Читать книгу Falsch verbunden, ich bin dein Mörder! 3 Top Krimis - Theodor Horschelt - Страница 24
VIII
ОглавлениеZehn Minuten später trat ich den Rückweg an. Die Telefon Verbindung zu Gloria Keegan war plötzlich gestört. Ich kam mir einsam und verlassen vor. Was wusste ich denn schon von Gloria Keegan? Wenn es ihr einfiel, mich einfach im Stich zu lassen, dann konnte ich hilflos am Grund des Sees ersticken. Langsam beschlich ein unangenehmes Gefühl mein Herz.
Ich schimpfte mich selbst einen nervösen Neurotiker und zwang mich zur Ruhe. Ganz von selbst wurde ich langsam hochgehievt, und die Keegan gab sich die größte Mühe, mich in meinem gläsernen Sarg nicht ersticken zu lassen.
Als es endlich so weit war, dass ich aus der Taucherausrüstung klettern und diese selbst auf die Stahlplattform ziehen konnte, war ich so fix und fertig, dass ich für den ersten Moment ohnmächtig zu Boden fiel.
Das erste, was ich sah, waren Glorias wundervolle Augen. Sie hatte sich im Schneidersitz auf die Plattform gesetzt und meinen Kopf in ihren Schoß gezogen. Dort lag er außerordentlich gut, das stellte ich selbst in dieser Situation fest.
„Sie Ärmster, was haben Sie alles für mich ausstehen müssen“, sagte das Mädchen zärtlich. „Aber Sie brauchen keine Angst zu haben, die Belohnung wird wundervoll sein.“
Und sie sagte dies mit einer Betonung, dass ich genau wusste, welche Art Belohnung gemeint war. Und ich wusste im Augenblick tatsächlich nicht, ob ich genügend Seelenstärke haben würde, diese im Falle eines Falles abzulehnen.
„Nun, Tabs, was haben Sie gefunden?“, fragte Gloria plötzlich wieder geschäftsmäßig werdend. „Ich habe so sehr gehofft, Sie würden die Stahlkassette gleich mitbringen. War es zu schwierig, müssen Sie nochmals tauchen?“
Ich schlug meine Augen unschuldsvoll zu ihr auf. „Miss Gloria“, sagte ich, „bleiben Sie stark. Ich muss Ihnen eine ungeheure Enttäuschung bereiten. Ich habe zwar das Wrack des Flugzeuges gefunden, aber der Führersitz war vollkommen leer. Weder befindet sich die Leiche Ihres Bräutigams in ihm, noch fand ich eine Kassette. Es tut mir leid, ich glaube, wir haben uns vergeblich bemüht!“
Mit Gloria Keegans Gesicht ging eine furchtbare Veränderung vor sich. Sie zischte wie eine Kobra, richtete sich brüsk auf und ließ meinen Kopf achtlos auf die Plattform fallen. Ihr Gesicht glich im Augenblick einem Dämon aus dem Alptraum.
„Das haben Sie sich fein ausgedacht, Mr. Thyle!“, sagte sie. „Das glaubt Ihnen der Teufel, Sie verfluchter Hund!“
*
Ich sprang auf und trat vor das Mädchen hin, dass mein Atem ihr Gesicht streifte. „Miss Keegan, jetzt hören Sie mal gut zu: Ich habe mich Ihnen zuliebe auf eine ganze Masse krummer Touren eingelassen und stehe sogar immer noch unter Mordverdacht. Ich weiß, dass Ihnen der Misserfolg unserer Aktion einen schweren Schlag versetzt hat, aber Sie dürfen sich dadurch nicht zu einer Ungerechtigkeit gegen mich hinreißen lassen. Ich bin gerne bereit, noch einmal zu tauchen und nach der Kassette zu suchen. Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass das gar keinen Sinn hat. Wenn Ihr Bräutigam tatsächlich so gehandelt hat, wie er Ihnen vorher bekannt gab, dann haben wir keine Aussicht mehr, die Kassette zu finden. Die Leiche ist, wie gesagt, vollkommen verschwunden, der Teufel mag wissen, wo die sich aufhält. Der Anschnallgurt des Führersitzes ist losgeschnallt. Es hat fast den Anschein, als hätte sich Ihr Bräutigam noch zu retten versucht. Dem steht allerdings entgegen, dass die Verkleidung der Kanzel unversehrt war. Wie sich das Ganze verhält, ist mir vollkommen schleierhaft. Wenn aber tatsächlich die Kassette am anderen Sitz angeschnallt war, dann ist auch sie vor dem Unglück entfernt worden. Der Anschnallgurt des Nebensitzes ist nämlich vollkommen unbeschädigt und eingeklinkt. Ich hoffe, Sie verstehen, was das zu bedeuten hat.“
