Читать книгу Falsch verbunden, ich bin dein Mörder! 3 Top Krimis - Theodor Horschelt - Страница 16
IV
Оглавление„Mein lieber Benson, Ihr Vogel sieht aber nicht mehr ganz neu aus“, waren meine ersten Worte.
Der Schwede nickte etwas bleich. „Halb so schlimm. Ich bin ausreichend versichert und weiß schon, wo ich ein neues Flugzeug herbekomme. Machen Sie sich nur um mich keine Sorgen.“
Etwas benommen kletterten wir aus der Maschine und wurden vom Flughafenpersonal von Guadalajara in Empfang genommen. Gloria Keegan war auch schon wieder auf den Beinen, aber sie hinkte etwas. Offenbar hatte sie sich beim Aufkommen den Knöchel verstaucht.
Während sich einige Mexikaner um unser spärliches Gepäck kümmerten, gingen wir drei wie auf Verabredung in die Flughafenbar, um unsere wunderbare Rettung zu feiern.
Miss Keegan wurde angesichts der eben überstandenen Gefahr nahezu menschlich. Sie hakte sich bei uns beiden unter und ließ sich in das Gebäude hineinführen, dabei presste sie meinen Arm fest an sich.
So was freut einen denn auch.
Wir gingen also in die Flughafenbar, und dann ließen wir es auf der Theke donnern. Geburtstag feiert man schließlich nicht jeden Tag.
Eine Viertelstunde später wurde indessen Benson abberufen; er musste sich mit der Flughafenpolizei in Verbindung setzen, um Unfallursache und so weiter und so fort aufnehmen zu lassen.
*
„Nun, Miss Gloria“, sagte ich, „Sie sehen, es ist noch niemand am Himmel geblieben. Runtergekommen sind sie alle, fragt sich nur, wie. Sie sind immer noch verhältnismäßig ordentlich heruntergekommen. Was fangen wir zwei Hübschen jetzt an?“
In diesem Augenblick öffnete sich die Türe, und ein Mann trat ein. Er blickte sich suchend um.
Ich muss Ihnen sagen, ich bin im Allgemeinen kein Mensch von Vorurteilen, aber der Ankömmling war mir vom ersten Moment an unsympathisch. Er war nur mittelgroß, eher dick als schlank, sah aber muskulös und trainiert aus und war auf widerliche Weise ein schöner Mann. Er hatte ein breitflächiges aber trotzdem gut gegliedertes Gesicht, trug das Haar nach amerikanischer Sitte zu einem borstigen Rasierpinsel verschnitten und hatte außerdem einen pechschwarzen Schnurrbart auf der Oberlippe.
Er mochte vielleicht fünf Jahre älter sein, als ich und machte einen ungeheuer selbstsicheren Eindruck.
Er trat auf uns zu, beachtete mich überhaupt nicht und verbeugte sich vor Gloria Keegan tief.
„Miss Keegan, wie ich vermute?“, sagte er in fehlerhaftem Amerikanisch. „Ich bin untröstlich. Ich habe, eben gehört, dass eine Dame vom Himmel gefallen sei und war der Überzeugung, dass es sich um Sie handeln müsse.“
Gloria Keegan gab ihm die Hand und antwortete: „Guten Tag, Mr. Pizarro. Mr. Pizarro, ich darf Ihnen meinen Reisebegleiter vorstellen. Mr. Thyle, das hier ist Felipe Pizarro, ein genauer Kenner des Landes, der uns begleiten wird.“
*
Pizarro sah ganz wie ein Mensch aus, der allein in der Lage ist, seine Interessen und die seiner Freunde zu vertreten, und ich fragte mich insgeheim, was wohl Gloria Keegan bewogen haben könne, auch noch mich zu engagieren. Aber in der mexikanischen Wildnis mochten drei Leute besser die Chance des Durchkommens haben als zwei, und mit diesem Gedanken gab ich mich wieder zufrieden.
Felipe Pizarro setzte sich auf den Barhocker neben Gloria Keegan und begann mit der schönen Frau sofort auf unverschämte Weise zu flirten. Aber nicht etwa so, dass er ihr auf den Leib gerückt wäre und sie bedrängt hätte, nein, er hatte eine wunderbar altspanisch-höfliche Art an sich. Was er sagte, und wie er handelte, war eine unverschämte Dreistigkeit; ich hätte ihm am liebsten in die Schnauze geschlagen, aber er überschritt nie die Grenzen von Konvention und gutem Ton, und ich hatte effektiv keine Möglichkeit einzugreifen.
