Читать книгу Falsch verbunden, ich bin dein Mörder! 3 Top Krimis - Theodor Horschelt - Страница 14
III
ОглавлениеSan Diego ist ein feines Städtchen, wenn man eine Menge Moos am Bankkonto, ein paar Hunderter in der Brieftasche und eine reputierliche Stellung in der Welt hat. Sitzt man aber ohne einen Cent in der Tasche in diesem Lustort für Millionäre, dann kommt man sich vor wie der Schwanz vom Pferd, und man kann stehenden Fußes verhungern, ohne dass es einem der begüterten Leute überhaupt auffällt.
Kurz und gut, ich saß also an einem zum Krachen heißen Tag in San Diego und war wieder einmal vollkommen abgebrannt.
Wenn mich jemand auf den Kopf gestellt hätte, wäre bestenfalls ein abgebranntes Streichholz aus meiner schadhaften Hosentasche herausgefallen. Aber sonst nichts.
Wie ich in diese scheußliche Lage gekommen war, ist eine scheußliche Geschichte und gehört nicht hierher. Sie aber, der Sie mich kennen, werden mir ohne Weiteres glauben, dass ich restlos am Ende war.
Ich bin nun einmal nicht der Mensch, der an der Sonnenseite des Lebens schwimmt, und was ich so verdiene, zerrinnt mir meist unter den Händen. Sie wissen ja: Karten, Weibchen und ähnliche Laster. Reden wir nicht mehr darüber!
Ich lungerte also an diesem fürchterlich heißen Tag in der Ocean Avenue in San Diego herum, und der Magen knurrte mir in zweierlei Hinsicht. Ich hatte einen Durst, der war schon nicht mehr menschlich, und ich hatte recht wenig Lust, diesen an einem der vielen öffentlichen Wasserbrunnen zu stillen. Schließlich weiß ich, was ich mir selbst schuldig bin!
Ich schlenderte mit geschwollenen Füßen und geschwollener Zunge eben an einem großartigen Etablissement vorbei. Es hieß Red Bongo Bar und war um diese Tageszeit selbstverständlich geschlossen. Weil ich so hundemüde war, stoppte ich meine torkelnden Schritte und setzte mich auf ein paar Steinstufen, um auszuruhen. Aber ruhen Sie mal in der glühenden Sonne Kaliforniens aus!
Ich stierte ziemlich lustlos und verzweifelt vor mich hin, plötzlich hörte ich das helle Singen von Autoreifen, und mit einem kurzen Ruck hielt eine Packard-Limousine am Bordstein.
Gleich darauf öffnete sich die hintere Türe und der süßeste Käfer beider Hemisphären stieg aus.
Trotz meines seelischen Tiefstandes konnte ich mich der belebenden Wirkung, die die junge Dame auf mich hatte, nicht entziehen. Sie war keineswegs eine Sexbombe. Sie war mittelgroß, außerordentlich schlank und dort, wo man als Mann gern Fülle sieht, keineswegs füllig, aber auch nicht gerade hager. Kurzum, sie war eine Frau fürs Leben für einen reichen Mann!
So schönes goldblondes Haar hatte ich übrigens in den letzten sieben Monaten bestimmt nicht mehr gesehen. Darunter lag ein gut geschnittenes, kühnes Gesicht von eigenartig pikantem Reiz. Die Frau war nicht gerade schön, aber sie wirkte unter den vielen Flittchen und Schnepfen, die in San Diego frei und ohne Beißkorb umherlaufen, wie eine Offenbarung aus einer anderen Welt.
Die junge Dame wollte offenbar durch einen Seiteneingang die Red Bongo Bar betreten. Für ein verkommenes Individuum meines Schlages hatte sie selbstverständlich keinen Blick.
Ich seufzte abgrundtief, als sie an mir vorbeitrippelte.
Als sie eben den Eingang erreicht hatte, schlängelte sich plötzlich ein großer Mann mit einer vom Zahn der Zeit zernagten Visage an sie heran.
