Читать книгу Falsch verbunden, ich bin dein Mörder! 3 Top Krimis - Theodor Horschelt - Страница 26
IX
ОглавлениеWenn die Sache nicht so maßlos traurig gewesen wäre, dann wäre sie bestimmt zum Lachen gewesen. Auf diese Tour wollte das verdammt kaltschnäuzige Frauenzimmer offenbar eine neue Masche häkeln!
Mit mir nicht!, dachte ich belustigt. Mit mir nicht!
„Sie müssen Ihre sonderbare These schon näher erläutern“, sagte der Leutnant, und in seinem Gesicht stand deutlich der Schreck darüber geschrieben, jetzt höchstwahrscheinlich etwas unternehmen zu müssen.
Die zehn Polypen bildeten um mich einen Ring und hatten offenbar die eine Überzeugung, nämlich die, mich weder tot noch lebendig entkommen lassen zu dürfen.
Durch das verdammte Gelabere dieser schrägen Schlunze war ich gewissermaßen mit dem Kopf zwischen die Puffer gekommen.
Ich sah ein, dass es keinen rechten Sinn hatte, nach Recht oder Unrecht zu fragen, sondern dass es das Beste sein müsse, die Mücke zu machen. Ich tat, als berühre mich die ganze Angelegenheit überhaupt nicht, aber ich nahm mir die größte Mühe, einen Fluchtweg zu entdecken.
Der Leutnant wandte sich lebhaft an Gloria Keegan, die mich keines Blickes mehr würdigte.
„Unter Umständen haben Sie sich eines schwerwiegenden Vergehens schuldig gemacht, Miss Keegan“, sagte der Leutnant in seinem rollenden Amerikanisch. „Irreführung der Behörden wird allgemein recht schwer bestraft. Aber vielleicht können Sie Ihre Lage durch ein lückenloses Geständnis erleichtern.“
Gloria senkte züchtig den Blick und machte ein Gesicht wie die Katze, die am Sahnetopf genascht hat.
„Die Sache ist die“, antwortete sie. „Schon als ich damals in San Diego Mr. Thyle engagierte, da war er von meiner Fraulichkeit außerordentlich angetan. Ich gab ihm zwar eindeutig zu verstehen, dass ich nur seine fachlichen Qualitäten zu schätzen wisse, aber er ließ sich nicht überzeugen und versuchte, mir immer wieder seine Liebe aufzudrängen.“
Der Leutnant strich sich mit dem Handrücken genießerisch an der Oberlippe entlang. Ich kannte ungefähr die Gedanken, die er jetzt in seinem Gehirn wälzte.
„An sich kann man das Mr. Thyle nicht verdenken“, warf er ein und streifte Glorias Stromlinien mit einem sprechenden Blick. „Aber erzählen Sie weiter. Was hat denn das Ganze mit dem Mord an Pizarro zu tun?“
Das hätte ich auch gerne gewusst. Im Übrigen waren alle Behauptungen der Keegan aus der Luft gegriffen, denn ich hatte mich de facto außerordentlich korrekt, kühl und zurückhaltend gegen meine Auftraggeberin benommen.
„Ich traf in Guadalajara mit Señor Pizarro zusammen“, sprach Gloria geschmeidig weiter. „Pizarro ist ein alter Bekannter, besser gesagt, ein alter Freund von mir, und Mr. Thyle blieb das natürlich nicht verborgen. Auf diese Weise entstand sofort eine latente Spannung zwischen den beiden Männern. Mr. Thyle war einfach eifersüchtig.
In der Mordnacht, oben in der Laguna, hatte ich mich sehr früh in mein Zelt zurückgezogen, aber ich konnte und konnte nicht schlafen. Obwohl ich wusste, dass mein vertrauter Umgang mit Señor Pizarro Mr. Thyles Missbilligung hervorgerufen hatte, glaubte ich nicht, auf die Gesellschaft meines erfahrenen und uneigennützigen Freundes verzichten zu dürfen. Ich kroch also zu dem Zelt, in dem die beiden schliefen, schlug den Eingang zurück und versuchte, Pizarro so zu wecken, dass Mr. Thyle nichts merkte. Dieser Versuch ging leider außerordentlich daneben. Mr. Thyle erwachte vor Pizarro, erfasste sofort die Situation und erstach in seiner ersten Wut Pizarro. Es war selbstverständlich kein kalter, vorsätzlich geplanter Mord, es war ein Totschlag. Wenn Sie Mr. Thyle für zehn bis zwanzig Jahre ins Zuchthaus stecken, dann wird er von seiner unangebrachten Liebessehnsucht vermutlich geheilt werden.“
*
Ich konnte mir ungefähr vorstellen, was jetzt folgen würde. Die Keegan glaubte so wenig an meine Schuld an dem Mord wie ich selbst. Sie hatte sich meiner als willkommenes Werkzeug bei ihren Tauchversuchen bedient. Nach der neuesten Entwicklung glaubte sie aber, ich hätte sie fürchterlich betrogen und den Versuch gemacht, die Diamantenkassette für mich zu behalten.