Gloria ließ sich die Art des Mannes übrigens sehr gerne gefallen, und ich sah mit einer jäh aufkeimenden Eifersucht im Herzen, dass sich meine Chancen zugunsten des attraktiven Mexikaners von Minute zu Minute verkleinerten. Und so was verträgt ein Mann auf nüchternen Magen nicht gerne.
Wir blieben noch etwa eine halbe Stunde, verabschiedeten uns dann von dem armen Benson, der seinen müden Vogel auf so tragische Weise losgeworden war, und traten dann auf den kleinen Parkplatz des Flugplatzes hinaus.
Eine ganze Menge Wagen stand dort. Vom amerikanischen Straßenkreuzer bis zum uralten Ford BB-Modell.
Pizarro schritt auf einen alten Ford BB-Lkw zu, dem kundige Hände eine verdeckte Pritsche mit Fensterchen aufgesetzt hatten. Auf diese Weise war der ganze Wagen geschlossen und ähnelte einem Omnibus.
Gloria Keegan setzte sich neben Pizarro auf den Führersitz, und ich durfte hinten einsteigen. Auf der Pritsche befand sich eine einzige ledergepolsterte Bank, der übrige Platz wurde durch allerlei Ausrüstungsgegenstände, Luftmatratzen, Zelte und etliche große Kisten eingenommen, die sehr sorgfältig durch Schlösser verschlossen waren.
Ich fragte Pizarro sofort, was sich denn in den Kisten befinde, und er gab mir zur Antwort: „Das werden Sie noch bald genug erfahren, Mr. Thyle, seien Sie doch nicht so verdammt neugierig! Sind Sie ein Weib oder ein Mann?“
Durch diese rücksichtsvolle Rede trug Pizarro sehr zu seiner Popularität bei mir bei. Das können Sie sich denken!
Der Weg senkte sich nach etwa dreißig Kilometern auf das Tal des Rio Grande de Santiago in geradezu lebensgefährlicher Weise zu. Links und rechts sah ich eine starre Felsenlandschaft, wie ich sie selbst im Grand Canyon in Arizona noch nicht gesehen hatte, und die wenigen sandigen Strecken waren mit mannshohen Kakteen und seltsamen Bäumen bestand den.
Felipe Pizarro hatte wie die meisten Mexikaner eine unerhört charmante Fahrweise am Leibe. Als er endlich ratternd den vierten Gang geschaltet hatte, blieb er mit der Bleisohle auf dem Gashebel stehen und raste rücksichtslos durch die Gegend. Sie wissen, dass ich im Autofahren selbst einiges leiste und alles andere als ein Girl bin, aber mir drohten einige Male fast die Sinne zu schwinden, wenn Pizarro wie ein frisch geölter Blitz um die Haarnadelkurven des Gebirgsweges schlitterte, dabei links die schroffe Felswand fast berührend und mit den Hinterrädern sich schon fast beinahe am Rande des Hunderte von Metern tiefen Abgrundes bewegend. So etwas mag ich gern! Besonders, wenn ich nicht selbst am Steuer sitze!
Gloria Keegan schien den Fahrstil ihres Angestellten auch nicht gerade sehr beruhigend zu finden, und sie bat Pizarro des öfteren, sich doch ein klein wenig zurückzuhalten. Aber der Mexikaner konnte oder wollte auf diesen Wunsch nicht eingehen; im Gegenteil, er gab noch mehr Gas, und ich war der festen Überzeugung, dass noch vor Einbruch der Dunkelheit eine Tripelbeerdigung fällig werden würde.
Endlich senkte sich der Weg so tief, dass sich selbst Pizarro bewogen fühlte zu bremsen. Wir erreichten das Ufer des Rio Grande de Santiago, und ich muss Ihnen sagen, der Name war das einzig Großartige an diesem Fluss.
Über ihn führte eine Holzbrücke, die vermutlich bereits Adam und Eva zu Verdauungsspaziergängen gedient hatte.
Mit wenig geminderter Geschwindigkeit raste der Mexikaner auf die Brücke hinauf und schien sich gar nicht daran zu stören, dass auf ihr oft meterlange Bohlen fehlten und man mit bloßem Auge durch die Lücken hindurch das Wasser erkennen konnte.
