Читать книгу DAS BÖSE BRINGT DEN TOD - Theo Gitzen - Страница 7
Das erste Geschäft
Оглавление„Was suchst du eigentlich?“ - fragte Halima ihren irgendwie nervös wirkenden Ehemann Halim.
„Nichts-Schatz“.
„Nichts gibt’s nicht. Ich sehe doch das du nach irgendetwas suchst. Ist es vielleicht das hier?“
Sie hielt ihm ein Bündel Geldscheine, die sie sich als Ersparnis aus den kürzlich erhaltenen Hochzeitsgeschenken zur Seite gelegt hatten, vor die Nase.
Er schaute abwechselnd auf das Geld in ihrer Hand und in ihr Gesicht. Es stand nichts Gutes darin. Es war der gleiche durchdringende Blick den sie immer aufsetzte, wenn sie mit etwas nicht zufrieden war. Er mochte diesen Blick nicht. Es war ihm immer wieder unangenehm und er fühlte sich jedes Mal ertappt und in die Enge getrieben.
Obwohl sie erst kurz verheiratet waren, kannte Halima ihren Mann sehr gut. Sie spürte genau, wenn etwas im Argen lag. Auch wenn es ihr hinterher immer Leid tat ihn so in die Enge zu treiben bis er mit der Wahrheit herausrückte, so liebte sie diese kleinen Momente der Macht, die sie mit diesem, ihrem zwingenden Blick erhielt.
Sie wedelte provokant mit dem Geldbündel vor seiner Nase hin und her und warf ihren Kopf in den Nacken.
„Also – was ist los?“
„Warum brauchst du das Geld? - und was hast du damit vor?“ -fragte sie barsch. Geschickt verstärkte sie ihren „bösen“ Blick um ihn noch mehr in die Defensive zu drängen.
„Los raus damit!“
Halim kannte die Situation zu genau und sah keine Möglichkeit sich irgendwie aus dieser Situation zu befreien. Ein leichtes Stöhnen drang über seine Lippen und mit einem tiefen Seufzer begann er ihr sein Vorhaben zu schildern.
„Also - du weißt die Zeiten sind schlecht letzte Woche haben Fadi und ich unsere Arbeit in der Markthalle verloren, weil diese geschlossen und eine neue in Majidiye gebaut werden soll. Die suchen zwar Bauarbeiter, aber das sind wir ja nicht. Und deshalb haben wir uns überlegt einen kleinen Krämerladen aufzu-machen.“
Mit geöffnetem Mund, einem verängstigten Blick und in Erwart-ung einer wahren Explosion, wartete er auf ihre Antwort.
„Was wollt ihr? - einen Krämerladen aufmachen- wie soll das denn bitteschön gehen?“ Sie war sichtlich erregt.
Halim suchte nach Erklärungen, die sie überzeugen sollten in das Vorhaben einzustimmen.
„Äh- wir haben gedacht, - äh- dass die Bauarbeiter und deren Familien ja etwas zum Leben brauchen und -äh- wenn wir auch noch Brot backen dann könnte das ein gutes Geschäft werden“.
Er holte tief Luft und setzte zum nächsten -ÄH- an, als sie ihn schroff unterbrach.
„Was…“ Oh Gott dachte er. Jetzt ist alles aus. Am liebsten würde er jetzt weglaufen. „… für eine geniale Idee!“
Für einen Moment war es totenstill. Hatte er richtig gehört?
Hatte sie „genial“ gesagt? Er hielt die Luft an. Sein Blick war gesenkt und er wartete darauf, dass sie ihn jetzt mit Vorwürfen überhäufen würde. Sie beugte sich über ihn und nahm seinen Kopf in beide Hände. Für einen kurzen Augenblick dachte Halim, dass sie ihm nun auch noch den Kopf abreißen wolle.
„Liebling! - das ist die beste Idee die du je hattest. Sie ist einfach genial“.
Sie küsste ihn auf Stirn, die Wangen, drückte ihn endlos.
Nachdem der Sturm ihrer Begeisterung ein wenig abgeebbt war, schaute er sie mit großen Augen an und fragte vorsichtig.
„Meinst du wirklich, dass das eine gute Idee ist?“
„Ja mein Schatz! Du brauchst keine Angst haben“.
Und mit einem verschmitzten Grinsen fügte sie noch hinzu
„Ich bin doch kein Teufel“.