„Hallo, Miss Keegan!“, sagte der Bursche. „Auf ein Wort!“
Die Goldblonde wandte sich unwillig um und erwiderte: „Ich kenne Sie nicht. Ich möchte mit Ihnen nichts zu tun haben. Ist das vielleicht eine Art, eine Dame am hellen Tag anzusprechen? Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe!“
„Hast du dir gedacht, Zuckerschätzchen!“, erwiderte der andere mit breitem Munde. „Du wirst mich schon anhören müssen, sonst zieh ich dir die Hosen stramm!“
Die mit Miss Keegan angeredete junge Dame wurde vor Zorn rot und blass. „Sehen Sie zu, dass Sie sich verziehen, aber schleunigst!“, zischte sie eisig. „Oder ich hole die Polizei! Mit Gelichter Ihres Schlages macht man in San Diego kurzen Prozess!“
„Ach, die Polizei wollen Sie holen? Das ist ja ausgezeichnet. Ich warte hier. Gehen Sie und holen Sie einen Beamten!“
Die junge Frau wusste im Augenblick offenbar nicht recht, was sie tun sollte, und war ratlos. Das grobschlächtige Individuum trat vertraulich näher und zwickte sie blitzschnell in ihre Kehrseite.
Das war um zehn Prozent mehr, als ein Gentleman meiner Figur auszuhalten bereit war.
Ich erhob mich von meinen Steinstufen und schlenderte zu den beiden hin.
„Hallo, junge Miss“, sagte ich. „Ich habe den typischen Eindruck, dass Sie Hilfe und Unterstützung brauchen. Belästigt Sie dieser Herr vielleicht?“
Der Bursche ließ die junge Dame überhaupt nicht zu Wort kommen. Er schnellte sich wie eine Raubkatze zu mir herum, und ich erkannte sofort, dass er trotz seines etwas gedrungenen Körperbaues ein geschmeidiger und durchaus ernstzunehmender Gegner war.
Er packte mich ungeniert am Hemdkragen und sagte gemütlich: „Halt du dich da mal raus, du saudummer Hosenscheißer! Wenn du’s nicht machst wie Gummi und dich ziehst, dann bring ich dir kostenlos das Fliegen bei. Für eine gute Landung kann ich allerdings nicht garantieren.“
*
Ich blieb so höflich und wohlerzogen, wie es mir meine Mutter beigebracht hat.
„Würden Sie die große Güte besitzen, Sir, und Ihre Hand von meinem Jackett nehmen, Sir?“
„Ah, wohl kalte Füße gekriegt, junger Freund? So was hör’ ich gern!“
Die Augen Miss Keegans, die bei meiner Intervention etwas hoffnungsvoller dreingeblickt hatten, zogen sich verächtlich zusammen. Sie glaubte tatsächlich, ich hätte mich von dem Schlagetot einschüchtern lassen.
„Ich stelle fest, dass Sie ihre fein manikürte Hand immer noch auf meinem Rockaufschlag haben!“, sagte ich so sanft wie möglich. „Vielleicht sollten Sie sich doch entschließen, diese Hand wegzunehmen!“
Er ließ los und knallte mir blitzschnell eine, dass mir die rechte Backe wie ein gut gefüllter Luftballon anschwoll. Das Ganze war derart blitzschnell gegangen, dass ich mich nicht mehr dagegen hatte wehren können.
Ich sprang einen halben Meter zurück, hob die Linke und wollte mit der Rechten einen gemeinen K.o.-Schlag anbringen.
In dem Augenblick hatte er mich aber bereits unterlaufen, mir seinen massigen Schädel in den Leib gerannt, und da lag ich nun auf dem Hintern.
Er hob den Fuß, um mich mit der Stiefelspitze aufs Kinn zu schlagen, und wenn ihm das gelungen wäre, dann wäre ich für längere Zeit in das Land des Lächelns eingegangen und hätte für etliche Wochen einen Zahnarzt gebraucht.
Ich wälzte mich im Straßenstaub zur Seite, packte ihn blitzschnell am Fuß und riss ihn zu Boden. Bis ich auf war, war er aber auch auf, raste auf mich zu und wollte einen Schlag auf meiner Nase landen.
