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Eins
Оглавление1778 a.d. England, Chester
Dominik stand am Fenster des Gutshauses. Neugierig blickte er in den Hof, wo sich mal wieder Einiges abspielte. Die Luft flirrte in der Sonne. Es war Ende Juli und die Hitze ließ so manche Gemüter überhitzen. So auch an diesem Tag. Da sah er sie, dieses kleine dürre Ding, das täglich mit einem Eimer, Wasser am Brunnen holte. Jeden Tag wiederholte sich dieser Vorgang und so auch an diesem. Auch bemerkte Dominik Jeremia, ihren älteren Bruder, der immer mehr für Unmut unter den Bewohnern des Gutes sorgte. Dieser war kräftiger wie seine Schwester, aber hatte es anscheinend nicht nötig, Arbeiten zu erledigen. Stattdessen war er immer in Begleitung zweier gleichaltriger Jungen zu finden. Ständig lungerte er herum, glänzte durch Untätigkeit oder Unverschämtheiten, die er den Bediensteten zuteil werden ließ. Lässig lehnte Jeremia an der Stallmauer und scharrte mit einem Fuß im Staub. Als dieses kleine Mädchen, mit dem vollen Wassereimer, vom Brunnen zurückkam, schlenderte er wie zufällig zu ihr. Dominik konnte nicht hören, was dieser Bengel seiner Schwester an den Kopf warf. Aber er sah, dass Dawn sich abwandte und versuchte ihrem Bruder auszuweichen. Der jedoch stieß sie, so dass sie der Länge nach hinfiel und der Eimer Wasser sich im Staub des Hofes ergoss.
Dominik zog hörbar die Luft ein. Wenn er könnte, wie er wollte, würde er dem Knaben Manieren beibringen. Dawn tat ihm leid, sie litt unter ihrem Bruder und dem Trunkenbold von Vater.
Da bemerkte er, dass Albert hinter ihn getreten war.
“Dominik, sage bloß, du entdeckst gerade dein Herz für dieses Bündel Dreck da unten?“
Dominik dreht sich zu Albert um.
“Ich wette, wenn ich die Kleine erziehen könnte, würde etwas Besonderes aus ihr werden.“
“Ja, sicher Dominik und in zwanzig Jahren musst du ihr dann erklären, warum sie altert, aber du nicht. Und dann musst du sie töten.“
“Wer sagt, dass ich ihr das Leben nehmen muss? Was, wenn ich sie zu einer von uns mache? Ich könnte sie genauso gut vergessen lassen, wer oder was wir sind.“
“Herrgott, ich bitte dich Dominik. Und du weißt, dass es bei Kindern nicht funktioniert. Der Körper eines Kindes und der Geist eines Unsterblichen. Das führt früher oder später zu einem Konflikt. Denk an Sam und wie unberechenbar er ist. Manchmal möchte ich ihm seinen Clan nehmen, doch dummerweise steht dieser loyal zu Sam. Du bist kein Mensch mehr, vergiss das nicht. Das Beste wäre, ihr grober Bruder bläst ihr vor ihrem 15. Lebensjahr das Licht aus. Das würde sie vor dem Trunkenbold retten, den sie einmal heiraten wird. Vor jeder Menge Kindern, die Ihre Schönheit welken lassen. Außerdem mein Lieber, bist du viel zu unbeständig, um die Verantwortung für ein Mündel zu tragen.“
“Albert, du bist dekadent und hochmütig. Weißt du was, ich werde mit den Eltern reden und sie bitten, Dawn in meine Obhut zu geben. Und nun komm mir nicht damit, dass du Clanoberhaupt bist und ich deine Zustimmung benötige. Um die, ersuche ich nämlich erst gar nicht.“
Damit war für Dominik die Diskussion beendet, bevor sie richtig begonnen hatte. Und er beschloss, gar nicht lange zu warten. Entschlossen ging er zur Tür des Raumes.
“Halt Dominik, du gefährdest unsere Existenz, wenn du ein Menschenkind zu dir nimmst. Was, wenn sie herausfindet, was wir sind und vor allem, wovon wir uns ernähren? In den falschen Händen kann dies unseren Untergang bedeuten.“
Dominik drehte sich zu seinem Clanoberhaupt um.
“Das, mein Lieber wird nicht passieren, ich werde schon dafür sorgen. Außerdem erinnert sie mich an meine Schwester Liz, als wir noch Kinder waren.“
Somit verließ Dominik den Raum und schritt die breite Treppe zum Portal nach unten. Mit weit ausholenden Schritten überquerte er den Hof und ging auf das Gesindehaus zu, indem die Familie lebte. Wegen der Sonne musste er die Augen ein wenig zusammenkneifen. Sich im Tageslicht zu bewegen war kein Problem für ihn. Jedoch reagierten seine Pupillen empfindlich. Entschlossen klopfte Dominik an die Tür und Dawns Mutter öffnete sie. Sie knickste vor ihm und fragte, was sie für ihn tun könne.
