Читать книгу Falsch verbunden, ich bin dein Mörder! 3 Top Krimis - Theodor Horschelt - Страница 34
XIII
ОглавлениеMann, Mann, hatte ich vielleicht eine Freude, endlich mit meinem Kameraden wieder vereint zu sein! Verkörperte er doch für mich in einem feindlichen Land ein Stück echtestes Amerika.
„Menschenskind, ich habe auf Sie gewartet“, sagte Cobb, „und Sie sind nicht wiedergekommen. Wie ist denn die ganze Sache ausgegangen?“
Ich sagte es ihm, und er grinste trocken.
„Sie sind ein gestochener und gehauter Hund, Thyle!“, knurrte Cobb anerkennend. „Ich glaube, Sie sind außerordentlich brauchbar. Und den schwierigeren Part der Arbeit haben Sie auch übernommen. Verdammt noch eins, was werden die Polypen für Augen gemacht haben, als sie plötzlich ihren Wagen nicht mehr vorfanden!“
„Und wie ist es Ihnen gegangen?“, fragte ich leise, während wir zu unserem Hubschrauber zurückmarschierten.
„Nun, ich habe um Hilfe geschrien und ließ dann die Polizisten ziemlich nahe an mich herankommen. Dann setzte ich mich unhörbar ab, schrie erneut um Hilfe, und lockte sie so eine ganze schöne Wegstrecke fort. Als ich dann den Wagen hörte, da wusste ich, was geschehen war und sorgte zunächst einmal für meine eigene Sicherheit.“
„Ich habe achtzig Liter Sprit gefunden“, berichtete ich, „und habe den Sprit schon eingefüllt. Hoffentlich verdaut ihn der Sikorski. Und hoffentlich haben wir jetzt Gelegenheit, unseren Motor in aller Ruhe warmlaufen zu lassen. Die Polizisten werden natürlich wissen, mit wem sie es zu tun hatten, wenn sie nicht ganz dumm sind, und ich bin überzeugt, dass in wenigen Viertelstunden in der Stadt hier die Hölle los sein wird. Man muss doch darauf kommen, dass wir, die gesuchten Hubschrauberflieger, diesen unerhörten Coup gemacht haben.“
„Da haben Sie nicht ganz Unrecht“, antwortete Cobb. „Kommen Sie, wir wollen sofort den Motor anspringen lassen.“
Er setzte sich auf den Führersitz und drückte lange auf den Anlasser. Aber der Motor wollte und wollte nicht kommen.
„Wenn ich jetzt den Schwungkraftanlasser noch einmal betätige, dann ist die Batterie im Eimer“, sagte er. „Kreuzkieseldonnerwetter, ich glaube, die Idee mit dem Fahrzeugbenzin war doch ein Windei!“
Cobb ließ den Schwungkraftanlasser noch einmal kommen, dann schaltete er mit einem entschlossenen Ruck die Kupplung zum Motor.
Diesmal nahm es ihn mit. Fauchend, spuckend, hustend und sprühend sprang der Motor an. Das Automobilbenzin schien ihm gar nicht zu schmecken.
Aber nach vielleicht einer Minute lief er wieder schön rund, und wir konnten darauf warten, dass er warm wurde.
In diesem Augenblick näherten sich uns Stimmen.
*
Ich hatte wieder Wache gestanden und raste nun zu dem Hubschrauber hin. „Mensch, Cobb!“, brüllte ich dem Kameraden ins Ohr. „Geben Sie Gas, sehen wir zu, dass wir hier wegkommen, ich glaube, man sucht uns bereits!“
„Völlig ausgeschlossen! Der Motor ist noch nicht warm genug“, gab Cobb zur Antwort und zeigte verbissen auf das Motorthermometer.
Ich hörte nur noch den Motorenlärm und wusste natürlich nicht, ob die Stimmen näherkamen oder sich entfernten.
Wir warteten noch zwei volle Minuten, und der Zeiger kletterte nur sehr unwillig an der Skala höher und höher.
Plötzlich rasten von allen Seiten Gestalten auf uns los.
Im gleichen Moment kuppelte Cobb die Tragschraube an den Motor und gab Gas. Langsam schwebten wir nach oben.
„Peng, krach!“ Etwas zischte an meiner geradezu klassischen Nase vorbei, und die Plexiglasverklebung des Hubschraubers zeigte zwei saubere Löcher.
„Jetzt aber nichts wie weg!“, meckerte ich. „Sonst ist unser letztes Brötchen gebacken.“
„Das ist gerade noch einmal gut gegangen“, brüllte mir Donald Cobb ins Gesicht. „Haben Sie tatsächlich achtzig Liter eingefüllt? Dann könnte es sein, dass wir zur Not die amerikanische Grenze erreichen. Am liebsten würde ich den Flugplatz von El Paso anfliegen, aber ich glaube, das schaffen wir nicht.“
Ich holte wieder die Karte hervor und versuchte, unsere eigene Lage zu bestimmen. Dann maß ich die kürzeste Entfernung zu den Grenzen der USA.