Damit verlor ich selbstverständlich jeglichen Wert für sie. Im Gegenteil, ich musste nach menschlichem Ermessen den Versuch machen, auf eigene Faust die Diamanten zu heben und Gloria ganz leer ausgehen zu lassen. So war es selbstverständlich nur in ihrem Interesse, mich in der elenden Stadt San Luis Cavanilles festzusetzen und zu erreichen, dass ich vielleicht Monate oder auch Jahre auf meinen Prozess warten müsse.
Das hatte die verdammte Schnepfe außerordentlich gut eingefädelt. Aber ich wollte ihren Plan durchkreuzen. Ich äußerte mich zu den Vorwürfen der attraktiven Frau überhaupt nicht, sah nur lächelnd im Kreise umher und schlug dann den zunächst stehenden Polizisten mit einem fürchterlichen Kinnhaken nieder.
Der Kerl kippte wie eine gefällte Eiche aus den Latschen und riss im Fallen einige seiner überraschten Kameraden mit. Ich ging in die Hocke, machte eine Rolle vorwärts, schlug mit Händen und Füßen um mich, schlug noch drei oder vier weitere Polypen nieder, schnellte dann wieder auf, rannte dem zunächst stehenden meine Faust in die Achselhöhle und veranstaltete jede Menge Rabatz.
In dem verhältnismäßig engen Raum hinderte einer den anderen daran, richtig gegen mich durchzugreifen, und so hätten sich die Polypen in den ersten Sekunden dieser wütenden Schlacht beinahe gegenseitig selbst in die Schnauze geschlagen. Lediglich Leutnant Ramirez stand breitbeinig wie ein Turm in der Schlacht vor der Abschlusstüre und hatte offenbar die Absicht, mich nicht entwischen zu lassen.
Weil ich nun aber einmal so herrlich in Form war, kostete es mich nicht viel Überwindung, abermals wie ein Taschenmesser zusammenzuklappen und dem Fettkloß meinen immerhin einigermaßen kompakten Kopf so gegen den Magen zu rennen, dass er nun seinerseits brüllend zusammenbrach.
Ich gab ihm noch eine leichte Liebkosung mit der Stiefelspitze gegen die Schläfe, und da ging er endgültig ins Land des Lächelns ein.
Ehe die übrigen beamteten Galgenvögel begriffen, was überhaupt gespielt wurde, hatte ich sie längst auseinandergeboxt und war auf den Marktplatz hinausgesprungen. Dort stand treu und brav unser hochbeladener Ford BB, und ich hatte den Schlüssel für ihn in der Tasche.
Sekunden später stand ich vor dem Führerhaus, stieg ein, knallte die Türe zu und startete den Motor. Gottlob, er kam!
Ehe die Eingeborenen überhaupt kapiert hatten, was hier gespielt wurde, war es mir längst gelungen, in Richtung auf das Gebirge zu entkommen.
*
Ich fuhr einen Weg, der von San Luis Cavanilles steil nach Norden führte, aber zweifellos nicht in Aguas Calientes endete.
Ich gab dem alten BB die Sporen und rang ihm das Letzte ab.
Ich musste versuchen, eine möglichst große Distanz zwischen mich und meine Verfolger zu legen, ehe diese an Aufbruch denken konnten. Ich hatte nämlich verdammt wenig Lust, die Verfolger an mich herankommen zu lassen und tatenlos zuzusehen, wie sie mir die Reifen kaputt schossen. Denn das wäre in diesem Fall den einleitenden Zeremonien einer Beerdigung gleichgekommen.
