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3.

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Bald genug erreichte Mr. Fairweather abermals Rom und widmete sich mit unverdrossenem Eifer aufs Neue der Wette, bis er sie verlor.

Mr. Pinch war tapfer bis ans Ende geblieben und für Mr. Fairweather bestand das Resultat in dem Verluste der ausgesetzten Summe, was ihn wenig kümmerte, und außerdem in der Erwerbung jener Angewohnheit, gegen die sein Freund dreißig Stunden lang so erfolgreich gekämpft hatte.

Kurz nachher war Mr. Pinch nach der Heimat abgereist; Mr. Fairweather aber empfing eines Morgens ein Schreiben aus England vom Vormunde seiner Braut. Dieses Schreiben lautete, obwohl man darin nicht geradezu mit dem jungen Manne brach, doch etwas hart, wie sich denken lässt. Man mochte in Zweifel sein, ob Mr. Fairweather seinen höchst auffälligen Schritt getan, weil er in Betreff der bevorstehenden Verbindung urplötzlich andern Sinnes geworden, oder weil er einen Anfall von Verrücktheit gehabt hätte, obwohl in Wahrheit keines von beiden der Fall war. Mr. Fairweather, der sich nicht die Mühe nahm (oder zufolge seines kuriosen Wesens nicht nehmen konnte), beide Angelegenheiten, die englische und die römische, gleichzeitig zu betrachten und zu erwägen, sah jetzt nichts weiter als den beleidigenden Brief vor sich, während er sich selber für unschuldig genug hielt. Er fühlte sich schwer gekränkt, legte den Brief bei Seite, schwieg seinerseits schmollend und blieb in Rom, welches er nicht eher verlassen wollte, als bis man ihm höflicher geschrieben haben würde.

Indes beruhigte er sich endlich doch und sein Herz taute wieder auf, obwohl er fortwährend sich selbst für den Beleidigten hielt; aber die alte Neigung trug den Sieg davon und er traf bereits Anstalten zur Abreise, als er eine Nachricht von Mr. Pinch erhielt.

Diese Nachricht machte ihn anfangs ganz desperat, soweit Mr. Fairweather dies überhaupt werden konnte. Er erfuhr, dass die Braut, welche Mr. Pinch früher verscherzt hatte, niemand anders, als seine eigene nachmalige Braut Miss Mary gewesen war. Mr. Pinch meldete, er habe sich dieser Dame jetzt wieder genähert und zwar mit den besten Hoffnungen, da er die bewusste üble Gewohnheit in Folge der Wette glücklich überwunden und bereits völlig abgelegt habe.

„Devilish follow! Er kann es sich nie abgewöhnen!“ murmelte Mr. Fairweather, als er dies las.

Mr. Pinch bemerkte ferner in seinem Briefe, er verfolge sein Glück umso unbedenklicher, da er ja doch seinem Freunde dadurch nicht mehr zu nahe trete, der offenbar freiwillig verzichtet und überdies sein Verzichten durch Angewöhnung der fraglichen Sitte ausdrücklich besiegelt habe.

„Scoundrel!“ murmelte hier Mr. Fairweather umso ingrimmiger, als er mit Hilfe einiger seiner heimatlichen „however“ und „notwithstanding“ sich selber gestand und einräumte, dass Mr. Pinch in Betreff seiner letzten Bemerkung nur allzurecht habe. Dann ergab er sich schweigend in sein Schicksal und blieb in Rom.

Das war die Jugendgeschichte Mr. Fairweather’s der seitdem seine wenigen Verbindungen vollends aufgab und namentlich von Miss Mary und Mr. Pinch nichts wieder hörte.

Er lebte seit jener Zeit in der angegebenen Weise in Rom, das er nie wieder verlassen zu wollen schien. War es bloße Sonderlingslaune, war es Eitelkeit, die Sucht, etwas ganz Besonderes zu haben und zu tun, oder was sonst? Er hat sich nie gegen irgendjemand darüber ausgesprochen. Genug, er bot tagtäglich dem päpstlichen Verbote Trotz und blieb fort und fort der Einzige, der dies wagte und den gleichwohl niemals jemand deshalb zur Verantwortung zog. Das alte Rom mit seinen zerfallenen Tempeln und zahllosen sonstigen Denkmalen des Altertums beschäftigte, wie gesagt, die Fremden damals bei weitem noch nicht so sehr, als dies später der Fall wurde; man hielt sich damals lieber an moderne Merkwürdigkeiten, unter denen Mr. Fairweather nicht für die geringste galt. Niemand besuchte Rom, ohne sich den „schnupfenden Engländer“ zeigen zu lassen, der seit undenklicher Zeit, wie man mit einiger Übertreibung sagte, ewig unverändert derselbe, gleich den Unsterblichen die einst hier gewandelt, jahrein jahraus sein zwar einfaches, aber immerhin sehr eigentümliches Wesen trieb. —