„El Paso kommt gar nicht in Frage! Wir können, wenn wir Glück haben, die äußerste Südspitze von Texas erreichen. Wenn wir Pech haben, dann fallen wir vorher noch wegen Benzinmangels in den Rio Bravo del Norte. Fliegen Sie so sparsam wie möglich, Cobb. Sonst landen wir doch noch im Heizungskeller.“
Donald Cobb tat sein Bestes und peilte mit dem Hubschrauber das leere und wüste Gebiet zwischen den mexikanischen Provinzen Chihuahua und Goahuila an. Unser Vogel flog jetzt mit nur hundert Kilometer Geschwindigkeit, weil der Motor dabei am wenigsten Sprit brauchte, und wir hatten also wenigstens fünf Stunden Flug vor uns, bis wir einigermaßen in Sicherheit waren.
Zwei Stunden nach unserem Abflug kam hinter uns eine kleine Stadt in Sicht.
„Das muss Escalon sein!“, sagte ich, nachdem ich die Karte abermals studiert hatte. „Wir kommen jetzt an keiner weiteren Stadt mehr vorbei. Wenn Sie Kurs Nord-Nordwest halten, dann müssen wir auf der kürzesten Verbindungslinie zu der amerikanischen Grenze sein. Reißen Sie sich ja am Riemen, dass Sie nicht von unserer Generallinie abkommen, sonst können wir zum Schluss noch irgendwo in der Wüste notlanden und verhungern und verdursten!“
Cobb gab darauf gar keine Antwort.
Weitere vier Stunden vergingen. Ich beobachtete mit dem guten Fernglas meines amerikanischen Freundes rundum, denn wir waren der festen Überzeugung, dass wir von Flugzeugen gesucht würden.
Wie gesagt, für weitere zwei Stunden ging alles gut. Dann sah ich plötzlich hinter uns, vor uns, rechts und links Lichtpünktchen.
„Verdammt noch eins, jetzt ziehen sie uns die Hosen stramm!“, keifte ich. „Was machen wir?“
Mein Begleiter stierte verzweifelt auf die Karte. „Es hat gar keinen Sinn zu landen, man würde uns sehen. Wir haben hier keine Möglichkeit, unsere Maschine irgendwie zu tarnen.“
„Aber es ist doch finstere Nacht?“
„Die Nachtflugzeuge müssen Leuchtbomben bei sich haben. Das Beste wird sein, ich gehe ganz tief, fliege wenige Meter über dem Boden, und wir vermeiden jegliches Licht. Wir dürfen uns nicht mal Zigaretten anzünden.“
„Und das Motorengeräusch?“
„Das Motorengeräusch wird durch die eigenen Motoren der Jagdflugzeuge kompensiert. Auf das Gehör können sich die Leute nicht verlassen.“
Selbstverständlich, daran hatte ich nicht gedacht. Welch eine dumme Frage!
*
Donald Cobb ging tatsächlich bis auf etwa fünf Meter nieder, und wir flogen mit hundert Kilometern Geschwindigkeit über Wüste, Kakteen und Sand. Das machte gleich viel mehr Spaß, denn man hat in Bodennähe das Gefühl der Geschwindigkeit, während man hoch droben in der Luft glaubt, die Flugmaschine bewege sich nicht vom Fleck.
Wir flogen also in aller Ruhe dahin und mussten nur manchmal einen kleinen Felsen überspringen.
Eine weitere halbe Stunde verging. Ich beobachtete immer noch nach allen Seiten, aber die Jagdflugzeuge der Mexikaner zeigten sich immer noch hin und wieder.
Plötzlich wurde die Nacht taghell.
„Verdammter Shit, die Bande hat einen ganzen Ring von Leuchtbomben geworfen!“, sagte Cobb verzweifelt. „Wenn sie uns jetzt nicht sieht, dann verdient sie Prügel!“
Ich sah nach oben. Die Leuchtbomben waren noch etwa zwei Kilometer entfernt. Es bestand also eine geringe Chance, dass man uns nicht sah.
„Dort unten ist eine kleine Siedlung“, sagte ich. „Landen Sie in Gottes Namen, versuchen wir, unseren Hubschrauber dort zu verbergen.“
Es blieb uns tatsächlich nichts anderes übrig. Donald Cobb ging abwärts, und kurz darauf setzten die drei Räder des Flugzeuges knirschend neben einem steinernen Häuschen im Sand auf. Wir hatten uns wieder einmal fürs Erste gerettet.
