Читать книгу Humoristische Geschichten - Vierter Band - Theodor Oelckers - Страница 8
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ОглавлениеEinige Tage vergingen, ohne dass ein Mensch den Engländer zu sehen bekam. Rom war in Gefahr eine seiner besten Sehenswürdigkeiten zu verlieren und das betrachtete man mit Recht als ein öffentliches Unglück.
Man sagt sogar, eine Anzahl Römer wären alles Ernstes damit umgegangen, den Papst um Erneuerung des aufgehobenen Verbots zu bitten.
Am dritten Tage endlich, als gerade wieder jemand sehr dringend an seine von Teilnehmenden belagerte Tür klopfte, hatte man zwar die Genugtuung, den Engländer öffnen zu sehn, aber zugleich den Kummer, ihn schon in Reisekleidern zu erblicken. Der Mann, der soeben angepocht hatte, war ein Bote, der ihm eine etwas geheimnisvolle Einladung brachte; aber Mr. Fairweather war nie einer Einladung gefolgt, und sollte oder konnte er es jetzt in seiner Trübsal tun? Dennoch entschloss er sich widerstrebend, dem Manne zu folgen, nachdem ihm dieser ein paar Worte ins Ohr geflüstert hatte, die niemand von den übrigen Anwesenden verstand.
Mr. Fairweather folgte, schon wieder an ganz andre Dinge d. h. eigentlich nur an sein Unglück denkend, dem Unbekannten und wusste es in der Tat selber nicht, als er sich nach wenig Minuten unter dem nämlichen Dache mit St. Heiligkeit selbst befand.
Sein Führer geleitete ihn durch verschiedene Gänge und unbewohnte Gemächer des Palastes, während er alle Türen mit einem Hauptschlüssel öffnete und sorgfältig wieder schloss, bis er ihn endlich in einem kleinen Gemache stehen ließ und sich allein in das nächste begab, wo er den Engländer vermutlich erst anmeldete, denn gleich darauf kehrte er zurück und ließ Mr. Fairweather eintreten, der sich jetzt in einem nicht prachtvollen aber sehr bequem eingerichteten Studierzimmer einem Manne gegenübersah, der behaglich in einen Schlafrock gehüllt auf einem Sofa vor einem mit Büchern und Papieren bedeckten Tische saß.
Dieser Mann war Benedikt XIII.
Er hatte den Engländer zu sich bescheiden lassen, und zwar insgeheim und auf Seitenwegen, weil er ihn nicht in förmlicher Audienz empfangen, sondern sich ganz ungezwungen unter vier Augen mit diesem Wunder seiner Hauptstadt bekannt machen wollte.
Das Gespräch zwischen beiden ist nicht ausführlich aufbewahrt worden, und bloß vermuten oder nach Gutdünken ergänzen wollen wir in diesem Falle umso weniger etwas, je seltsamere Dinge seiner Zeit in London und in der dortigen Tagespresse über Mr. Fairweathers „geheime Beziehungen mit dem päpstlichen Stuhle“ gefabelt worden sind. Gewiss weiß man nur, dass der Papst seinen Gast äußerst leutselig und freundlichst empfing; dies und namentlich der Umstand, dass er ihn, ganz so wie ein Privatmann seinen vertrauten Freund, im tiefsten Negligé und in einem Zimmer aufnahm, wo sonst kein Mensch auf der Welt und am allerwenigsten ein Ketzer Zutritt gefunden hätte, rührte selbst die kalte Froschnatur Mr. Fairweathers fast bis zu Tränen. „Ich würde unter allen Umständen darauf bedacht gewesen sein, jenes Verbot, das für viele meiner lieben Römer lästig war, aufzuheben,“ sagte der Papst; „ich hoffte jedoch die Gelegenheit nützen zu können, dies in einer Weise zu tun, wodurch zugleich eine ehrende und anerkennende Aufmerksamkeit auf Sie gelenkt werden sollte, Mr. Fairweather. Zu meinem unbeschreiblichen Leidwesen muss ich nun sehn, dass ich damit einen Missgriff getan und den Zweck gänzlich verfehlt habe. Es ist mir sehr leid, dass Sie Rom verlassen wollen; doch red’ ich Ihnen nicht ferner zu, hier zu bleiben, denn nachdem ich Sie nun selbst gehört, glaube ich Sie ganz richtig zu verstehen und zu beurteilen. Ihr Entschluss ist unwiderruflich und Sie würden gehen, selbst wenn ich, was übrigens nicht tunlich, Ihnen zu Liebe den Bann erneuern wollte.“
