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Von verschiedenen Hemden. Der gelehrte Freiherr von Mardern verliebt sich in

die spanische Prinzessin Isabella. Die Belagerung der Stadt Ostende.

er Schauplatz dieser kleinen Geschichte ist die Stadt Brüssel vor dritthalbhundert Jahren. Weil die Geschichte klein ist, darf man kaum wagen, eine Vorrede dazu zu schreiben; und gleichwohl behandelt sie einen so wunderlichen Gegenstand, dass die Erzählung ohne vorhergehende Rechtfertigung bedenklich erscheint. Der Erzähler käme da wirklich in Verlegenheit, bedächte er nicht, dass es ein schwerer Fehler sein würde, noch in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts Verlegenheit zu zeigen. Es sei daher ohne weiteres gewagt. Ist es doch auch nicht des Erzählers Schuld, dass platonische Liebe und ein Hemd die Hauptrollen in dieser Geschichte spielen. Im Grunde ist dabei auch gar nichts Anstößiges, an dem Hemd nämlich, und der Leser ist hoffentlich so nachsichtig, auch sogar die platonische Liebe einmal passieren zu lassen.

Es hat in der Welt viele berühmte Hemden gegeben und weder Dichter noch Geschichtsschreiber haben sich gescheut, davon zu reden. Man denke z. B. an das uralte Nessushemd, an viele Hemden der deutschen Sagenwelt, Braut- sowohl als Totenhemden; ferner an ein oder zwei „kleine Hemden“, die in der Selbstbiographie des Minnesängers von Lichtenstein erwähnt sind; auch an das oft befangene Hemd des Glücklichen. Doch wozu Berufungen und Entschuldigungen! Das Hemd, um welches es sich hier handelt, ist ein historisches und hat historische Berechtigung.

Weil sie geschichtlich, ist die Sache im Allgemeinen auch nicht unbekannt, aber doch nicht genau bekannt. Das Genauere soll hier mitgeteilt werden. Es handelt sich dabei hauptsächlich um ein gewisses seltsames Gelübde der Statthalterin Isabella in den weiland spanischen Niederlanden.

Ein paar Worte werden hinreichen, um den vielleicht nicht ganz kundigen Leser aufzuklären, ohne dass er sein Konversationslexikon nachzuschlagen braucht.

In dem Kriege zwischen Spanien und den abgefallenen Niederlanden, gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts, hatte König Philipp von Spanien im Jahre 1596 den Kardinal Erzherzog Albert nach den Niederlanden gesendet. Man hoffte die letzteren dadurch wiederzugewinnen, dass man ihnen scheinbar eine selbständige Regierung gewährte. Zu diesem Ende trat Philipp — wie gesagt, nur zum Schein — die Niederlande im Jahre 1589 an seine Tochter Isabella Clara Eugenia ab, welche im nämlichen Jahre mit dem soeben genannten Kardinal Erzherzog Albert vermählt wurde. Die Stände der Niederlande jedoch, die überhaupt mit Spanien ganz und gar nicht unterhandeln mochten, durchschauten den Plan und wiesen die Friedensanträge des neuen Ehepaares zurück. Der Krieg hatte daher seinen Fortgang. —

Im Herbst 1599 hatte die neue Statthalterin oder Vizekönigin mit ihrem Gemahl in Brüssel ihren Einzug gehalten. Zugleich war da ein etwas wunderlicher Heiliger mit eingezogen, ein Deutscher nämlich, der Freiherr von Mardern, welcher, wie es damals öfters vorkam, den ritterlichen mit dem gelehrten Charakter in sich vereinigte, denn er hatte Feldzüge mitgemacht und war auch Doktor der Rechte, tief eingeweiht in Sachen der Wissenschaft und überdies Dichter.