Um Benzin zu sparen, stellten wir den Motor ab und stiegen aus. Das Flugzeug stand nun ganz still im fahlen Mondlicht, und ich wusste aus meiner Kriegserfahrung, dass es außerordentlich schwer ist, aus der Luft einen völlig bewegungslosen Gegenstand auszumachen. Das ist ja auch der Grund für die erste Regel bei Sichten eines Beobachtungsflugzeuges, jede Bewegung erstarren zu lassen. Der Gegenstand, den der Flieger sucht, ist so lange unsichtbar, er mag nun groß oder klein sein, solange er sich nicht bewegt. Erst in der Bewegung wird er gegen die reglose Unterläge kenntlich.
Die mexikanischen Saftsäcke kamen näher und näher und legten einen zweiten Kranz von Leuchtbomben. Taghell war nun unser eigener Standpunkt erleuchtet. Cobb und ich lagen flach mit dem Rüssel im Sand und rührten uns nicht.
Viele Minuten blieben die Leuchtbomben am Himmel stehen, bis sie allmählich doch noch erloschen. „So, jetzt kann uns überhaupt nichts mehr passieren“, meinte Cobb. „Die Gefahr ist vorüber.“
„Das könnte euch so passen, ihr amerikanischen Schwerverbrecher!“, brüllte plötzlich jemand in fehlerhaftem Englisch hinter mir.
Ich wandte mich um und starrte in die Mündung einer schweren Lugerpistole.
„Hände hoch!“
Was blieb uns schließlich anderes übrig, als die Wolken zu kitzeln?
*
Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Ich sah, dass wir einem einzelnen Beamten gegenüberstanden, der in ein Mittelding zwischen Viehhirtenkluft und Uniform gekleidet war.
Der Bursche war mehr dick als lang und kam langsam auf uns zu.
„Wer sind Sie und wie heißen Sie?“, herrschte er uns an.
„Wir machen überhaupt keine Aussagen“, sagte ich. „Was ist das für eine Art, einen hilflosen Ausländer zu behandeln? Wir befinden uns auf einer Vergnügungsreise durch Mexiko, und überall schmeißt man uns Prügel in den Weg. Ich werde mich beim Fremdenverkehrsverein von Washington über Sie beschweren, wenn ich zurückkomme.“
„Ja, wenn Sie zurückkommen!“, höhnte der Mann. „Aber dazu haben Sie verhältnismäßig wenig Gelegenheit. Wir werden Ihnen Handschellen anlegen und Sie ein ganz klein wenig in Haft behalten. Aha, und hier ist ja der Hubschrauber auch! Genau das, was wir suchen! Seit zwei Tagen geistert ein geheimnisvoller Hubschrauber durch Mexiko, der keinerlei nationale Erkennungszeichen trägt und das Volk und die Regierung aufs Höchste beunruhigt. Und ich, ich habe es nun tatsächlich geschafft, auf meiner weltentlegenen Stellung diesen Feind des Vaterlandes zu stellen!“
Dem Burschen war sein Erfolg zu Kopf gestiegen. Er sah sich vermutlich schon mit seinem leicht verfetteten Kopf auf der Titelseite der großen mexikanischen Zeitungen, er sah schon mit seinem geistigen Auge, wie man ihn beförderte, wie man ihn lobte, wie man ihm eine Belohnung auszahlte und sogar einen Orden verlieh.
Der Bursche hätte unter Umständen tatsächlich sein Glück mit uns machen können. Er hätte nur nicht zur Unzeit elegisch werden dürfen.
Er verdrehte plötzlich die Augen wie ein kichernder Backfisch, den man an der verkehrten Stelle gekitzelt hat und ließ die Pistole ein klein wenig sinken.
Dies gab mir Gelegenheit, blitzschnell zu tauchen, ihm meinen Kopf in den Leib zu rennen, die Pistole zur Seite zu schlagen und dem Burschen mittels eines spanischen Kusses von unten her sämtliche verfaulenden Halszähne aus dem Kiefer zu schlagen.
Der Schuss krachte, und der Mann fiel wie ein vom vom Triebwagen gestreiftes Kleinauto um.
„Motor anlassen, Gas geben! Hier herrscht immer noch dicke Luft!“, zischte ich Donald Cobb zu.
Sekunden später lief endlich der Motor, und wir konnten einsteigen. Warm zu werden brauchte er ja nicht, weil die Betriebstemperatur noch erhalten gewesen war.
Eine halbe Stunde später waren wir über dem Rio Bravo del Norte, der hier Mexiko von dem amerikanischen Staat Texas trennt.
Wenige Meter über dem Wasser fliegend suchten wir das Ufer zu erreichen. Plötzlich setzte der Motor aus. Vermutlich war der Sprit alle geworden.
