Читать книгу Falsch verbunden, ich bin dein Mörder! 3 Top Krimis - Theodor Horschelt - Страница 32

XII

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Es zeigte sich, dass der Amerikaner genügend Speisevorräte bei sich hatte. Er verfügte über allerlei Büchsenkonserven, etwas Hartbrot, Zigaretten und Schokolade. Auch zu verdursten brauchten wir nicht, denn in dem kleinen See fanden wir Wasser. Wenn es auch einen einigermaßen sonderbaren Geschmack hatte, so tranken wir es doch recht gerne bei der Hitze.

Quälend reihten sich die Minuten zu Viertelstunden und die Viertelstunden zu Stunden. Aber auch der längste Zeitraum geht vorbei, und es wurde trotz unserer Ungeduld Nacht. Wir warteten vorsichtshalber noch eine weitere Stunde, dann zogen wir den Hubschrauber langsam ins Freie.

„Bleiben Sie draußen, bis ich den Motor habe warmlaufen lassen“, sagte Cobb ernst. „Falls irgendwer kommt, dem das nicht passt, dann sind wir solange hilflos, solange der Motor noch kalt ist. Ich kann den Start mit kaltem Motor nicht wagen, denn er wird dann unter Umständen aussetzen, und dann sind wir geliefert. Sechzig Grad Betriebstemperatur ist das mindeste, was ich erreichen muss.“

Es war, wie meist im mexikanischen Hochland, am Abend außerordentlich kühl. Und der Kontrast zu der eminenten Hitze des Tages sehr groß. Ich fröstelte.

Cobb setzte sich auf den Führersitz, hielt eine Tür für mich offen und startete den Motor.

Mit brennenden Augen starrte er auf das Kühlwasserthermometer, und ich bohrte mir bald die Augen aus dem Kopf. Aber es zeigte sich nichts Verdächtiges.

Wenig später nahm Cobb Gas weg und brüllte: „So, Tabs, kommen Sie rein, jetzt kann uns eigentlich nichts mehr passieren!“

Gleich darauf saß ich neben ihm, er gab Gas, ein leises Zittern durchrann den schlanken Körper der Flugmaschine, und wir hoben uns wieder in die Luft.

In einer Höhe von etwa fünfzig Metern drückte Cobb etwas am Knüppel, und der Hubschrauber nahm sofort Vorwärtsfahrt an.

Ich verfolgte die Entwicklung der Geschwindigkeit am Staudruckmesser und erkannte, dass wir mit etwa hundertzwanzig Kilometer vorwärtskamen.

„Zum Donnerwetter, da macht zu Hause mein Auto mehr“, sagte ich zu meinem neuen Freund.

Der lachte sein sympathisches Lachen. „Sie wissen ja, Tabs, es ist der Vorzug der Hubschrauber, an einem Fleck landen und starten zu können und der Nachteil, verhältnismäßig langsam zu sein. Unsere Reisegeschwindigkeit wäre an sich nur einhundert Stundenkilometer. Ich habe sowieso ein Auge zugedrückt und etwas zugegeben, damit wir aus diesem verfluchten Land gut herauskommen.“

„Na schön“, sagte ich. „Sie müssen’s ja wissen!“

Es dauerte auf diese Weise etwas über zwei Stunden, dann ging unser Betriebsstoff erneut zur Neige. Gegen Mitternacht war es glücklich so weit.

Donald Cobb sah auf seine Instrumente und brüllte mir ins Ohr. „Ich kann noch etwa zwanzig Minuten fliegen. Was sollen wir machen?“

Ich hatte die ganzen zwei Stunden des Fluges über versucht, mich an Hand von Landmarken zu orientieren und hielt eine verhältnismäßig gute Karte von Mexiko aus dem Vorrat meines neuen Kameraden auf den Knien.

„Wenn mich nicht alles täuscht“, sagte ich, „dann ist das silberne Band dort vorne der Rio Nazas, der in die Lagunen de Tlahuaiela und de Parras fließt. Wenn ich mich also nicht getäuscht habe dann ist die Stadt Cinco Señores. Und die müsste laut Einzeichnung in der Karte groß genug sein, dass wir genügend Sprit für unseren Wundervogel bekommen.“

„Es bleibt uns nichts anderes übrig, wir müssen in den sauren Apfel beißen“, antwortete Cobb. Er ging noch tiefer, und wir brausten nun in wenigen Metern Flöhe über den Boden. Wir hatten die Absicht, uns irgendwo ein Plätzchen zur Landung auszusuchen, das sowohl einsam und ungestört, als auch nicht so weit entfernt von der Stadt war. Denn wir hatten nicht die geringste Lust, uns einen Bruch an unseren beiden Spritkanistern zu schleppen.

