Читать книгу Midnight Clan - Thabita Waters - Страница 8
Drei
ОглавлениеDawn saß eingewickelt in das Tuch auf dem riesigen Bett, mit neugierigen Augen blickte sie sich um. Da sollte sie alleine schlafen? Keiner würde neben ihr auf einer Strohmatte liegen und sie unsanft in die Seite boxen. Dieses Bett kam ihr viel zu riesenhaft vor. Sie fühlte sich verloren in dem großen Zimmer. Doch zu Dominik fühlte sie sich hingezogen, auch wenn sie ihm Paroli bot. Das war so ihre Art.
Bewundernd dachte sie an seine blauen Augen und seine Hand, die ihre hielt, als sie über den Hof gingen. Ungewiss lag die Zukunft vor ihr. Jedoch hatte sie das Gefühl, das sie ab jetzt in Sicherheit sein würde. Wenn sie das auch von ihrer Mutter sagen könnte, leider würde sie jetzt nicht mehr ständig in deren Nähe sein. Allerdings weigerte sie sich immer noch hinzunehmen, dass man sie bediente. Das würde sie niemals mögen. Zwar musste sie den schweren Wassereimer nicht mehr jeden Tag mühselig über den Hof schleppen, doch sie konnte nicht untätig herumsitzen. Ein schaler Nachhall der Angst vor ihrem Vater und Bruder legte sich um ihr Herz, aber diese würde sicher bald vergehen.
Sie stand von der Bettkante auf und tapste auf bloßen Füßen durch das Gemach, um sich ein wenig genauer umzusehen. Gegenüber dem Bett befand sich ein imposanter Schrank. Neugierig öffnete sie die Türen, er war leer. Also nahm sie wirklich niemandem sein Zimmer weg. Dieses Möbelstück war riesig und sie fragte sich, wie viel Kleider jemand haben müsste, um ihn voll zu bekommen. Seufzend schloss sie ihn und setzte ihre Entdeckungsreise fort. An der anderen Wand zwischen den beiden großen Fenstern stand ein kleiner Tisch mit einem Spiegel. Erstaunt beurteilte sie ihr Spiegelbild. In dem Tuch sah sie so kärglich aus. Ihre Haare hingen in nassen Strähnen bis zu Taille. Noch nie hatte sie sich in einem Spiegel betrachtet. Nur manchmal in einer Pfütze, nach einem Regenschauer. Prüfend reckte sie ihr Kinn vor und drehte den Kopf von einer Seite zur anderen. Sie fand ihre Augen zu blass, ihre Stirn zu hoch und das ganze Gesicht zu schmal.
Der große blaue Fleck auf ihrer Schulter erinnerte sie daran, wie ihr Vater sie geschlagen hatte, weil sie sein Bier verschüttet hatte und ein Schauer lief über ihren Rücken. Zu oft hatte sie wegen Kleinigkeiten Schläge oder Tritte bekommen und immer war ihre Mutter dazwischen gegangen. Hatte sich schützend vor ihre Tochter gestellt. Entweder steckte sie Hiebe von ihrem Vater, oder ihrem Bruder ein. Bei dem Gedanken an ihre Mutter, spürte sie einen Kloß im Hals und ihre Augen fingen zu brennen an. Wie gern würde sie, sie in Sicherheit wissen. Nein, sie würde jetzt nicht heulen, wie ein Kleinkind.
Geräuschvoll zog sie die Nase hoch. Dann wandte sie sich von ihrem Spiegelbild ab und trat an eins der Fenster. Dawn blickte in den Hof. Unten spielten ein paar Kinder und sie sah ihren Bruder, wie er sich mit seinen Freunden unterhielt. Wild gestikulierte er und zeigte immer wieder zum Haupthaus. Plötzlich sah er hoch, genau in ihre Richtung und sie trat erschrocken einen Schritt nach hinten, damit er sie nicht sehen konnte. Ihr Herz schlug ihr in dem Moment bis zum Hals. Fest umklammerte sie das Tuch und trat wieder zurück an das Fenster. Dawn stellte sich so, dass sie weiter das Treiben im Hof beobachten konnte, aber sie niemand von unten sah. Erleichtert darüber unbeobachtet zu sein, lehnte sie ihren Kopf an die kühle Mauer und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. Ein Traum, dies musste ein Traum sein. Gleich würde sie aufwachen und wieder die Befehle ihres Vaters befolgen. Ungläubig zwickte sie sich in den Arm, doch der Schmerz bestätigte ihr, dass sie wach war.
Schnuppernd zog sie die Luft ein. Immer noch duftete es nach dem Badeöl. Mittlerweile musste das Badewasser kalt sein. Sie ging zur Wanne. Prüfend steckte sie ihre Hand in das Wasser. Kleine Wellen kräuselten die Wasseroberfläche und der Duft intensivierte sich. Immer würde sie dieses Aroma im Gedächtnis behalten, denn er war das Schönste, was sie in ihrem Leben riechen durfte. Kein schaler Biergeruch. Kein Schweißgeruch, nur Sommerwiese. Gedankenverloren trat sie zurück zum Fenster und blickte wieder auf den Hof. Ihr Bruder wurde gerade von seinen beiden Freunden ausgelacht. Wütend und mit rotem Kopf lief er zum Gesindehaus.