Beinahe wären wir baden gegangen, aber da setzte der Motor wieder ein, und der Hubschrauber „fing“ sich noch einmal.
Einige bange Minuten verstrichen. Das jenseitige Ufer war von hohen Bäumen gesäumt und Donald Cobb versuchte, diese Baumreihe zu überspringen.
Nun war aber der Sprit endgültig alle. Mit einem ersterbenden Röcheln setzte der Motor aus, und die Schraube lief leer. Der Hubschrauber sackte wie ein Stein aus etwa fünf Meter Höhe ab und knallte genau in ein dichtes Gestrüpp hinein, das seinen Fall wie ein Luftkissen milderte.
Etwas benommen stiegen wir aus der Kanzel. Der Hubschrauber war fast unbeschädigt, nur die Tragschraube und die hintere Steuerschraube abgebrochen.
Wir kletterten auf festes Land und atmeten erst einmal tief auf.
„Verdammt noch eins, was ich in den letzten Stunden geschwitzt hab, geht auf keine Kuhhaut!“, sagte ich. „Wir wollen unsere Rettung feiern. Jetzt kann uns praktisch nichts mehr passieren!“
Und wie reagierte Donald Cobb auf diese markige Rede?
Er zog urplötzlich eine Smith & Wesson, zielte auf meinen an sich so empfindlichen Nabel und brüllte: „Ich bin Major Donald Cobb von der Bundeskriminalpolizei der Vereinigten Staaten. Ich verhafte Sie, Rex Thyle, unter dem dringenden Verdacht, wichtige Pläne der Landesverteidigung gestohlen zu haben!“
Ja, ja, Sie lächeln! Ernst ist das Leben, heiter die Kunst, und am humoristischsten sind amerikanische Polizeibeamte. Ich glaube, schon der große Deutsche Schiller hat das gewusst!
„Ich glaube, Ihnen hat der Gorilla in den Malzkaffee geschielt!“, flötete ich und nahm die Hände hoch; die Pistole war eine nicht zu übersehende Drohung. „Dass Sie ein Polizeibeamter sind, Mr. Cobb, ist außerordentlich interessant. Dass Sie sich meiner bedient haben, um gut aus Mexiko in die Vereinigten Staaten zu kommen, war ein Akt gegenseitiger Hilfeleistung und Kameradschaft. Dass Sie mich aber auf diese Weise auf amerikanisches Gebiet gelockt haben, um mich hier zu verhaften, ist einfach eine Schweinerei und eines Polizeioffiziers nicht würdig. Im Übrigen hätte es mich noch nicht einmal gewundert, wenn Sie mich wegen Mordes an diesem verdammten Pizarro verhaftet hätten. Dass ich jetzt aber plötzlich wichtige Pläne der Landesverteidigung gestohlen haben soll, das finde ich zum Kichern!“
„Ihnen wird das drollige Kichern noch vergehen, Sie Gehirnzwerg!“, gab Cobb zur Antwort und war jetzt ganz Beamter, ganz Würde, ganz Vorgesetzter. „Was sich heutzutage so ein schmutziger, kleiner Privatdetektiv erlaubt, geht auf keine Kuhhaut! Aber Ihnen werden wir das Handwerk nachhaltig legen, mein lieber Mister Thyle. So, vorwärts marsch und nicht gemuckst, sonst schieß ich Sie in den Bauch. Es ist kein Genuss, an einem Bauchschuss in drei Tagen langsam zu verrecken!“
„Das hab ich doch schon einmal gehört? Ich glaube, das war gestern. Da hat dieser Leutnant Ramirez beinahe dasselbe zu mir gesagt. Das Vokabularium der Polypen der ganzen Welt scheint ein außerordentlich beschränktes und gleichförmiges zu sein.“
„Halten Sie keine Volksreden, sonst tret’ ich Sie in den Arsch!“, sagte Cobb gebildet.
Jetzt zog ich es vor, den Mund zu halten. Es hat ja schließlich keinen Sinn, sich mit der Staatsgewalt abzustreiten.
Wir marschierten also auf einem elenden Weg in das Vorgebirge von Guadeloupe hinein, und mir stank er von Norden nach Süden. Kurz nach Tagesanbruch trafen wir auf einem elenden Karrenweg auf einen Jeep mit Grenzpolizisten, und die machten uns in ihrem Vehikel bereitwillig Platz.
Gegen neun Uhr morgens trafen wir in Presidio ein, einer kleinen Stadt von vielleicht zehntausend Einwohnern, dicht an der Grenze.
Es war das blödeste Kuhdorf, das ich je in meinem Leben gesehen hatte und ungefähr dreimal so tot wie ein. Friedhof von zehntausend Quadratmetern.