Ich war noch nicht ganz fest auf meinen Beinchen, und ich hatte außerdem einen ganzen Tag nichts gegessen. Kurzum, ich konnte dem Schlag nur unvollkommen ausweichen und bekam ihn statt auf die Nase auf die Schulter.
Peng, da lag ich schon wieder.
Der zu allem entschlossene Bursche sprang mit beiden Beinen ab und wollte auf meinem Brustkorb landen. Ich wälzte mich wieder zur Seite, schaffte es aber nicht, ihn an den Beinen niederzureißen, sondern musste einen fürchterlichen Schlag in die Rippen einstecken.
Für den Augenblick blieben mir die Luft und der Herzschlag weg, und ich stieß einen brüllenden Schrei aus. Da hatte ich aber bereits die nächste gefangen, und ich wusste genau, wenn ich jetzt nicht etwas Verzweifeltes tat, dann wurde ich am helllichten Tag in San Diego so fertig gemacht, dass ich mich für die nächsten zwanzig Jahre in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht mehr sehen zu lassen brauchte.
Ich nahm meine ganze Energie und meine ganze Kraft zusammen, wälzte mich wie eine Mülltonne zur Seite, federte auf und rannte gegen den Burschen los, der mich in blendender Deckung erwartete.
Im letzten Augenblick stoppte ich, fintierte, wich zur Seite und schlug ihm eine Gewaltige unters Kinn, ehe er meinen Schlag mit einem Aufwärtshaken hatte auffangen können.
Aber der Bursche hatte die Standfestigkeit eines Reiterstandbildes aus Erz. Der Schlag schien ihm gar nichts zu machen, und den Bruchteil einer Sekunde später hatte ich selbst einen am Hals, dass mir erneut der Atem weg blieb.
Ich blieb aber trotzdem fair, hielt den Burschen kurz hin und konnte dann eine Fürchterliche auf seiner Nase landen. Das Nasenbein barst krachend und ein Blutstrom ergoss sich über den schönen weißen Anzug meines Gegners.
Für einen Augenblick war er vollkommen von den Socken. Ich benützte die Verwirrung des Mannes dazu, ihm einen heftigen Schlag gegen das Kinn zu landen. Ich tänzelte nämlich eine Sekunde zurück, verlegte meine ganze Kraft in Arm und Standbein und schlug ihm dann von unten her eine Gedrehte gegen den Punkt, dass er tatsächlich wankte. Er dachte gar nicht mehr daran, sich zu decken, und so hatte ich Gelegenheit, ihm die Linke derart gekonnt in den Solarplexus zu setzen, dass er wie ein vom Schnellzug gestreiftes Kleinauto zusammenfiel.
Seine Benommenheit dauerte indessen nur einige Sekunden, dann wälzte er sich stöhnend zur Seite, spuckte Blut und drei Zähne sorgfältig aus und erhob sich langsam.
Ich hob die Fäuste, um ihn endgültig fertig zu machen, da sagte eine stahlharte Stimme neben mir: „Stopp, Mann, lassen Sie den elenden Menschen laufen! Ich will es so!“
Ich federte herum und sah in die ernsten Blauaugen von Miss Keegan.
„Ich hatte Sie im ersten Augenblick für einen Prahlhans und Trau-mich-nicht gehalten“, sagte die junge Dame. „Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Unterstützung. Ich weiß nicht, wie ich mich dafür revanchieren kann.“
„Es ist nicht meine Art, mich in Dinge zu mischen, denen ich nicht gewachsen bin, Mylady“, erwiderte ich. „Ich darf mich Ihnen vorstellen, ich bin Rex Thyle. Meine Freunde nennen mich Tabs. Ich bin Privatdetektiv. Und wenn ich den rüden Burschen nicht gleich beim ersten Schlag aufs Parkett streckte, dann liegt das daran, dass ich vierundzwanzig Stunden nichts gegessen habe. Es freut mich, Ihnen dienlich gewesen zu sein; so long!“
Und dann drehte ich mich auf dem Absatz um und ging davon. Ich bin nämlich kein Trinkgeldempfänger und habe auch meinen Stolz. Und wenn ich einer Dame, die in Bedrängnis ist, meine Hilfe anbiete, geschieht das grundsätzlich umsonst.