Wir flogen ganz langsam weiter und fanden dann tatsächlich etwa fünf Kilometer vor der Stadt einen sonderbar geformten Berg, an dessen Fuß ein kleines, ödes, steiniges Tal zu erkennen war. Ich war fest davon überzeugt, dass wir dort auf keine Menschenseele stoßen würden.

Wenig später senkte sich unser Vogel und setzte mit einem sanften Ruck auf.

Mit einem ersterbenden Röcheln starb der Motor in seinen letzten Umdrehungen, und um uns war große Stille, die uns, weil sie so ungewohnt war, fast mehr aufregte als das vorherige monotone Geräusch der Maschine.

„Endstation, alles aussteigen!“, sagte ich. „Kanister ausladen. Ich glaube, wir machen uns gleich an die Arbeit.“

Einen Nachteil hatte unser Flugplatz: Es gab nicht die geringste Möglichkeit, unseren Vogel zu tarnen. Wenn es also tatsächlich irgend einem heben Bewohner dieses Landes einfiel, mit seinem Wagen in die Nähe zu fahren und seine Scheinwerfer auf den Hubschrauber zu richten, dann musste er ihn erkennen, und dann saßen wir unter Umständen fest. Denn dass wir gesucht wurden, das bewies uns der Vorfall mit den Flugzeugen. Ich bin zwar berufsmäßiger Optimist, das wissen Sie, aber ich konnte fast nicht glauben, dass es sich bei dieser Begegnung um einen reinen Zufall gehandelt hätte.

Jeder von uns nahm also seinen Kanister auf den Ast, und dann schoben wir in Richtung auf die Stadt Cinco Señores los.

Diese liegt etwas über dem Fluss und ist ein verhältnismäßig blödes Kuhdorf, war aber in dieser besonderen Situation für uns von großer Bedeutung.

„Jetzt kommt eine neue Seite der Angelegenheit“, sagte ich zu Cobb. „Ich kann mit diesem verdammten Gesindel hier einigermaßen spanisch parlieren, aber man merkt mir beim ersten Wort den Amerikaner an. Wie steht es da bei Ihnen?“

Cobb wiegte den Kopf. „Ich habe mich schon früher in Lateinamerika aufgehalten. Ich spreche das Spanische zwar nicht wie ein Mexikaner, aber man wird mich auf keinen Fall für einen Yankee halten, sondern höchstwahrscheinlich für einen Brasilianer oder Argentinier. In dieser Hinsicht habe ich nicht die geringsten Bedenken.“

Wir brauchten ungefähr eine Stunde, bis wir die ersten Häuser der Stadt erreichten. Dann sahen wir im Schein von Cobbs Taschenlampe noch einmal die Karte ein und stellten fest, dass in unserer Gegend keine große Ausfallstraße nach Cinco mündete. Wir mussten uns deshalb weiter ostwärts halten. Dort führte die als Autostraße eingezeichnete Verbindungslinie von Durango nach Cinco Señores. Hier hatten wir jede Chance auf eine Tankstelle zu treffen. Aber unser Anmarschweg vergrößerte sich dadurch auf nahezu sieben Kilometer. Verdammter Shit!

Seufzend schritten wir querfeldein weiter und bemühten uns, die verfluchten mexikanischen Straßenpinscher, die dort frei herumlaufen wie bei uns die Flöhe, nicht zu sehr zu ärgern, denn ihr fürchterliches Gebell musste selbst Tote aufwecken.

Well, wir fanden endlich die auf der Karte eingezeichnete Straße und marschierten neben dieser in einem Feld, um nicht unbedingt gesehen zu werden.

Endlich kamen wir an eine große Tankstelle, an der allerlei bunte Plakate die verlockendsten Versprechungen machten. Aber sie war völlig finster, und wir sahen mit Schrecken, dass man sie bereits außer Betrieb gesetzt hatte.