Hierin urteilte Benedikt allerdings ganz richtig. Es würde Mr. Fairweather ganz und gar nicht damit gedient gewesen sein, wenn man ihm gesagt hätte: „Dir allein soll gestattet sein, was allen Andern verboten bleibt;“ — denn er, der sonst Alles, was Gesetz hieß, mit pünktlichster Genauigkeit beobachtete, hatte in diesem einzelnen Falle einen unwiderstehlichen Reiz darin gefunden, etwas Verbotenes zu tun, was außer ihm niemand zu tun wagte. Die ausdrückliche Erlaubnis oder auch nur die zu verstehen gegebene Duldung vernichtete diesen Reiz auf immer. Der Zauber war gebrochen und es war nun für Mr. Fairweather kein Bleiben mehr in der ewigen Stadt.
„Mir zu Gefallen müssen Sie noch einen Tag hier verweilen, Mr. Fairweather“, fuhr der Papst fort, „oder vielmehr den Römern zu Gefallen. Ich wollte für meine Person das Vergnügen haben, mit Ihnen ganz unbefangen wie ein Freund mit dem andern und ohne Zeugen zu sprechen. Nachdem ich aber leider durch meine Schuld ihre Entfernung veranlasst habe, wünsch’ ich meiner eigenen Entschuldigung wegen auch die Welt erfahren zu lassen, dass wir als vollkommene Freunde scheiden. Ich bitte Sie, ein kleines schlichtes Andenken von mir anzunehmen, begleitet mit der Versicherung, dass ich Ihr langjähriges, stilles, aber edles und segenreiches Wirken in dieser Stadt mit herzlicher Dankbarkeit anerkenne. Ich könnte Ihnen dieses Andenken sofort überreichen und es würde Ihnen, wenn Sie es im Stillen und unmittelbar nur wie aus Freundeshand erhielten, vielleicht auch weniger wertlos dünken; doch, wie gesagt, meiner Römer wegen, deren gute Meinung ich nicht gern verscherzen will, muss ich Sie bitten, jenes Zeichen meiner Achtung erst in Empfang zu nehmen, nachdem Sie mir vor Zeugen und mit einiger Zeremonie, damit die Welt davon erfährt, noch einen Besuch geschenkt haben werden. Versagen Sie mir diese Bitte nicht.“
Obwohl der tiefgerührte Mr. Fairweather gern augenblicklich abgereist wäre, musste er sich doch dem Wunsche des Papstes fügen und sich demselben am folgenden Tage noch einmal vorstellen, wo er sehr ehrenvoll empfangen und darauf mit einer trefflich gearbeiteten. von Diamanten funkelnden goldenen Dose beschenkt wurde.
Eine Dose! nachdem er auf das Schnupfen entschieden verzichtet hatte!
Das Geschenk war ihm wohl wert als ein Zeichen der freundlichen Gesinnung des Pontifex, zumal da diese Würde jetzt ein ziemlich freisinniger Mann besaß; namentlich war es ihm wert als Kuriosität, wofür die Engländer eine Vorliebe haben; — nur freilich gedachte er die Dose nie mit Tabak zu füllen und dem Zwecke entsprechend zu gebrauchen.
Mochte er übrigens dies Geschenk seiner langjährigen Opposition in St. Peter oder seiner ebenso lange geübten Wohltätigkeit verdanken, jedenfalls unterschied sich, wie man sieht, diese Dose in ihrer Bedeutung ganz wesentlich von jenen zahllosen goldenen Dosen, welche hohe Häupter ihren lieben Getreuen an Trinkgelds statt für Dienste zu geben pflegen, die mit der Opposition ebenso wenig als mit der Wohltätigkeit verwandt sind.