Da wurde ich aber durch eine feste Hand zurückgerissen.
„Laufen Sie doch nicht gleich weg, lieber Mann! Seien Sie nicht so lachhaft stolz. Kommen Sie, ich lade Sie zum Essen ein. Etwas zu trinken werden wir hier auch bekommen.“
„Heißen Dank, ich nehme keine Almosen. Ich bin bisher immer noch selbst durchgekommen und hoffe, dass das auch weiter so bleibt.“
„Reden Sie keinen Stuss, Mann, ich möchte Ihnen ja einen geschäftlichen Vorschlag unterbreiten. Sie sind Privatdetektiv, wie Sie eben erklärten? Sie sind kein schlechter, sonst hätten Sie diesen Bullen nicht so schön zusammengeschlagen, und Sie haben seit vierundzwanzig Stunden nichts gegessen. Hieraus folgere ich, dass Sie frei sind. Wohlan, ich bin bereit, Sie zu engagieren. Kommen Sie mit!“
Wenig später saßen wir im Wohnzimmer des Barbesitzers und wurden von einem Filipino mit einem eingefrorenen Lächeln auf den entgleisten Gesichtszügen mit außerordentlich guten Sachen zum Essen und Trinken bedient.
Ich nahm den Rest meiner guten Erziehung zusammen, wusste es zu verhindern, dass ich wie ein Schwein fraß, und kam auf diese Weise ganz gut auch über diese Runden.
Miss Keegan saß mir gegenüber, trank Coca Cola mit Cognac und sah mir mit viel Interesse bei meiner Schwerarbeit zu.
*
„Well“, sagte sie, als ich endlich fertig war. „Damit wir uns recht verstehen, ich heiße Gloria Keegan und bin unabhängig. Ich beabsichtige einen Trip nach Mexiko und brauche dazu einen männlichen Begleiter. Ich habe mir sagen lassen, dass eine Frau allein dort unten sehr leicht unter die Räder kommt.“
„Ausgezeichnet“, war meine Antwort. „Ich akzeptiere. Im Übrigen würde es mich natürlich interessieren, welcher Art Kriminalfall Sie da unten nachjagen?“
Gloria Keegan lachte. Sie lachte bezaubernd. Es ging mir bis an die Magennerven, kann ich Ihnen sagen. Aber im positiven Sinne.
„Machen Sie sich keine falschen Vorstellungen über mich. Ich bin eine absolut uninteressante Frauensperson und weder in geheimnisvolle Mordfälle noch in Rauschgiftschmuggel verwickelt. Ich bin ganz einfach Wissenschaftlerin und möchte in Mexiko einige sehr seltene Schmetterlinge fangen. Ich habe durch einen Kollegen gehört, dass diese Arten dort unten noch zu haben sind, aber ich habe, mich bisher vergebens bemüht, ihrer habhaft zu werden. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als persönlich hinzureisen und diese Tiere zu fangen.“
Sie setzte noch etliche Erklärungen hinzu und warf großspurig mit lateinischen Namen herum, die ich noch nie gehört hatte, kurzum, ich war nach wenigen Minuten Feuer und Flamme.
Wenn ich schon an sich lieber ein kriminalistisches Problem löste, und mich gleichermaßen mit Verbrechern und meinen Freunden von der Polizei herumschlage, so war ich im Augenblick doch abgebrannt und am Ende genug, um diese einmalige Chance, die nächsten Wochen gut zu überstehen, nicht auszuschlagen.
„Darf ich erfahren, wo unser Jagdgebiet sein wird?“, fragte ich.