„Verdammte Zucht!“, flüsterte Donald Cobb leise. „Wie sollen wir jetzt zu dem ersehnten Sprit kommen?“

In diesem Augenblick näherte sich von der Stadt her ein Auto. Wir konnten den starken Motor heulen hören. Die Scheinwerfer fraßen genau ausgemessene Segmente in die finstere, sternlose Nacht, und wir merkten bald, dass dieser Wagen es auch auf die Tankstelle abgesehen hatte.

„Ausgezeichnet!“, sagte ich. „Dieser Wagen wird hier vorfahren und solange Spektakel machen, bis man ihm Benzin gegeben hat. Bei dieser Gelegenheit geht dann die Erfüllung unseres Wunsches in einem Aufwaschen mit hin.“

Ich hatte kaum ausgeredet, als der Wagen tatsächlich in die Garagenauffahrt einbog und mit einem Ruck hielt. Es handelte sich um eine Packard-Limousine mit vier Insassen.

Die Türe öffnete sich, und ein mexikanischer Polizist sprang heraus.

Der machte sofort einen fürchterlichen Spektakel.

Nachdem er etwa fünf Minuten randaliert, gejohlt und gepfiffen hatte, öffnete sich im Wohnhaus ein Fenster, und eine grobe Stimme brüllte: „Hat man denn nicht einmal mitten in der Nacht seine Ruhe? Morgen früh gibt’s wieder Benzin. Schert Euch zum Teufel, verdammte Gringos!“

„Mach keinen Quatsch, José!“, brüllte der Polizist zurück. „Ich muss sämtliche Tankstellen verständigen. Ich habe eben aus Mexiko City einen Funkspruch bekommen; ein Hubschrauber unbekannter Nationalität ist in Richtung Norden gesichtet worden. Sämtliche Tankstellen werden angewiesen, sofort die Polizei zu verständigen, wenn die Hubschrauberbesatzung versuchen sollte, sich Benzin zu verschaffen.“

*


Als wir das hörten, wären wir beinahe vor Schreck auf den Hintern gefallen. Dass damit unsere Flucht ein endgültiges Ende fand, war selbstverständlich.

„He!“, brüllte der Mann im Nachthemd von oben herunter. „Wie zum Donnerwetter soll ich denn einem Menschen anmerken, dass er zu der Besatzung dieses geheimnisvollen Hubschraubers gehört?“

„Das werde ich dir gleich auseinandersetzen! Los, alter Bursche, komm’ runter |und lass mich ins Haus!“ Weitere fünf Minuten vergingen in fieberhafter Hochspannung. Donald Cobb und ich, wir hatten uns hinter den großen Dieselzapfstellen der Tankstelle verborgen und konnten jeden Augenblick entdeckt werden.

Als der Polyp im Inneren des Hauses verschwunden war, hatte ich plötzlich eine Idee.

Ich brachte meine Lippen an Cobbs Ohr. „Jetzt kann uns nur noch beispiellose Frechheit retten, Donald. Tun Sie genau, was ich Ihnen sage: Begeben Sie sich auf Umwegen etwa zweihundert Meter von hier weg und suchen Sie sich einen Standpunkt, von dem aus Sie einen Haken schlagen können wie ein Fuchs. Dann brüllen Sie um Hilfe. Los, fragen Sie nichts, ich weiß ganz genau, was ich tue. Wir treffen uns beim Flugzeug.“

Cobb mochte mich vermutlich für leicht bekloppt halten, aber da er keinen besseren Rat wusste als ich, gehorchte er.

Auf Umwegen setzte er sich von der Tankstelle ab. Zwei bis drei qualvolle Minuten vergingen, und plötzlich brüllte er aus der von mir vorgeschlagenen Entfernung lauf auf mexikanisch: „Hilfe, Hilfe, zur Hilfe, so helft doch! Hilfe!“

*


Die drei wackeren Polypen in dem Polizeiauto spitzten die Ohren. Dann stürzten sie wie die Verrückten aus ihrem Wagen heraus, zogen ihre Kanonen und sprangen in Richtung meines neuen Freundes davon. Die hatte ich fein von ihrem Wagen weggelockt!

Mit einem Sprung war ich bei dem Polizeiauto.

