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Die Geschlechtsverbrechen

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Ob­wohl so­mit bis zum Jah­re 1924 die vie­len Mord­ta­ten des Haar­mann trotz meh­re­rer An­zei­gen aus sei­nem Be­kann­ten- und Nach­bar­krei­se und trotz man­nig­fa­cher Ver­dachts­grün­de un­ent­deckt und im dun­keln blie­ben, so wur­de doch bei den im­mer wie­der­keh­ren­den Haus­su­chun­gen und Über­wa­chun­gen et­was an­de­res voll­kom­men klar­ge­stellt: Der Ge­wohn­heits­ver­bre­cher, der be­stän­dig von Schwär­men blut­jun­ger Men­schen um­ge­ben leb­te, wel­che er nutz­te, oder wel­che ihn nutz­ten, frön­te je­der nur er­denk­li­chen Wi­der­na­tür­lich­keit des Ge­schlechts­le­bens. Als man we­gen des ver­schwun­de­nen Ro­the bei ihm forsch­te (Ok­to­ber 1918), fand man zwar nicht den ver­miss­ten Kna­ben, wohl aber einen an­de­ren nack­ten Kna­ben bei ihm im Bet­te. Er hat­te die Kna­ben an­ge­spro­chen, be­wir­tet und dann mit in die Woh­nung ge­nom­men, wo sie ge­gen Geld Un­sag­ba­res ma­chen muss­ten. Da er auch an­de­re Fäl­le die­ser Art zu­gab, so wur­de Ok­to­ber 1918 ein Straf­ver­fah­ren we­gen tät­li­cher Be­lei­di­gung ein­ge­lei­tet, wel­ches im April 1919 mit sei­ner Ver­ur­tei­lung zu neun Mo­na­ten Ge­fäng­nis en­de­te. In­zwi­schen war ihm die Woh­nung in der Cel­ler­stra­ße zu »heiß« ge­wor­den, und er ver­zog An­fang De­zem­ber 1918 nach Seyd­litz­stra­ße 15 zu ei­ner Frau He­de­rich, bei wel­cher er eine Woh­nung mie­te­te, an­geb­lich als »La­ger­raum für Zi­gar­ren, Che­mi­ka­li­en und an­de­res«. Es ge­hör­te zu Haar­manns Ge­pflo­gen­hei­ten, sich im­mer einen jun­gen Men­schen als »Me­scho­res« (Fak­to­tum) zu hal­ten. Die­ser hat­te die Woh­nung rein­zu­hal­ten und alle Ver­rich­tun­gen zu er­fül­len, die man sonst ei­nem Mäd­chen zu­mu­tet. Ein jun­ger Ar­bei­ter, na­mens Fried­rich Os­wald, wel­chen Haar­mann mit­tel­los am Bahn­hof auf­griff, wur­de in die neue Woh­nung ein­ge­setzt, be­kam sein ei­ge­nes Zim­mer und hat­te im Auf­tra­ge Haar­manns ne­ben­her auch tä­tig zu sein für eine der Schwes­ter be­freun­de­te Zi­gar­ren­händ­le­rin, mit wel­cher Haar­mann licht­scheue Be­zie­hun­gen un­ter­hielt. Auch in die­ser Woh­nung fan­den bald wie­der po­li­zei­li­che Durch­su­chun­gen statt, als Haar­mann in Ver­dacht ge­ra­ten war, den seit Sep­tem­ber 1918 ver­miss­ten Schü­ler Koch ge­tö­tet zu ha­ben, und auch in die­sem Fal­le muss­te der Mord­ver­dacht zwar fal­len­ge­las­sen wer­den, da­ge­gen wur­de er­wie­sen, dass Haar­mann neu­er­dings mit ganz jun­gen Bur­schen wi­der­na­tür­li­che Un­zucht ge­trie­ben hat­te, wor­auf­hin Haar­mann vom 2. Juni bis 19. Juli in Haft be­hal­ten wur­de, so­dann aber das Ver­fah­ren aus § 175 ein­ge­stellt wer­den muss­te, da die be­tei­lig­ten Bur­schen ihre ur­sprüng­li­chen An­ga­ben nicht auf­recht er­hiel­ten. Vor der Haupt­ver­hand­lung in die­ser Sa­che war auf Ver­an­las­sung der Staats­an­walt­schaft eine ge­richt­s­ärzt­li­che Un­ter­su­chung des An­ge­schul­dig­ten auf sei­nen Geis­tes­zu­stand vor­ge­nom­men wor­den, weil die­ser in dem vor­er­wähn­ten Ver­fah­ren, in wel­chem er zu neun Mo­na­ten Ge­fäng­nis ver­ur­teilt war, be­haup­tet hat­te, dass er »nicht zu­rech­nungs­fä­hig« sei und an Fall­sucht lei­de. Der Ge­richts­me­di­zi­nal­rat Dr. Brandt gab am 12. Juni 1919 das Gut­ach­ten ab, dass Haar­mann nicht geis­tes­krank und für alle De­lik­te, ins­be­son­de­re für se­xu­el­le, voll ver­ant­wort­lich sei. Das Gut­ach­ten war im we­sent­li­chen auf Grund der ei­ge­nen An­ga­ben Haar­manns er­stat­tet, wo­bei die­ser ver­schwie­gen hat­te, dass er in frü­he­ren Jah­ren im Ir­ren­haus ge­we­sen sei. – Da ihm nun auch die­se Woh­nung »heiß« ge­wor­den war, so ver­zog Haar­mann im Sep­tem­ber 1919 zu ei­ner Frau Kro­ell, Ni­ko­lai­stra­ße 13. Auch hier setz­te er den Ver­kehr mit jun­gen Leu­ten fort. Die Lo­gis­wir­tin be­ob­ach­te­te, dass er mit die­sen Un­säg­li­ches trieb und be­stand dar­auf, dass er so­gleich aus­zie­he. Er ver­zog dar­auf in eine an­de­re Woh­nung der Ni­ko­lai­stra­ße. Um die­se Zeit, An­fang Ok­to­ber 1919 trat aber in Haar­manns Le­ben je­ner Freund, mit dem er fort­an auf Tod und Le­ben zu­sam­men­ge­schmie­det blieb. –

Haarmann

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