„Furchtbar einfach“, erwiderte Gloria Keegan. „Wir fliegen morgen früh von San Diego nach Mexiko City, dort werden wir von einem Privatflugzeug erwartet, das uns nach Guadalajara bringt. Von dort müssen wir mit dem Wagen in ein kleines Bergstädtchen namens San Luis Cavanilles und zu einem kleinen See weiterfahren, den Sie also noch kennenlernen werden, ich will mich im Augenblick nicht weiter darüber verbreiten. Haben wir uns verstanden, Mr. Thyle?“
„Wir haben uns durchaus verstanden. Auf gute Zusammenarbeit. Aber einen Punkt müssen wir nun doch noch kurz durchsprechen. Was hätten Sie denn gern für ihren smarten Begleiter angelegt? Sie wissen ja, auch das Geld spielt bei einem Mann eine Rolle, der ständig bemüht sein muss, die Linsen für die Plinsen zu verdienen.“
Gloria Keegan lachte und nannte mir eine durchaus akzeptable Summe. Sie gab mir einen kleinen Vorschuss, ich konnte endlich meinen Koffer in meiner drittrangigen Pension einlösen, mir frische Wäsche beschaffen und alle Vorbereitungen für die Reise in ein noch heißeres Land treffen.
*
Am nächsten Morgen flogen wir tatsächlich von San Diego nach Mexiko City ab. Gloria Keegan machte ganz den Eindruck, als sei eine Luftreise für sie nichts Ungewöhnliches. Sie trug einen praktischen hellen Rock und eine dünne Nylonbluse.
Wenn man ein anständiges Frühstück im Magen und einen passablen Job in der Tasche hat, sieht man das Leben gleich anders an. Miss Keegan begann mich rein menschlich zu interessieren, auch wenn Sie darüber lachen sollten!
Ich machte mich ihr so nützlich und angenehm wie möglich und rückte millimeterweise näher. Es gibt nun eben einmal Angriffsziele, die man nicht im Sturm nimmt.
Der Saum ihres Rockes war ein klein wenig übers Knie zurückgeglitten, und ich ließ meine Pupillen freigiebig spazieren gehen. Was ich so zu sehen bekam, war ganz bestimmt nicht von schlechten Eltern.
Miss Keegan bemerkte meinen hungrigen Blick und streifte ohne jede Verlegenheit den Rock wieder zurecht.
Nun wurde ich doch ein klein wenig kühner und versuchte mit ihr zu turteln. Mit Händchenhalten und so. Aber da erlitt ich eine klare Abfuhr. Sie sagte nämlich:
„Mr. Thyle, ich bin Ihnen für Ihre Intervention gestern außerordentlich dankbar, und ich werde nicht kleinlich sein. Aber ich habe Sie tatsächlich nur als Reisebegleiter engagiert und nicht als Betthasen, um das gleich klarzustellen. Ich halte Sie für einen halbwegs anständigen Menschen und möchte Ihnen sagen, dass ich vor nicht allzu langer Zeit auf tragische Weise meinen Bräutigam verloren habe. Seien Sie deshalb so freundlich und benehmen Sie sich korrekt.“
Ich murmelte eine Entschuldigung und fühlte mich maßlos unters Netzhemd geschlagen. So etwas lasse ich mir nämlich nicht gern sagen. Dann versuchte ich, einer reinblütigen Spanierin zur Linken, die schon etwas aus den Fugen gegangen war, schöne Kulleraugen hinzudrehen, aber das war Miss Keegan auch wieder nicht recht. Sie ergriff mich nämlich ziemlich schmerzhaft am Oberarmmuskel, riss mich zurück und flüsterte: „Vergessen Sie nicht, dass Sie bei mir engagiert sind, Mr. Tabs!“
Ich grinste sie unschuldig an, hielt meine Pupillen fortan im Zaum und dachte amüsiert: Pass nur auf, mein Schätzchen, wenn wir erst allein in Mexiko sind, dann wirst du noch andere Töne singen!
Ich hatte durchaus nicht die Absicht, meine kochende Volksseele ausgerechnet von Gloria Keegan unterdrücken zu lassen.