Ich fuhr und fuhr, und ich fuhr immer weiter. Zur Linken erhoben sich schroffe Felsen in schwindelnde Höhe, zur Rechten ging es ungesichert in den Abgrund hinunter. Ich fuhr wie bei einem Bergrennen gegen die Zeit. Ich holte das Letzte aus dem gequälten Motor heraus. Die Ventile wimmerten, und die Federn schlackerten. War ich glücklich mit größter Geschwindigkeit einen Berg hinuntergefahren, dann musste ich versuchen zu bremsen, Zwischengas zu geben und zurückzuschalten. Sonst hätte ich das klapperige Gefährt nicht mehr aufhalten können.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit hatte ich eine steile Passhöhe erreicht. Das Wasser im Kühler begann zu kochen, aber ich konnte dem alten Wagen nicht helfen. Ich musste weiter.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Hanges ging es wieder steil abwärts. Wenig später befand ich mich in einem herrlichen, sandigen Tal, das mit Kakteen, Agaven und allerlei Pflanzen bestanden war, die mir durchaus unbekannt waren.
Ich war der festen Überzeugung, durch meine raffinierte Fahrweise jede Menge Kilometer gut gemacht zu haben und drückte trotzdem weiter auf die Tube.
Der Weg stieg nach dem Tal wieder auf und schlängelte sich in kühnen Serpentinen weiter. Auf halber Höhe des nächsten Berges musste ich ganz langsam und vorsichtig eine Haarnadelkurve fahren, und es ging nahezu im Winkel von hundertachtzig Grad rückwärts und dabei ganz sachte aufwärts. Ich hatte die Straße, auf der ich eben gekommen war, gewissermaßen rechts zum Greifen nahe.
Ich stieß den Gashebel bis zum Kragenknopf auf das Bodenbrett und donnerte davon.
In diesem Augenblick sah ich aber, dass eine ganze Autokolonne mir folgte. Verdammt noch eins, jetzt war ich in die Armbeuge des Propheten geraten. Die Burschen brauchten mit ihren aus der amerikanischen Dollarhilfe stammenden Maschinenpistolen nur auf mich zu zielen, und dann spielte ich bis zur Auferstehung des Fleisches Mehlsieb.
Merkwürdigerweise zeigte aber niemand ein rechtes Interesse daran, mir irgend etwas in den Weg zu legen. Die Verfolger, etwa zwölf an der Zahl, kamen in drei offenen Wagen hinter mir her, und es wäre ihnen ein leichtes gewesen, mich mittels ihrer Gartenspritzen mit einem ganzen komplizierten System von Reißverschlüssen zu versehen.
Dazu machten sie aber nicht die geringste Miene. Das stimmte mich nachdenklich und unsicher.
Der Spuk war übrigens nach wenigen Minuten vorüber. Die Straße mit ihren Windungen nahm mich wieder auf, und die Dämmerung ging fast ohne Übergang in die Nacht über. Ich fuhr mit kleinstem Licht weiter und gab Gas, was das Zeug hielt.
Als ich dann eben wieder um die nächste Biegung herumschoss, ging es ein paar hundert Meter abwärts. Ich gab dem Benzinesel erneut die Sporen und raste mit bestimmt neunzig Kilometer Geschwindigkeit in die Tiefe. Es war der helle Wahnsinn.
Auf der anderen Seite ging es wieder einmal steil nach oben. Ich schaltete zurück und überwand mit Mühe und Not die höchste Steigung.
Und dort oben hörte der Weg wie abgeschnitten auf. Unter meinen Vorderrädern ging es etwa zweihundert Meter in die Tiefe.
Jetzt wusste ich, weshalb die verdammte Bande darauf verzichtet hatte, auf mich zu schießen.
Es wird Sie selbstverständlich wundern, dass ich angesichts derartig tieftrauriger Ereignisse noch in der Lage bin, über meinen Tod zu sprechen.
Ich erkannte selbstverständlich im letzten Moment die drohende Gefahr und trat mit beiden Füßen zugleich auf die Bremse. Aber es war alles nutzlos. Die gequälten, heiß gelaufenen und abgeschabten Bremsen des alten Fords quietschten nur brüllend, und die Fahrt des Lkw verlangsamte sich kaum. Das einzige, was mir zu tun übrig blieb, tat ich in meiner letzten Not. Ich riss die linke Seitentüre auf, ließ mich einfach herausfallen, schlug mit dem Hinterkopf schmerzhaft gegen einen Stein und blieb dann schwer atmend liegen.
Im gleichen Augenblick verschwand der treue Ford BB einschließlich der beiden Schlauchboote, der Außenbordmotoren und der antiquarischen Taucherausrüstung des abgenabelten Pizarro in der Tiefe. Ich hörte es sausen und heulen, dann einen dumpfen Aufschlag und gleich darauf eine knatternde Explosion.
„Jetzt ist er auch noch geplatzt!“, sagte ich. Da sah ich auch schon den Feuerschein des Brandes. Die Reste des Ford BB und seiner Ladung waren also im wahrsten Sinne des Wortes am Boden zerstört.