„Ich will Ihnen etwas sagen!“, erwiderte Gloria Keegan ruhig. „Ich glaube Ihnen kein Wort. Selbstverständlich haben Sie die Leiche meines Bräutigams gefunden, selbstverständlich haben Sie auch die Kassette gefunden. Sie haben die Kassette höchstwahrscheinlich aus dem Flugzeug entfernt und irgendwo im Morast vergraben. Sie wiegen sich in der Hoffnung, mich aufs Glatteis führen und mich veranlassen zu können, die Expedition abzubrechen. Vielleicht sind Sie in einem Monat mit frischen Kräften hier und versuchen dann, da zu ernten, wo Sie nicht gesät haben. Nun gut, ich bin weitgehend in Ihrer Hand. Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag. Das ist aber mein äußerstes Angebot: Sie tauchen noch einmal, graben die Kassette aus und übergeben sie mir. Ich verpflichte mich ehrenwörtlich, sie nicht zu öffnen, bevor wir in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt sind, ich verpflichte mich ferner ehrenwörtlich, Ihnen die Hälfte des Erlöses des Inhaltes zu überlassen. Ich glaube, das ist ein faires Angebot.“
„Miss Keegan“, erwiderte ich, „Sie gehen von einer falschen Voraussetzung aus. Sie halten mich für einen schmutzigen Erpresser, der die Notlage einer schwachen Frau ausnützt. Das sei ferne von mir. Ich bin zwar ein verfluchter Hund, aber ich bin kein gemeiner Kerl. Ich bin, wie gesagt, bereit, noch einmal nach unten zu tauchen.“
„Das kann ich mir vorstellen, Sie wollen die Kassette noch besser verstecken, als Sie sie schon versteckt haben!“
Langsam verlor ich die Geduld. Ich hätte am liebsten aufgezogen und das teuflische Gesicht vor mir schallend geohrfeigt. Aber ich konnte mich noch einmal beherrschen.
„Ich sehe, Sie glauben mir nicht“, flüsterte ich eindringlich. „Gut, ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag. Was ich fertiggebracht habe, bringen Sie auch fertig. Ich schlage Ihnen allen Ernstes vor, steigen Sie in die Taucherausrüstung, ich lasse Sie nach unten, und sehen Sie selbst nach. Ich will geteert und gefedert sein, wenn nicht jedes Wort wahr ist von dem, was ich Ihnen sagte.“
*
Die Keegan lachte hysterisch. „Ich glaube, es würde Ihnen so passen, wenn ich in den Taucheranzug stiege und mich nach unten begäbe. In dem Augenblick, in dem ich unten angekommen wäre, würden Sie die Rückholleine und die Luftschläuche kappen, und ich wäre in wenigen Minuten eine Leiche. Halten Sie mich nicht für blöder als ich bin!“
„Meine liebe Gloria, Sie sind einfach blöd!“, sagte ich. „Wenn ich tatsächlich die Absicht hätte, Sie zu ermorden, dann brauchte ich Ihnen doch bloß jetzt einen fürchterlichen Kinnhaken zu geben, der Sie betäubte, und Sie ins Wasser zu schmeißen. Ich hätte es gar nicht nötig, Sie auf derart melodramatische Art umzubringen. Also bitte, fassen Sie einen Entschluss. Soll ich noch einmal tauchen oder wollen Sie tauchen?“
„Keines von beidem!“, bestimmte die Keegan. „Wir fahren zum Ufer zurück. Ich breche die Expedition ab und komme zu gegebener Zeit mit zuverlässigeren Leuten wieder.“
„O.k.“, sagte ich, „tun Sie, was Sie nicht lassen können. Wie man sich bettet, so schallt es heraus!“
Ich wandte mich um, um die Außenbordmotoren anzuwerfen und zum Ufer zurückzukehren.
In diesem Augenblick sah ich am Ufer hinter einem Steinhaufen etwas aufblitzen.