*
Die Reise dauerte einen ganzen Tag. In Mexiko City wollte ich mir ein klein wenig die Beine vertreten, hatte aber keine Gelegenheit dazu. Wir waren nämlich kaum als letzte aus dem Clipper ausgestiegen, als sich ein großer, braungebrannter Germane an Gloria heranschlängelte und sich als Benson vorstellte.
Benson führte uns zu einem kleinen, dreisitzigen Sportflugzeug deutscher Herkunft. Der Motor lief bereits, wir brauchten nur einzusteigen, dann setzte sich Benson auf den Pilotensitz, befahl uns freundlich, uns anzuschnallen und gab Gas. Wenige Minuten später waren wir in der Luft.
Der Flug über die etwa vierhundert Kilometer lange Strecke ging ohne weitere Zwischenfälle vonstatten. Endlich kam die Stadt Guadalajara und ihr mikroskopisch kleines Flugfeld in Sicht. Benson zog an einem Hebel und grinste uns freundlich an.
Plötzlich erstarb ihm das Grinsen im Gesicht, und er bemühte sich wenigstens fünf Minuten, irgend etwas in Ordnung zu bringen, während er den Platz überflog.
Dann gab er es verzweifelt auf, zuckte mit den Schultern und wandte sich zu uns um.
„Wer von Ihnen ist schon mal mit einem Fallschirm abgesprungen?“, fragte er freundlich.
Gloria Keegan wechselte die Farbe, und ich verdachte ihr das ganz und gar nicht.
„Ich bin schon etliche Male mit dem Fallschirm abgesprungen“, sagte ich, „und habe mich außerordentlich wohl dabei befunden. Es fragt sich nur, wie viele Fallschirme Sie bei sich haben?“
Benson zog eine wütende Grimasse. „Die Sache ist die“, sagte er, „dass sich das einziehbare Fahrgestell verklemmt hat. Ich bin völlig außerstande, es auszufahren. Ich muss eine Bauchlandung wagen. Dabei kann es natürlich Kleinholz geben. Es wäre mir eine Beruhigung, wenn meinen Gästen nichts passieren würde. Allerdings habe ich leider nur einen einzigen Fallschirm bei mir. Ich selbst scheide als Pilot selbstverständlich aus, Sie beide müssen sich schon darüber einigen, wer springt.“
„Dann ist die Sache schon entschieden“, antwortete ich. „Dann springt Miss Keegan. Hallo, Gloria, sind Sie schon einmal mit einem Fallschirm abgesprungen?“
Gloria schüttelte verbissen den Kopf. „Um Himmelswillen nein, das bringe ich nie im Leben fertig.“
„Die Sache ist maßlos einfach“, sagte ich. „Wir ziehen Ihnen den Fallschirm an, befestigen die Reißleine am Flugzeug, und Sie brauchen dann nur zu springen. Alles andere geht von alleine. Wenn Sie die Erde näherkommen fühlen, dann ziehen Sie die Beine an den Leib und fangen den Sprung federnd ab. Anschließend machen Sie eine Rolle und laufen sofort in den Fallschirm hinein, damit diesem gewissermaßen der Wind aus den Segeln genommen wird. Sonst kann es nämlich passieren, dass die Brise Sie über den ganzen Flugplatz und noch ein wenig weiter treibt, und das soll kein angenehmes Gefühl sein.“
„Aber ich wage es nicht abzuspringen“, hauchte das Mädchen verlegen.
Ich lachte. „Sie brauchen überhaupt nicht zu springen. Sie kriegen von mir einen Tritt in Ihre charmante Kehrseite, dann fliegen Sie von allein aus dem Flugzeug raus.“
Benson schnallte sich verbissen ab und hob sich etwas im Sitz. Ich riss ihm den Fallschirm unter dem Hintern weg und schnallte Gloria Keegan los. Dann befestigte ich den Fallschirm unter ihren entzückenden vier Buchstaben und überzeugte mich davon, dass nichts verkehrt gemacht wurde. Benson kontrollierte mich dabei mit besorgten Blicken.