Dass sie einmal sehr schön gewesen war, konnte man nur noch erahnen. Sorgenfalten waren auf ihrer Stirn, in ihren eisblauen Augen konnte er so etwas wie Angst erkennen. Ihr Körper war ausgemergelt und ihre Kleidung hatte auch schon bessere Tage gesehen. Die Frau vor ihm verkörperte das Bild der Armseligkeit. Mitleid baute sich in ihm auf. Eine Regung, die er nicht oft verspürte. Zu oft in den vergangenen Jahrhunderten hatte er Menschen in Armut sterben sehen, während andere in Wohlstand lebten. Dennoch lächelte er sie nun an und sie erwiderte es. Und genau dieses Lächeln ließ ihre Augen aufleuchten.
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Dawn schleppte, wie immer den Wassereimer, den sie brauchten, um sich zu waschen oder zu kochen. Na ja, kochen war eher die Ausnahme. Aber täglich sollte sie den Eimer holen. Er war schwer und sie keuchte vor Anstrengung. Da bemerkte sie aus den Augenwinkeln, wie ihr Bruder auf sie zukam. Sein hämisches Grinsen verhieß nichts Gutes.
“Na, musst du wieder die Magd spielen? Zu was anderem seid ihr Weibsbilder sowieso nicht zu gebrauchen.“
Ängstlich wich sie vor ihm zurück. Jeden Tag versuchte er ihr das Leben schwer zu machen. Doch er war mit einem Schritt bei ihr und versetzte ihr einen kräftigen Stoß. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel der Länge nach in den Staub des Hofes. Das Wasser ergoss sich aus dem Eimer und sie kämpfte gegen die Tränen. Sie wollte nicht weinen, nicht vor ihm. Also schluckte sie den Kloß herunter, der in ihrem Hals wuchs. Seine Gefährten schlugen sich vor Lachen auf die Schenkel.
“He, Jerry, lass sie doch. Das wird langsam langweilig sie immer wieder im Dreck zu sehen.“
Jeremia viel in das Grölen seiner Freunde ein und trollte sich. Mühsam stand Dawn auf und klopfte den Staub von ihrem Hemd. Sie hob den Eimer auf und holte erneut Wasser. Ohne weitere Zwischenfälle kam sie damit in ihrem Haus an. Dort wartete ihre Mutter auf sie. Mit einem warnenden Nicken in Richtung ihres Vaters nahm sie Dawn den Kübel ab. Eilig verzog sich Dawn auf ihre Strohmatte im hinteren Teil des Gebäudes. Eigentlich bestand ihr Zu Hause nur aus einem Raum. In diesem spielte sich das ganze Leben ab, dass Dawn kannte. Nichts blieb geheim, nichts wovor sie sich verstecken wollte. Nachts hörte sie ihren Vater oft keuchen, während ihre Mutter still war. Einmal hatte sie gewagt, einen Blick zum Lager ihrer Eltern zu werfen. Was sie gesehen hatte, war erschreckend gewesen. Mit heruntergelassenen Hosen lag ihr Vater auf ihrer Mutter und bewegte sich rhythmisch auf ihr, während ihre Mutter wie erstarrt dalag und nur die Augen fest zugekniffen hatte. Seit dieser Nacht hielt sie sich die Ohren zu, wenn ihr Vater wieder stöhnte. Von ihrem Lager konnte sie nun hören, wie ihr Vater ihre Mutter beschimpfte, weil sie sein Bier nicht schnell genug nachschenkte.
Traurig schloss sie die Augen. Sie stellte sich vor, wie sie eines Tages weglaufen würde. Einfach fort, um in Sicherheit zu sein vor ihrem Vater, der nur allzu gerne zuschlug. Jeremia würde sie nie wieder im Hof schubsen, oder Schlimmeres. Sie seufzte. Da klopfte es an der Tür. Sie hörte, wie ihre Mutter mit jemandem sprach. Neugierig spähte sie zur Tür. Dort stand ein Mann und redete mit ihrer Mutter. Das, was sie sehen konnte, raubte ihr den Atem. Er war groß, reichte fast bis zum oberen Rand der Tür. Dunkle halblange Haare umrahmten das schönste Gesicht, das Dawn in ihrem Leben gesehen hatte. Schmal und markant zeichneten sich seine Gesichtszüge gegen das gleißende Sonnenlicht ab, das durch die Türe fiel. Dunkelblaue Augen, umgeben von dichten schwarzen Wimpern, blickten sich suchend im Raum um und blieben an ihrem Lager hängen. Röte schoss ihr ins Gesicht und ihr Kiefer klappte herunter, aber sie schloss den Mund schnell wieder. Seine Kleidung ließ darauf schließen, dass er wohlhabend war. Sein Blick hielt den ihren gefangen und ihr Herz setzte einen Schlag aus. So sollte einmal der Mann aussehen, den sie heiraten wollte. Ob er sie auch schlug und anfing zu saufen, wie ihr Vater? Nein, das würde er nicht. Warum sollte er auch. Oder vielleicht doch?