Er kurvte so über die knatternden und knarrenden Holzbohlen, dass er nach Möglichkeit immer mit allen vier Rädern auf dem Festen blieb, krachte aber zum Schluss mit dem hinteren linken Zwillingsrad doch noch in eine Lücke. Ein Krach, Gloria fiel mit dem Kopf gegen die Scheibe – warum sollte es ihr auch besser gehen als mir vorher – und der Wagen stand.
„Das haben Sie nun davon, Sie Zuchthauskomiker!“, fuhr ich den Mexikaner an. „Sind Sie eigentlich als Mörder engagiert oder wozu sonst?“
„Wozu ich engagiert bin, werden Sie bald genug merken, junger Freund“, war die hochnäsige Antwort. „Labern Sie keinen Unsinn, kommen Sie wieder heraus und helfen Sie mir, den Wagen flott zu machen.“
„Mr. Pizarro“, sagte Gloria Keegan eisig. „Wem gehört der Wagen eigentlich?“
Pizarro wieherte fröhlich. „Selbstverständlich Ihnen, schönste aller Frauen.“
„O.k.“, erwiderte Miss Keegan kalt. „Dann wird ab sofort Mr. Thyle das Steuer übernehmen. Sie setzen sich hinten hin. Wenn ich nämlich Selbstmord hätte verüben wollen, dann hätte ich mich in Los Angeles erschossen oder in New York von einem Wolkenkratzer gestürzt. Die Art und Weise jedenfalls, mit der Sie versuchen, uns alle ins Unglück zu stürzen, findet meine Billigung ganz und gar nicht.“
Jetzt kochte Pizarro, und ich freute mich. Trotzdem sprang ich eilfertig aus dem Wagen. Dann holten wir eine alte Winde aus dem Werkzeugkasten, und ich versuchte, den Wagen hochzuwinden. Pizarro ging über die Brücke auf das Nordufer des Flusses und kehrte nach einer Viertelstunde mit einer sehr langen Holzbohle zurück. Ich hatte ihn im dringenden Verdacht, dass er sie auf der anderen Fahrbahn einfach losgerissen hatte, aber ich wollte nichts sagen, die Hauptsache war, wir kamen selbst vorwärts.
Glücklicherweise war um diese Tageszeit auf der Brücke kaum Verkehr, und nur hin und wieder fuhr ein altes Auto hupend an uns vorbei, oder eine Horde Mauleseltreiber überholte uns und streifte uns mit neugierigen Bücken.
Am Spätnachmittag war es dann so weit. Wir zogen die Bohle unter die Räder des Lkw. Ich setzte mich ans Steuer, und Pizarro leierte die Winde wieder zurück.
Als beide Räder wieder Bodenschluss hatten, schaltete ich den ersten Gang, gab langsam Gas und ließ die Kupplung gefühlvoll kommen. Sekunden später hatten wir die gefährliche Stelle überwunden.
Gloria setzte sich wieder neben mich, Pizarro stieg murrend hinten auf, und dann fuhr ich an.
Ich fuhr keineswegs vorsichtig, ich fuhr keineswegs langsam, aber mein Stil schien Gloria Keegan doch wesentlich besser zuzusagen.
Am jenseitigen Ufer führte der Weg wieder steil nach oben ins Gebirge. Der Weg war eng und nicht sonderlich gut instand gehalten, aber er war immerhin keineswegs gefährlich. Auf diese Weise erreichten wir nach etwa einer Stunde ein gottverlassenes kleines Nest, das den hochtrabenden Namen San Luis Cavanilles führte.
Wir fuhren durch die Stadt mit ihren meist bungalowähnlichen Stein- und vielen Holzhäusern, und Pizarro wies mich dann nach Westsüdwest weiter hinauf in das Gebirge ein.
Jetzt konnte von einer ordentlichen Straße nicht mehr die Rede sein. Die Vegetationsgrenze blieb nach etwa einer Dreiviertelstunde Fahrt hinter uns zurück, und wir bewegten uns im nackten, schroffen Gebirge. Allerdings hatte ich bei jedem Halt einen großartigen Ausblick auf das Tal des Rio Grande de Santiago, und die Luft war von einer Klarheit und Reinheit, wie ich sie in meinem Leben noch nicht oft spürte.
Nach einer weiteren halben Stunde wurde ich von Pizarro nach links eingewiesen. Hier begann jener berühmte Weg, den ich Ihnen schon beschrieben habe. Im ersten Drittel, von oben an gerechnet, verlief er mit geradezu lebensgefährlicher Seitenneigung und war nach der Laguna de Tetuhantepec hin vollkommen offen. Ein ungeschickter Autofahrer konnte da ohne Weiteres etwa fünfzig bis siebzig Meter tief ins Wasser stürzen.