Inzwischen war man am Flugplatz auf unser sonderbares Gebaren aufmerksam geworden. Mit heulender Sirene lösten sich ein Feuerlöschfahrzeug und ein Krankenwagen von den Hangars, und diese Vorsichtsmaßnahme trug nicht gerade sehr zur Beruhigung der Dame bei.
„Sind wir so weit?“, fragte Benson. „Ich kann bestenfalls noch fünf Minuten über dem Platz kreisen, dann ist das Benzin alle – alle.“
„O.k.“, sagte ich, „gehen Sie auf fünfhundert Meter Höhe, und dann werden wir unsere kostbare Luftfracht in den Abgrund werfen.“
Die Keegan hätte mir über diese frivole Rede am liebsten eine gestrampelt, aber sie war im Augenblick doch zu sehr vor den Rollen, als dass sie aufmüpfig hätte werden wollen.
Benson gab Vollgas, zog am Knüppel, und die Maschine bohrte sich in die glasklare Tropenluft.
Als wir fünfhundert Meter Höhe hatten, nickte mir Benson zu.
Ich öffnete mit vieler Mühe die Kabinentüre.
Gloria Keegan hatte inzwischen den letzten Rest an Farbe verloren. Ich packte sie fest um die Taille, sie stemmte sich mit den Fäusten gegen den Türrahmen, und ich schlug ihr mit der flachen Hand darauf. Sie schrie erschrocken auf, und in dem Augenblick gab ich ihr einen gewaltigen Stoß in den Rücken. Zack, da fiel sie bereits wie ein Stein in die Tiefe.
Die Reißleine, die ich vorsichtshalber am Rohr des Passagiersitzes befestigt hatte, zog den Fallschirm auf und im Bruchteil einer Sekunde später schwebte die hell gekleidete Gestalt zur Erde.
Wir zogen einige kühne Schleifen und sahen, dass Gloria tatsächlich die Beine anzog, auf der Erde ankam und umfiel. Aber sie rappelte sich tapfer wieder auf und sprang in den Fallschirm hinein. Da waren aber auch schon die Sanitäter und Feuerwehrleute bei ihr und befreiten sie aus dem Netzwerk.
„Ich lande jetzt!“, sagte Benson. „Schnallen Sie sich wieder fest, Mr. Thyle, und sehen Sie zu, dass Sie Ihr Hemd anbehalten. Falls die Maschine brennt, müssen Sie sich blitzschnell losschnallen und in volle Deckung gehen.“
Ich nickte verbissen. Mir war selbst ein klein wenig flau im Magen, denn niemand befindet sich gern in einer derart vertrackten Situation.
Benson ging nun langsam tiefer, flog über das Quadrat des Flugplatzes hinaus, legte die Maschine in eine enge Kurve und fuhr die Landeklappen aus.
„Die Sache ist gar nicht so schlimm“, sagte er. „Wir können mit einer Mindestgeschwindigkeit von achtzig Kilometern landen. Nach menschlichem Ermessen wird nichts passieren.“
Unendlich vorsichtig legte er die Maschine tiefer und tiefer, bis wir zum Schluss nur noch einen halben Meter über der Grasnarbe schwebten. Dann richtete er sie ein klein wenig auf und ließ sie durchsacken.
Im gleichen Moment barst der Propeller splitternd, die Maschine setzte mit ihrer relativ glatten Unterseite auf die Grasnarbe auf, machte noch ein paar Sprünge und kam mit dem Schwanz hinten hoch. Ich wartete schon auf einen Überschlag, aber die Maschine fing sich wieder und krachte ziemlich schwer auf den Boden zurück. Gleich darauf stand sie.
Es hatte mich nun doch nach vorn gerissen, und meine Birne war mit der Frontseite in unangenehme Berührung gekommen. Ich fühlte jedenfalls an meiner Stirn eine ganz schöne Beule wachsen, und meine Gedanken wirbelten durcheinander wie die Buchstaben eines umgestürzten Setzkastens.
Aber wir standen und waren gut auf die Erde gekommen.