Ich weiß, dass mexikanische Polizeifahrzeuge nach Möglichkeit nicht an öffentlichen Tankstellen tanken sollen und meist ein oder zwei Ersatzkanister Sprit im Kofferraum mitführen. Und auf diesen Sprit hatte ich es abgesehen. Ich öffnete den Kofferraum und warf einen hastigen Blick hinein. Und dann hätte ich mich beinahe vor Vergnügen ins eigene Gesäß gebissen: Vier Kanister lagen hinten drin, und ich konnte mich durch Anheben unschwer überzeugen, dass sie alle voll waren.

Aber wie sollte ich den Segen wegbringen?

Ich beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. Ich sprang in den Wagen, und dann hätte ich beinahe geschluchzt vor Freude. Der Schlüssel steckte.

Sofort drückte ich auf den Anlasser, legte den ersten Gang ein und raste mit gelöschten Lichtem davon.

Cobb musste sich jetzt allein behelfen, mein Plan hatte eine Änderung erfahren.

Ich raste in Richtung der Stadt davon, bog nach Osten aus, fuhr durch ein kleines Flusstal und über eine elende Holzbrücke und raste zu unserem Hubschrauber. Das ganze war lebensgefährlich; denn ich durfte kein Licht machen. Ich hatte aber auch wenig Zeit zur Verfügung, um die Polizisten nicht doch noch auf meine Spur zu bringen.

Fünf Minuten nach dem gelungenen Coup langte ich bei unserem Hubschrauber an. Offenbar war niemand auf die Idee gekommen, dort nachzusehen, ich fand alles so vor, wie wir es vor etwa anderthalb Stunden verlassen hatten.

Hastig lud ich die vier Spritkanister aus und versteckte sie im Schatten des Flugzeuges. Dann setzte ich mich wieder in den Wagen und raste ungefähr drei oder vier Kilometer von unserem Hubschrauber weg. Dort stellte ich den Wagen einfach ab, warf den Zündschlüssel irgendwo in den Dreck, damit man das Car nicht so ohne Weiteres in Betrieb nehmen konnte und kehrte dann auf Schusters Rappen zum Sikorski zurück.

Dann suchte ich den Trichter, den ich bei Cobb gesehen hatte, setzte ihn auf den Einfüllstutzen des Benzintanks und füllte nacheinander die vier Kanister in den Tank, bis mir die Arme vom Halten weh taten.

Endlich war der letzte Schluck in dem unersättlichen Schlund vergluckert. Ich stellte die Kanister fein säuberlich beiseite, verschloss den Tank wieder und wartete der Dinge, die da kommen sollten.

Wir hatten jetzt wieder achtzig Liter Sprit zum Vernaschen. Nach meiner laienhaften Ansicht mussten die ausreichen, um die Entfernung bis zur amerikanischen Grenze zu überbrücken. Ich schätzte die Distanz auf etwa fünfhundert Kilometer.

*


Die nächste Stunde verging in qualvollem Warten. Wenn ich die Dinge heute betrachte, dann hätte ich versuchen sollen, den Sikorski selbst in Betrieb zu nehmen und einfach zu fliehen. Ich habe zwar noch nie einen Hubschrauber geflogen, bin aber ausgebildeter Pilot und hätte es mir eigentlich nach dem, was ich von Cobb gesehen hatte, schon zutrauen können, dieses Ding zu dirigieren.

Aber ich bin eben Zeit meines Lebens ein guter Kumpel gewesen, und ich wollte Freund Donald Cobb nicht im Stich lassen.

Selbstverständlich wartete ich nicht bei dem Hubschrauber selbst, denn ich wollte im Fall einer Entdeckung nicht hopps genommen werden. Deshalb ging ich vielleicht hundert Meter westlich des Standortes hinter einem bizarren Felsen in Deckung und hatte die feste Absicht, notfalls zu Fuß durch ganz Mexiko abzuhauen und die Grenzen der Vereinigten Staaten zu erreichen. Geld hatte ich noch etwas, es musste also auch auf diese Weise möglich sein, in diesem verfluchten Spaniolenland die Mücke zu machen.

Plötzlich legte sich mir schwer eine Hand auf die Schulter. Ich federte herum und gab dem Angreifer einen Kinnhaken, dass seine Zähne in den Halterungen wackelten.

„Aua!“, sagte der Mann. „Sie brauchen mich nicht gleich zu schlagen, Tabs, ich bin es doch, Donald Cobb!“

Falsch verbunden, ich bin dein Mörder! 3 Top Krimis

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