Plötzlich ertönte eine Stimme hinter ihr.
“Guten Tag, na wen haben wir denn da?“
Vor Schreck hätte Dawn fast das Tuch fallen lassen und wirbelte herum. Da stand ein Mann, der sie lächelnd ansah. Verängstigt raffte sie das Handtuch enger um ihren Körper.
“Hab keine Angst. Ich beiße nicht.“ Zumindest keine kleinen Mädchen, fügte er in Gedanken hinzu. Neugierig betrachtete Dawn ihn und stellte fest, dass auch er sehr gut aussah. Grüne Augen mit winzigen Lachfältchen. Blondes Haar und ein wunderschönes Gesicht. Alles an ihm mutete vornehm und irgendwie zart an. Im Gegensatz zu Dominik wirkte er fast zerbrechlich.
“Ich bin Dawn und wer bist du?«
Verzweifelt bemühte sie sich, ihre Stimme fest und entschlossen klingen zu lassen. Ihre Angst sollte er nicht spüren.
“Oh, du bist Dominiks Dawn. Ich bin Albert der Besitzer dieses Hauses.“
“Muss ich wieder gehen? Hat Dominik nicht gefragt wegen mir?“ Ängstlich sah sie Albert an.
“Aber nein, Dominik hat mich informiert und du bist nun auch mein Gast.“
Erleichtert atmete Dawn aus. Für einen kurzen Augenblick hatte sie gedacht, sie würde nun wieder zu ihren Eltern geschickt. Doch warum erfüllte sie das mit Angst? Denn immerhin war ihre Mutter dort. Dann würde sie aber Dominik nicht wiedersehen.
Amüsiert betrachtet Albert das Wesen vor ihm. Dominik hatte recht, aus ihr würde eine Schönheit werden. Innerlich lächelte er über sich selbst, die Kleine hatte nicht viel gesagt und er war ihr schon verfallen. Hazel hatte eine stille Konkurrenz erhalten. Doch ihre ausgemergelte Statur gefiel ihm gar nicht. Man konnte sehen, dass Armut ihr täglicher Begleiter gewesen war. Erinnerungen an seine eigene Kindheit kamen in ihm hoch. Auch er war in sehr armen Verhältnissen groß geworden. Erst als Vampir war es ihm gelungen, so etwas wie Reichtümer anzuhäufen. Fast schon beschämt dachte er an die Unterhaltung mit Dominik, in der er meinte, dass es besser sei, sie würde vor ihrem 15. Lebensjahr erschlagen werden. Wo war sein Mitgefühl gewesen? Missbilligend fiel ihm auf, wie zottig ihre Haare waren und er fragte sich, wann sie zuletzt einen Kamm gesehen hatte.
“Dawn deine Haare sehen völlig zerzaust aus. Darf ich sie dir bürsten?“
Er wusste nicht, wie er auf diese Idee gekommen war, aber er wollte sie einfach berühren, wollte sichergehen, dass sie real war. Mit ihren eisblauen Augen und der fast durchsichtigen Haut, sah sie unwirklich aus. Obwohl es Sommer war, wirkte sie zu blass. Mit schief gelegtem Kopf sah Dawn ihn nachdenklich an.
“Ich weiß nicht. Mir hat immer meine Mutter die Haare gebürstet, wenn sie Zeit hatte.“
“Es wäre mir eine Ehre junge Dame.“ Mit einer leichten Verbeugung trat er näher.
Dawn kicherte, junge Dame, so war sie noch nie genannt worden. Albert hatte sich den Weg zu ihrem Herzen erobert.
“Hmm, sehr gern, wenn du möchtest.“
Albert zog den Stuhl vom Frisiertisch etwas zurück und deutete mit der Hand galant auf die Sitzflächel.
“Lady Dawn, ich bitte euch, Platz zu nehmen.“
Dawn lachte auf und schlug sich mit einer Hand auf den Mund. Hoffentlich wurde Albert nun nicht ärgerlich, weil er dachte, sie lachte über ihn.
Doch er fiel in ihr Lachen ein und zwinkerte ihr belustigt im Spiegel zu. Erleichtert über seine Reaktion setzte sich Dawn auf den Stuhl und Albert schob sie mühelos näher an den Frisiertisch.