Selbstverständlich war das alles viel schneller vor sich gegangen, als man erzählen kann. Sie sollen nicht von mir den Eindruck gewinnen, dass ich nun wie ein tibetanischer Büßermönch am Bauch gelegen und mein Geschick bejammert hätte. Ganz im Gegenteil!
Ich schnellte auf und wollte wie der Gorilla im Zoo irgendwo im Urwald verschwinden.
Bedauerlicherweise gab es indessen keinen Urwald, es gab auch keine Möglichkeit, die ragende Felswand zu meiner Linken zu ersteigen. Rechts ging es steil nach abwärts, vor mir war der Weg mangels einer Brücke zu Ende. Es hatte den leichten Anschein, als sei ich erneut zweiter Sieger geworden.
Minuten später kamen die Fahrzeuge der wild gewordenen Polypen aus San Luis Cavanilles heran und hielten wenige Millimeter vor mir. Zwölf entsicherte Maschinenpistolen senkten sich drohend gegen meinen Bauch.
Hier war nichts mehr zu machen.
„Señores“, sagte ich mit einer Verbeugung, „die Ehre, die Sie meiner bescheidenen Person angedeihen lassen, rührt mich beinahe zu Tränen. Stecken Sie bitte Ihre Schießeisen weg, ich reiße Ihnen auch so nicht aus. Auf was warten wir noch, meine Herren, ich stehe Ihnen vollinhaltlich zur Verfügung!“
*
Ich wurde im Triumph nach San Luis Cavanilles zurückgebracht, und die zwölf Polypen hatten alle Hände voll zu tun, um mich vor der Wut des Volkes zu schützen.
In der kleinen mexikanischen Stadt hatte es sich im zwischen herumgesprochen, dass ein „Gringo“, nämlich ich – einen mexikanischen Caballero aus der Hose gepustet habe, und die wackeren Bewohner der kleinen Provinzstadt fanden dies von mir ausgesprochen unfein.
Sie gaben ihrem Unwillen in treffenden Worten Ausdruck, und ich hegte keinen Zweifel daran, dass sie jede Sekunde zu Taten übergehen konnten. Ob die zwölf Polypen dann in der Lage und vor allem Willens waren, mich zu schützen?
Ich wurde in das Gefängnis zurückgebracht, in dem ich mich schon etliche Tage zuvor befunden hatte, und man stellte mich kurz Gloria Keegan gegenüber.
Das Mädchen war ob des Verlustes seiner Ausrüstung weiß vor Wut und stellte mir neben den Strafen des Himmels und der Erde auch noch eine gesalzene Schadenersatzklage in Aussicht.
„Herzlichen Dank für Ihre Bemühungen um meine Person“, sagte ich, „im Übrigen: Sie mich auch!“
*
Ich habe Ihnen schon erzählt, welchen Rabatz die eingeborene Bevölkerung bei dem Volksfest gemacht hat, das ich neulich miterlebt hatte.
Dieser Rabatz war aber ein mildes, leises Säuseln gegen das, was sich jetzt abspielte. Die Menge rottete sich vor der Polizeistation zusammen und verlangte brüllend meinen Kopf. Die Bande dachte gar nicht daran, nach Hause zu den Weibern und Kindern zu gehen, sondern blieb bis etwa zweiundzwanzig Uhr vor dem Gefängnis stehen, und als ahnungsvoller Engel wusste ich genau, dass die Explosion jeden Moment erfolgen und die kochende Volksseele auf die Barrikaden treiben konnte. Damit musste dann aber auch meinletztes Brötchen gebacken sein.
Leutnant Ramirez und seine Getreuen fürchteten sich ganz offenbar vor ihrer eigenen Courage. Der dicke Leutnant schwitzte übelriechend und konferierte in meiner Zelle pausenlos mit mir.
„Passen Sie auf, Leutnant“, sagte ich. „Ich bin absolut unschuldig. Diese verdammte Bestie hat mich aus ganz bestimmten Beweggründen bezichtigt, den Mord begangen zu haben.“
Ich erzählte ihm in meiner Not, wie alles gekommen war, aber das rührte den Polizeioffizier wenig.