Auf Erden hat nun aber einmal durchaus nichts einen ewigen Bestand, und auch der römischen Laufbahn Mr. Fairweather’s sollte, zum großen Leidwesen aller ihm wohlgewogenen Römer und Römerinnen, endlich ein Ziel gesetzt werden.

Als er eines Tages (es war im Januar des Jahres 1724), wie gewöhnlich, mit frischgefüllter Dose in die Peterskirche trat, wunderte er sich nicht wenig, gleich beim Eintreten einem Herrn zu begegnen, der ganz ungeniert gleichfalls eine Dose aus der Tasche zog und eine Prise nahm. Noch hatte sich der Engländer von seinem Staunen nicht erholt, als er sogar ein Paar Leute beisammen stehen sah, die einander, wie es Bekannte im Gespräch zu tun pflegen, ganz gemütlich die Dose darboten und mit all der Umständlichkeit urechter Schnupfer ihre Prise nahmen. Mr. Fairweather war noch nicht weit in den geweihten Hallen St. Peters gewandelt, als er in der diesmal ziemlich stark besuchten Kirche schon wenigstens ein Dutzend Schnupfer gesehen hatte, die sich alle ebenso wenig Zwang auflegten wie er selber.

Endlich gewann er es über sich, an einen Herrn, dem er hier begegnete und den er flüchtig kannte, eine Frage nach dem Warum der neuen Erscheinung zu richten.

„Nun, Signor Fairweather, „ lautete die Antwort, „das Schnupfen ist ja nunmehr hier erlaubt!“

Wer jemals irgend eine niederschlagende Kunde vernahm, in Folge deren ihm sofort das ganze Leben, die ganze Welt völlig schal, erbärmlich und öde erschien, der kann sich vorstellen, wie es jetzt Mr. Fairweather zu Mute war.

Seine Lebensweise war freilich so einsiedlerisch, dass ihm die wichtigsten Neuigkeiten leicht entgehen konnten.

Die Sache war, dass Papst Benedikt XIII., welcher damals unlängst den Heiligen Stuhl bestiegen, den seit hundert Jahren alle Kirchenschnupfer bedrohenden Bann durch eine vom 10. Januar 1724 datierte Gegenbulle plötzlich aufgehoben hatte. Benedikt war nämlich selbst ein beispiellos starker Schnupfer; — allein dieser Umstand kann seiner bei dieser Gelegenheit bewiesenen Liberalität wenig Eintrag tun, denn es zwang ihn doch niemand zu dem Schritte und hundert andere Machthaber würden in gleichem Falle ihrer persönlichen Lieblingsneigung rücksichtslos gefrönt und für alle Andern gleichwohl den Bann in Kraft gelassen haben.

Aber was Alt und Jung in Rom als ein Zeichen der Milde pries, das bereitete dem armen Mr. Fairweather eitel Missbehagen, Kummer und bitteres Herzeleid. Sein Vorzug, seine Auszeichnung vor ganz Rom war mit einem Schlage vernichtet.

Aller Appetit war ihm plötzlich vergangen und seine Hand verschmähte es, nach der Dose zu greifen, die ihm jetzt wie eine unnütze Zentnerlast in der Tasche lag.

Den teilnehmenden Römern selbst schien etwas zu fehlen und sie waren geneigt, an ein keineswegs heilverkündendes Mirakel zu glauben, als sie jetzt Mr. Fairweather zum ersten Male in St. Peter nicht schnupfen sahen.

Das Antlitz des Armen hatte all seine schöne gelassene Ruhe verloren, als er nun, wie von Dämonen gejagt, hastig den Tempel verließ. Kopfschüttelnd betrachteten ihn die Leute, wie er so verstört durch die Straßen eilte, um sich alsbald in seiner Wohnung zu bergen, wo er sich einschloss.

Humoristische Geschichten - Vierter Band

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