Stirnrunzelnd stellte er fest, dass sie leicht wie eine Feder war. Es war, als säße niemand dort. Albert griff nach der Bürste, die auf dem Tisch lag, und fing an vorsichtig ihr Haar zu bürsten. Es war an einigen Stellen so verfilzt, das er Mühe hatte, durchzukommen, doch er gab sich Mühe und bürstete geduldig und zart die Strähnen, bis sie glatt hinunterfielen. Immer wieder japste Dawn auf, wenn er an einen besonders hartnäckigen Knoten kam. Aber sie blieb sonst still, hielt mit erhobenem Haupt stand. Tapferes kleines Ding, dachte er. Langsam trocknete ihr Haar, und als er fertig war, fiel es seidig über die Rückenlehne des Stuhls. Dicht und schwarz reichte es fast bis zur Sitzfläche. Sanft strich er es mit den Händen nach hinten und suchte mit den Augen nach einem Band um es zu bändigen. Sein Blick blieb an einem roten Samtband hängen. Damit band er ihre Haare im Nacken zusammen und bemerkte erst jetzt den blauen Fleck auf ihrer Schulter.
“Wie ist das passiert? Hat dich jemand geschlagen, dein Bruder vielleicht?“
“Nein ich bin gefallen.“ Im Laufe der Zeit hatte sie gelernt, Schläge durch Lügen zu verleumden. Oft hatten sie die Stallburschen gefragt, warum sie blaue Flecken hatte. Der Stall war ihre Zuflucht gewesen. Der Geruch nach Heu und den Pferden war tröstlich. Und ihr Bruder fürchtete sich vor den Stallburschen. Dort brauchte sie keine Angst zu haben.
Schon als sie es aussprach, wusste Albert es. Wusste, dass sie gelogen hatte. Nur wen wollte sie damit schützen? Sich selbst oder ihre Mutter? Denn dass nur Dawn unter Schlägen litt, erschien ihm unlogisch. Er runzelte die Stirn. Dann strich er ihr sanft über die Wange.
“Dann müssen wir aber ganz besonders auf dich aufpassen, damit so was nie wieder passiert.“
Nie wieder sollte jemand die Hand gegen sie erheben. Vielleicht sollte man den Rest der Familie auch beobachten. Doch das wollte er später entscheiden.
An der Tür klopfte es und Hazel trat ein. Sie trug ein Bündel Kleider auf ihrem Arm und legte diese auf das Bett.
“Dawn, ich hab dir einiges zum Anziehen gebracht. Wollen wir gleich einmal sehen, was dir davon passt? Mister Albert ich denke, sie sollten das Zimmer verlassen, während die junge Dame sich ankleidet.“
Ein zaghaftes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Albert ging ihr allein durch seine bloße Anwesenheit schon unter die Haut.
“Ja Hazel du hast recht, ich ziehe mich zurück. Lady Dawn, ich möchte mich verabschieden und es war mir eine Ehre euch kennenzulernen.“ Wieder verbeugte er sich.
Dawn gluckste, sie fand dieses förmliche Gehabe lustig. Sie fühlte sich immer wohler in ihrem Neuen zu Hause. Sie sah, wie Albert nahe an Hazel vorbei ging und wie zufällig ihre Hand berührte, auch fiel es ihr auf, wie er sanft mit dem Daumen über ihren Handrücken strich.
Als Albert das Zimmer verlassen hatte, stand sie auf und ging zu Hazel. Hazel strich ihr übers Haar.
“Weißt du, dass du wunderschön bist. Nur ein wenig zu dünn, aber ändern wir schnell. So und nun probieren wir mal die Kleider an, die ich hier habe.“
Sie reichte Dawn ein Unterkleid. Dawn nahm es ehrfürchtig entgegen. So etwas Schönes hatte sie noch nie besessen. Es war aus blütenreinem Leinen. Sie streifte es über und es passte zwar in der Länge, jedoch hätte sie sonst zweimal hineingepasst. Hazel reichte ihr ein Kleid aus dunklem Stoff, das Dawn überzog. Auch dieses war ihr viel zu weit. Dann reichte ihr Hazel ein paar Strümpfe und eine lange Unterhose. Als Hazel sah, wie unbeholfen Dawn mit den Strümpfen umging, half sie ihr, diese überzustreifen. Nach einigem Suchen zog sie ein paar einfache Schuhe aus dem Kleiderberg und Dawn zog diese auch an. Sie waren ein wenig zu groß, aber das störte Dawn nicht. Es war das erst Paar Schuhe in ihrem Leben.
Hazel drehte sie hier um und darum, zupfte hier und dort, bis sie mit dem Werk zufrieden war. Dann schob sie Dawn zum Spiegel. Und Dawn fielen fast die Augen aus dem Kopf. Da starrte sie ein völlig fremdes Mädchen aus dem Spiegel an. Das Haar war ordentlich im Nacken zusammengebunden. Ihr Gesicht sauber und in Kleidern, die fast vornehm wirkten. Fragend blickte sie im Spiegel zu Hazel und sah, dass diese anerkennend lächelte. Sie wurde rot. Wenn ihre Mutter sie doch nur so sehen könnte.
Entschlossen drehte Hazel sie um und schob sie Richtung Tür.
“So junge Dame und nun gibt es was zu essen. Du bist dürr wie ein Stock.“