„Ob Sie unschuldig sind oder nicht, das mag das Gericht entscheiden“, sagte er. „Ich werde Sie morgen nach Guadalajara überführen lassen. Was der Vernehmungsrichter dann bestimmt, ist nicht meine Sache. Ich jedenfalls bin verpflichtet, Sie in Haft zu behalten.“
„Diese Verpflichtung erkenne ich durchaus an“, erwiderte ich geduldig. „Aber ich befürchte, Sie werden mich nicht mehr lange in Haft behalten. Die Menge wird nämlich das Gefängnis stürmen. Hören Sie doch nach draußen, die Bande übt sich schon in Sprechchören!“
Tatsächlich, das dumpfe Gemurmel, das helle Pfeifen, Schreien und Zischen hatte einem organisierten Sprechchor Platz gemacht, der bis zu mir in meine Zelle drang. Und der Slogan, der aus aller Lippen kam, war nicht dazu angetan, mich zu beruhigen.
Was sang, brüllte und zwitscherte der Abschaum von San Luis?
„Ramirez, gib den Thyle raus,
Sonst stürmen wir das Spritzenhaus
Und holen ihn uns selber raus!
Kriegt dann dein dicker Wanst ein Loch,
Bist du der Dumme selber noch!“
Ramirez geriet immer mehr ins Schwitzen. Und ich müsste lügen, wenn ich behaupten wollte, dass ich kühl geblieben wäre wie eine Hundeschnauze.
„Glauben Sie, dass Sie mich gegen den entfesselten Mob schützen können?“, fragte ich den Leutnant.
Der schüttelte verbissen den Kopf. „Darauf besteht gar keine Aussicht.“
„Dann unternehmen Sie doch zum Donnerwetter endlich etwas! Telefonieren Sie mit Guadalajara, fordern Sie Verstärkung oder Militär an.“
Ramirez grunzte missbilligend. „Das hat alles keinen Sinn, das hab’ ich schon versucht. Sämtliche Leitungen sind gestört. Ich glaube, irgendwo ist ein Unwetter im Anzug.“
Das glaubte ich auch. Ich machte ihm einen letzten Vorschlag.
„Ramirez, im Namen der Menschlichkeit flehe ich Sie, an, lassen Sie mich frei! Ich begebe mich auf Schleichwegen nach Guadalajara und stelle mich dort jederzeit den Behörden. Ich habe keine Lust, dass die Burschen mir bei lebendigem Leib den Darm aus der Wampe pflücken wie spielende Kinder Veilchen von der Wiese.“
„Tut mir leid, das kann ich nicht machen. Wenn ich Sie entlasse, Thyle, und die Menge stürmt das Gefängnis trotzdem, dann sucht sie sich ein Opfer. Und dieses Opfer bin dann ich. Ganz offen gestanden: Wenn ich zu wählen habe, ob man mir den Nabel durch die Wampe pustet oder Ihnen, dann wähle ich Sie.“
Das war selbstverständlich ein Standpunkt. Wenn auch kein guter und moralisch gerechtfertigter. Aber in dieser Situation war es vollkommen unnütz, mit dem Burschen über philosophische Erwägungen zu sprechen.
Ich beschloss, dem unvermeidlichen Ende mit Fassung ins Auge zu schauen. Aber er stank mir doch von Norden nach Süden. Außerdem hatte ich Angst. Es ist nämlich nicht jedermanns Sache, zu Tode gefoltert zu werden. Meine jedenfalls bestimmt nicht.
Der organisierte Mob von San Luis Cavanilles hatte sich inzwischen heiser geschrien und ein neues Gesellschaftsspiel ausgedacht. Die Bande drängte sich vor dem Tor der Polizeistation zusammen, und Dutzende von Fäusten trommelten wütend gegen das ausgedörrte, mit dicken Nieten verstärkte Holz.
„Es ist dasselbe, wie damals im Jahre fünfunddreißig“, sagte einer der Wärter versonnen. „Zwischen den Schlägen gegen die Türe und ihrem Zusammenbrach waren es genau sieben Minuten und fünfundzwanzig Sekunden. Damals hat man den Mörder Carriago herausgeholt. Es wird Sie, Mr. Thyle, außerordentlich interessieren zu erfahren, was die entfesselte Menge damals mit ihm gemacht hat!“
Mir drehte sich ohnehin der Magen im Leib herum. Ich hätte den saudummen Uhu am liebsten aus dem Anzug gestoßen, aber eine neuerliche Gewalttat konnte meine Lage nicht verbessern.
Ich hörte also, innerlich zitternd, auf den Krach , den die Menge machte und gab mir redliche Mühe, mich innerlich auf meinen bevorstehenden Heldentod vorzubereiten.
In diesem Augenblick höchster Spannung und höchster Gefahr zuckte draußen plötzlich ein Blitz auf, dem ein dröhnender Donnerschlag folgte.