Sie nahm seine Hand. Komm lass uns schnell zu Fadi laufen und ihm sagen das wir dabei sind. Noch am gleichen Abend beschlossen sie zusammen mit Fadi und seiner Frau Elena schon nächste Woche mit dem Projekt zu starten. Sie und Halim geben ihr Hochzeitsgeld als Startkapital und die gleiche Summe, die Fadi und seine Frau als Erspartes hatten, sollte falls das Projekt nicht läuft, für beide Familien als Sicherheit da sein.
Es war ein guter Plan!
HA-FA Makhbiz, so sollte sie heißen, die neue Firma.
„Ha“ für Halim und „Fa“ für Fadi und „Makhbiz“ für Bäckerei.
„Und wo eröffnen wir unseren Laden?“ - fragte Elena.
„Hier- hier bei uns im Haus“ - antwortete Halima und ergänzend fügte sie hinzu:
„Wir bauen einfach unten um. Schließlich brauchen wir den großen, Fisch-Schlitz-Raum nicht mehr“.
Fisch-Schlitz-Raum war ihre Art, den Raum zu bezeichnen, in dem ihre Eltern und auch Großeltern, als sie noch Fischer waren, ihre Fische ausnahmen.
„Das ist nicht teuer und wir brauchen auch keine Miete und auch kein Bakschisch an Machmud und seine syrische Groß-familie abführen“.
Alle waren einverstanden. Nach und nach wurde der Laden hergerichtet, Waren eingekauft und auch ein kleiner Backofen für das Brotbacken angeschafft. Ein großes Rolltor um den Eingang zu verschließen. war das teuerste, was sie anschaffen mussten. Am Ende hatten sogar noch ein wenig Geld übrig.
Während die Frauen sich um die Organisation und den Verkauf kümmerten, gingen die Männer auf die Märkte um Waren zu kaufen, standen in der Backstube und belieferten Bauarbeiter im ganzen Viertel. Die Geschäfte liefen gut. Zumal im Laufe der folgenden Jahre immer mehr Ausländer nach Beirut zogen um sich dort geschäftlich niederzulassen.
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Beirut entwickelte sich schnell zu einer pulsierenden Großstadt. Anfang der 1970er war Beirut zum Dreh- und Angelpunkt für Geschäfte aller Art geworden und erhielt den Beinamen „Paris des Nahen Osten“. Mit dem Geschäftsleben, hielt auch das gesellige Leben immer mehr Einzug in Beirut. Fast täglich öffneten Bars, Diskotheken, Restaurants, Kinos und auch Theater und Museen ihre Tore und boten Jedermann etwas zum Leben.
Christen verkehrten und handelten mit Sunniten, Schiiten, Muslimen und allen Andersgläubigen und auch das Zusammen-leben zwischen Araber, Europäern und Amerikanern war friedlich und unproblematisch. Nur die konservativen unter ihnen sahen ein nahendes „Sodom und Gomorra“.
Das sie recht behalten sollten ahnte zu diesem Zeitpunkt niemand. Im Laufe der Zeit war aus Halim und Fadis Krämer-laden ein florierender großer Laden geworden.
Wohlbehütet wuchsen die drei Kinder in dieser „Großfamilie“ aus Bäckern, Krämern und Verkäufern auf.
Fatima und Leila waren schon immer die kleinen Lieblinge in der Familie und auch der ganzen Straße. Nicht nur dass sie putzig aussahen mit ihren langen Zöpfen, sie hatten auch diese hübschen Mandelaugen, von ihren Müttern geerbt, mit denen sie ganz bewusst jeden quasi um den Finger wickeln konnten.
Sie waren die kleinen „Prinzessinnen“ und das wussten sie genau.
Jasin und Junis hingegen wurden schon früh in das Geschäft eingebunden und mussten fast jeden Tag, neben der Schule, auch fleißig im Betrieb der Eltern mithelfen.
Während Jasin, sich mit der Arbeit im elterlichen Betrieb sehr wohl fühlte, zog es Junis immer mehr nach draußen in die Stadt.
War er doch lieber mit den Broten unterwegs als in der Backstube zu stehen. Seine Lieblingskunden waren jedoch die „Deutschen“ die sich mit ihren Stahlerzeugnissen für das Baugewerbe in Beirut niedergelassen hatten.