Er mochte damals schon etwas mehr als vierzig Jahre zählen. Wenn auch in seinem Äußeren nicht ganz, hatte er doch in seinem sonstigen Wesen viel Verwandtes mit dem erst später bekannt gewordenen Ritter Don Quixote. Dies galt besonders im Punkte der Liebe; nur dass er nicht eine bloß eingebildete Dulcinea verehrte, sondern eine wirkliche, noch dazu in den Niederlanden wandelnde Dame, und zwar keine geringere, als die Vizekönigin Isabella selbst. Er wusste wohl, dass er nie und nimmer auf eine Erwiderung dieser Liebe hoffen durfte; aber solch kühnen und frevelhaften Flug hatte seine Einbildungskraft auch nie genommen. Er liebte echt platonisch und die Nähe der Verehrten war schon sein höchstes Glück, eine Nähe, die er seit Jahren gesucht und behauptet hatte. Ein großer Trost und eine hohe Genugtuung fehlte ihm bei alledem nicht; er war nämlich nicht nur von ihr gekannt und geachtet, sondern hatte auch, einige Jahre vor der erwähnten letzten Reise, die kostbare Gelegenheit gehabt, der Prinzessin, als sie durch ein scheues Pferd in wirkliche Gefahr geraten, das Leben zu retten. Dem vom Schicksale Begünstigten haben scheue Pferde, wie man weiß, häufig einen solchen Liebesdienst erwiesen. Wem das Geschick nicht wohl will, dem gibt es höchstens Gelegenheit, seinen Todfeind auf solche Weise zu retten; — freilich trägt die Tugend allezeit ihren Lohn nur in sich selbst und man behauptet überdies, dass gerettete Geliebte oft mit weit schwärzerem Undanke lohnen als gerettete Todfeinde. Gewiss bleibt indes immer, dass nur Sonntagskinder das Vergnügen haben, die Geliebte retten zu dürfen.

Der weichherzige poetische Ritter hatte damals jede ihm gebotene Belohnung ausgeschlagen und schien die beste Vergeltung darin zu finden, dass man stillschweigend sein stetes oft etwas auffälliges Nachfolgen aller Orten duldete; so war er der Prinzessin auch nach den Niederlanden gefolgt und hatte eine Wohnung in möglichster Nähe der fürstlichen Residenz bezogen. Er konnte übrigens umso bequemer in solcher Weise verfahren, als er durch kein anderweites Verhältnis gefesselt und überdies ziemlich begütert war. Unter den Vorgängen des damaligen Krieges war einer der merkwürdigsten die Belagerung Ostende’s, welches die Niederländer mit äußerster Hartnäckigkeit verteidigten. Diese Belagerung war im Sommer 1601 begonnen worden und Isabella hatte bei dieser Gelegenheit ein eigentümliches Gelübde getan, nämlich, ihr Hemd fortan nicht wieder zu wechseln, bis die belagerte Stadt eingenommen sein würde. Vergebens hatte sich Moritz von Oranien bemüht, das durch den Erzherzog Albert bedrängte Ostende zu entsetzen. Die Belagerten hielten sich indes tapfer. Anfangs leitete ein Engländer, Vere, die Verteidigung; die Bresche war bereits einmal gangbar, aber Vere schlug den Sturm auf dieselbe zurück. Später trat an Vere’s Stelle Van der Noot, welcher sich nicht minder gut gegen den Genueser Ambrosius Spinola hielt, der seit 1602 die Belagerung führte. Spinola, der bis dahin ruhig auf seinen Gütern in Italien gelebt, hatte alsdann in jenem Lande für König Philipp neuntausend Mann italienische und spanische Veteranen geworben und dieselben 1602 nach den Niederlanden geführt. Nach einigen nicht glücklichen Unternehmungen war ihm vom Vizekönig oder Statthalter Albert die Belagerung Ostende’s übertragen worden. Die Verteidiger des Platzes Van der Noot und dessen Nachfolger Daniel van Herling waren nach einander gestorben. Unter Marquette, der die Verteidigung im Sommer 1604 leitete, stieg die Bedrängnis der Stadt bald aufs Höchste, so dass man der Übergabe von Tag zu Tag entgegen sah, zumal als es Spinola gelungen war, die Zufuhr zur See abzuschneiden.

Humoristische Geschichten - Vierter Band

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