„Verdammt noch eins, das hat uns gerade noch gefehlt!“, brüllte ich. „Da drüben sitzt jemand und beobachtet uns mit einem Fernglas!“
Das Mädchen schnellte wie eine Tigerin herum. Es beobachtete sorgfältig nach drüben und lachte dann verächtlich.
„Mit Ihren Ablenkungsmanövern können Sie mich nicht besoffen machen! Da drüben sitzt kein Mensch. Auch das haben Sie sich aus den Fingern gesogen, Sie elender Krüppel!“
Ich zuckte die Achseln und stieg in das eine Schlauchboot. Dann gab ich Gas. Langsam drehte sich die Fähre um hundertachtzig Grad, dann ließ auch Gloria ihren Motor anlaufen, und wir schipperten gemächlich dem Ufer zu. Unsichtbar, aber wohl zu spüren, stand eine stählerne Mauer zwischen uns.
Zehn Minuten später landeten wir. Ich machte das Schlauchboot sorgfältig fest und sprang an Land.
Ein fürchterlicher Geruch fiel mich wie ein wütender Löwe. an. Ich hob die Nase und witterte wie ein deutscher Schäferhund. Dann stürzte ich in eine vom Landungsplatz her nicht zu übersehende Ecke und sah die Bescherung. Dort lag Felipe Pizarros bereits in Verwesung übergegangene Leiche. Der smarte Mexikaner hatte im Tode viel von seiner früheren Schönheit eingebüßt.
*
Die Art, wie Gloria Keegan auf diesen neuerlichen Schlag reagierte, nötigte mir widerwillige Bewunderung für sie ab.
Totenbleich und an allen Gliedern zitternd sah sie die Bescherung, aber sie brach nicht zusammen.
Dann wandte sie sich zu mir um. „Ich glaube, hier haben wir nichts mehr zu suchen“, sagte sie. „Es hat sich tatsächlich alles gegen uns verschworen. Wir lassen die Fähre am Ufer vertäut. Machen Sie den Lkw fertig. In fünf Minuten fahren wir nach San Luis zurück.“
Ich hätte gerne wenigstens die Zelte abgebaut und den immerhin kostbaren Taucheranzug gerettet, aber Gloria Keegan wollte davon nichts wissen. Sie drängte hysterisch auf den Aufbruch, und ich konnte mir vorstellen, dass ihre Nerven durch die Ereignisse der letzten Stunden schwer gelitten hatten. Deswegen fügte ich mich schweigend ihren Anordnungen, packte nur unser Handgepäck zusammen, warf es auf den Lkw, und startete den Motor. Gloria setzte sich neben mich, und dann fuhr ich vorsichtig den fürchterlichen Weg nach oben. Jedes Mal, wenn ich auf der schiefen Ebene rutschte und siebzig Meter unter mir die Fläche des Sees sah, wurde mir zum Kotzen übel.
Es dauerte immerhin nur einige Minuten, bis wir oben waren, und ich wollte schon erleichtert den zweiten Gang einlegen, als sich die Keegan plötzlich anders besann.
„Stopp!“, sagte sie.
Gehorsam trat ich auf das Bremspedal.
„Ich habe mir die Sache anders überlegt“, sprach sie weiter. „Der Mord an Pizarro, das Verschwinden der Leiche und das mysteriöse Auftauchen des Toten jetzt, nach über einer Woche, lässt nur eine Deutung zu: Man hat unsere Arbeit ständig beobachtet und möchte uns um die Früchte des Erfolges bringen. Seien Sie so gut, Tabs, und fahren Sie noch einmal ins Lager zurück. Ich habe mich nun doch entschlossen, die Pontonfähre und die Tauchapparatur abzubauen. Allzu leicht will ich es meinen Gegnern nicht machen. Es könnte ja sein, dass die nur meinen Abmarsch abwarten und die Tauchversuche mit besserem Erfolg fortsetzen.“
Ich bin an allerlei Kummer gewöhnt. Ich wendete unter tausend Mühen und Gefahren den Lkw in dem engen Weg und fuhr vorsichtig erneut in das Tal zurück.
*
Das Zerlegen der Fähre, das Einpacken der Eisenteile und das Verladen der Taucherausrüstung des toten Pizarro dauerte immerhin etwa zweieinhalb Stunden. Wir arbeiteten konzentriert und verbissen und vermieden jedes unnötige Wort. Die Wand, die sich seit Glorias Misstrauensausbruch aufgetan hatte, stand als latente Drohung zwischen uns, und ich hatte nicht die geringste Veranlassung, von meiner Seite aus um Schönwetter zu bitten. Gloria war es, die mich beleidigt hatte. Ich hatte sie weder gekränkt noch in ihren Rechten geschmälert.