Dann kam der beiderseits von Felsen gesäumte Teil, der war schon erheblich besser befahrbar, und es konnte dem Auto bestenfalls geschehen, dass es wie ein müder Kaugummi an die Wand geklatscht wurde.
Von da an war der Weg ein klein wenig manierlicher und führte in ein tiefes Tal von ganz geringem Ausmaß. Diese Steinfläche war von nackten Felsen umgeben und öffnete sich nur dem See zu. Wir hatten dort gerade so viel Platz, um den Lkw abzustellen und gegebenenfalls zu wenden, die Vorräte auszuladen und zwei Zelte aufzustellen.
Als wir endlich so weit waren, wollte ich in Entzückensrufe ausbrechen, aber Gloria Keegan ließ das gar nicht zu. Ich musste den Lkw auf ganz besondere Weise abstellen, und dann bat sie uns zwei Männer, Verschiedenes der mitgebrachten Ladung des Lkw abzuladen.
Fürs erste stellten wir zwei Zelte auf, ein großes und ein kleines. Demokratischerweise wollte die Keegan das große Zelt allein bewohnen, und das kleinere wies sie uns als Aufenthalt zu. Das konnte ja schön werden! Wo mir dieser Felipe Pizarro so besonders sympathisch war, und er meine freundlichen Gefühle für ihn durchaus im gleichen Sinne erwiderte!
Wir luden also die Zelte aus, dazu Luftmatratzen, verschiedene Spiritus- und Benzinkocher und Vorräte für einige Zeit. Zurück blieben auf dem Lkw einige große Kisten, die mit kombinierten Schlössern versehen waren und über deren Inhalt sich sowohl Felipe Pizarro als auch Gloria Keegan ausschwiegen.
Es hätte mich außerordentlich interessiert, in welchem Zusammenhang die Keegan mit dem Mexikaner stand. Offenbar in einem rein geschäftlichen.
Gloria war ein bildhübsches Weib, zum Küssen sag ich Ihnen, und Felipe Pizarro das, was man gemeinhin einen schönen Mann nennt. Trotzdem standen die beiden nicht in zarteren Beziehungen, sondern sie verkehrten rein geschäftlich miteinander. Immerhin musste Pizarro in seinem Metier eine dicke Nummer sein; denn Gloria behandelte ihn mit einer gewissen Achtung. Mit einer Achtung, die sie mir gegenüber sehr oft vermissen ließ.
Fest steht, dass die beiden am ersten Abend in Glorias Zelt eine große Konferenz hatten und ich nicht dabei sein durfte. Aber ich wusste ganz genau, dass diese Konferenz keinen erotischen Hintergrund hatte. Im Übrigen konnte es mir auch ganz egal sein. Ich war eben nur Angestellter und musste den Weisungen meiner Herrin nachkommen. Es war zum Lachen!
Ich legte mich relativ bald schlafen und war sogar so reizend, die Luftmatratze für Pizarro bereitzulegen, damit dieser nach Beendigung seines Speechs mit Gloria Keegan ohne Verzug in Morpheus Arme sinken konnte.
Am folgenden Tag gab es für mich nicht viel zu tun. Gloria Keegan beschränkte sich darauf, für uns drei Essen zu kochen, und Felipe Pizarro brachte aus einer Kiste ein Schlauchboot zum Vorschein, das bestimmt für wenigstens zwanzig Personen ausgereicht hätte.
Er blies es auf, befestigte am Heck einen Außenbordmotor und knatterte in die Laguna de Tetuhantepec hinaus. Offenbar war er ein verkappter Wassersportler.
Er kehrte nur jeweils zum Essen zurück und hatte ständig ein großes Notizbuch bei sich, in das er Zahlen und Messwerte eintrug.
Allmählich war ich gespannt, wie ein Kriminalromanleser, was bei der Sache noch herauskommen würde.
Auf diese Weise verging der erste Tag unseres Campinglebens und die zweite Nacht brach herein.
In dieser zweiten Nacht wurde Felipe Pizarro von irgendeinem reizenden Menschen ermordet, und die Polizei von San Luis Cavanilles war der festen Überzeugung, in mir einen billigen und greifbaren Mörder gefunden zu haben.
So, jetzt wissen Sie alles, geneigter Leser.