sie ein merkwürdiges Druckgefühl im Kopf. Irritiert hielt sie inne, ehe sie ihre Bemühungen, die Augenbinde abzustreifen, energischer wieder aufnahm.

Als es ihr, begleitet von einem unbestimmten Klirren und Klimpern, gelungen war, verschlug es ihr den Atem, der als weiße Wolke sichtbar vor ihrem Gesicht stand. Sie hing kopfüber in einem halbdunklen Raum. Ihre Arme waren auf dem Rücken gefesselt, vielmehr mit Panzertape umwickelt. Links und rechts von ihr hingen an massiven Fleischerhaken gut ein Dutzend Körper, ebenfalls mit dem Kopf nach unten und mit glänzenden Ketten, die um ihre Fußknöchel geschlungen waren. Sie drehte vorsichtig ihren Kopf und blickte direkt in die mit Reif überzogenen Augen einer Leiche. Ein Mann, vielleicht dreißig Jahre alt. Das Gesicht noch im Tode in entsetzlichem Schmerz verzerrt. Unwillkürlich schrie sie auf, ein kurzer, gellender Schrei, der in ein Würgen überging, als ihr Blick weiter nach oben wanderte und sie den aufgeschnittenen, von allen Innereien befreiten Torso registrierte. Sie kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung, so das Bild aus ihrem Gedächtnis zu löschen. Ihr drehte sich der Magen um, die warme Suppe lief ihr über Nase und Augen in die Haare. Hustend und spuckend versuchte sie, vergeblich, die Fesseln irgendwie zu lösen. Durch ihre hektischen Bewegungen begann sie zu pendeln, stieß links und rechts gegen die eiskalten, steifen Körper. Die Ketten klirrten immer lauter als sich der Schwung ihres Kampfes wie eine Welle durch den Raum ausbreitete und die Leichen wie Uhrenpendel schwingen ließ.

Ihr gegenüber, am Ende des Raumes, zeichnete sich plötzlich ein helles Rechteck ab. Eine Tür, die aufgeschoben wurde und warmes Licht in das düstere Halbdunkel warf. Eine massige Gestalt füllte den Rahmen aus, betrat den Kühlraum. Schweigend, die schwingenden Körper mit den Händen abbremsend, bewegte er sich dabei immer weiter auf sie zu.

Sie atmete ein, um zu schreien, öffnete den Mund und erstarrte wie das Kaninchen vor der Schlange, als er unmittelbar vor ihr stehenblieb. Ihre Augen waren auf Höhe seiner Oberschenkel.

»Sieh dir nur an, was für eine Sauerei du veranstaltet hast.«

Seine Stimme wollte nicht zu seiner Erscheinung passen. Wie konnte ein so großer Mann, ein laufender Kleiderschrank, so sanft klingen? Und warum klang er so seltsam gedämpft? Um sie anzusehen, strich er ihr eine beschmutzte Haarsträhne hinters Ohr. Er trug Handschuhe, registrierte sie. Dünne, blaue, wie man sie meist im Krankenhaus sah.

»Bitte, lassen Sie mich gehen«, wimmerte sie und hob den Kopf, um sein Gesicht sehen zu können.

Brutal griff er ihr in die Haare, hielt sie zurück. »Erst wenn ich habe, was ich brauche. Wenn dein Ba befreit und auf mich übergegangen ist. Dann darfst du gehen. Wie die anderen gegangen sind.«

Er lachte. Leise, jedoch unüberhörbar spöttisch. Ihr Ba? Wovon redete der Kerl? Sie schrie entsetzt auf, als er sich zu ihr herunterbeugte. Sein Kopf war der eines Schakals, schwarz und golden.

»Ich weiß, das Antlitz des Herrn der Toten ist erschreckend. Aber du musst keine Angst haben. Nicht vor mir, nicht vor dem, was kommt. Wie die anderen werde ich dich öffnen und was dein ist, wird mein sein.«

Öffnen? Langsam sickerte die Erkenntnis, was er damit meinte, in ihren Verstand.

Sie begann zu schreien.

Sie schrie vor Entsetzen, vor Angst.

Und als er das Messer ansetzte, schrie sie vor Schmerz.

Die Hand des Anubis

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