Als wir endlich alles auf unseren Lkw geladen hatten, ging das Theater von vorne los. Vorsichtig, um nicht doch noch in die Lagune zu fliegen, rangierte ich den Lkw aus dem Tal heraus, gab kräftig Gas und kam verhältnismäßig leicht auf die Straße. Von da aus war die Fahrt nach San Luis Cavanilles ein Kinderspiel.
Am späten Nachmittag kamen wir in der Stadt an. Handel und Wandel hatte sich jetzt, nachdem die Strahlen der Sonne nicht mehr so versengend brannten, wieder erhoben. Ich musste im Schritt durch die Hauptstraße des Ortes fahren, um zu vermeiden, kleine Schweine, junge Kaninchen, Hühner und Indianerkinder zu überfahren.
„Was haben Sie jetzt vor, Gloria?“, fragte ich das Mädchen.
Gloria lächelte mich mit einem rührenden Versuch, tapfer zu sein, an.
„Wir gehen jetzt ins Hotel“, sagte sie, „und dann werde ich wohl oder übel mit der Polizei reden müssen; wegen der Leiche, die sich plötzlich eingefunden hat. Ich bin überzeugt, dass sich die Mörder dort oben herumtreiben. Vielleicht ist es Leutnant Ramirez in seiner altbewährten Tüchtigkeit möglich, diesmal den wirklichen Mörder zu finden.“
Ich musste drollig kichern, wenn ich an den dicken, stupiden Ramirez dachte.
„Hören Sie, Gloria“, sagte ich. „Ich lasse Sie auf keinen Fall allein zu der Polizei gehen. Erstens bin ich ja Fachkriminalist, und zum zweiten ist es für eine schwache, Frau nicht gut, mit den Raubrittern hier ohne Rückendeckung zu verhandeln.“
*
Gloria war durchaus damit einverstanden. Wir ließen den Wagen abgesperrt am Marktplatz stehen und schlenderten dann zu der Polizeistation hinüber.
Kurz darauf standen wir vor einem mäßig begeisterten, aber zerlumpten mexikanischen Polizisten und trugen ihm unseren Wunsch, Leutnant Ramirez zu sprechen, vor.
Der Mann versuchte, uns mit unendlicher Geduld dazu zu bringen, von diesem tollkühnen Vorhaben abzustehen, aber wir ließen nicht locker und schafften es am Ende, dass wir uns setzen durften und der Polizist versuchte, seinen hohen Vorgesetzten tot oder lebendig heranzuschleifen.
Eine volle halbe Stunde später kam Leutnant Ramirez. Er machte einen ebenso unrasierten wie unausgeschlafenen Eindruck, und man konnte sich an allen fünf Fingern abzählen, dass er in dem Bestreben, das fortgesetzte Tag- und Nachtleben von San Luis zu genießen, durch unser Dazwischentreten empfindlich gestört worden war.
Der Kerl, der wie eine Kreuzung aus Zirkusmanege und fliegender Untertasse aussah, kümmerte sich um mich überhaupt nicht, dagegen verschlang er meine aparte Begleiterin beinahe mit seinen Blicken, er beugte sich mit altspanischer Grandezza über ihre Hand und bedeckte sie mit Küssen.
Für meine Begriffe sah er fast wie ein Hund aus, der dem Herrn die Stiefel leckt.
Die Anwesenheit der Schönen schien auf die verhungerten Polypen des wackeren Leutnants wie der Leim auf die Fliegen zu wirken.
Gloria wartete, bis etwa zehn dieser Bullen vorhanden waren, wandte sich dann abrupt um und sagte zu Leutnant Ramirez: „Ich muss Ihnen eine schwerwiegende Meldung machen, Leutnant. Ich habe Ihnen neulich bezüglich Mr. Thyles eine vollkommen falsche Aussage gemacht. Ich befand mich in einer zwingenden Notlage und hatte ein berechtigtes Interesse daran, den Mann bei mir zu behalten. Dies ist jetzt illusorisch geworden, und mein staatsbürgerliches Gewissen zwingt mich, Farbe zu bekennen. Die Sache mit der Ermordung Pizarros war ganz anders. Selbstverständlich ist Mr. Thyle der Mörder.“