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7. Kapitel

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Seit Jahren versuchte der Ort Peining, sich der Verstädterung und Flächenversiegelung entgegenzustellen. Im Niemandsland zwischen ländlicher Idylle und den suburbanen Schlafstädten Münchens gelegen, wurde es in der Mitte vom gleichnamigen Fluss durchschnitten, der den Ort in eine Nord- und eine Südstadt teilte, deren Bewohner sich seit jeher aus dem Weg gingen. In Adas Kindheit hätte der Fluss genauso gut eine Landesgrenze oder eine tiefe Schlucht sein können, der Effekt wäre derselbe gewesen, obwohl die Peining an ihrer breitesten Stelle kaum zehn Meter maß und von mehreren Brücken überspannt wurde.

Nordpeining und Südpeining trennten Welten. In der örtlichen Grundschule trafen sich zwar die Kinder, doch man blieb unter sich und von Adas wenigen Freunden hatte kaum einer in der Nordstadt gewohnt. Selten wurden gemeinschaftsstiftende Bauprojekte verwirklicht, weil jeder Ortsteil das neue Rathaus, die neue Feuerwehr oder den neuen Spielplatz auf seiner Seite des Flusses haben wollte. So blieb Peining ein seltsam seelenloser Ort, der zwar nach wie vor viel Natur, sonst aber nicht viel zu bieten hatte. Und die interne Rivalität war nur die Spitze des Eisbergs. Zwischen den Gewerbegebieten der Nachbarorte, mit ihren Lidls und Aldis für tausende Einkäufer, hatte sich kein ortseigenes Lebensmittelgeschäft behaupten können. Das lokale Gewerbe beschränkte sich auf einen Friseur, einen Baumaschinenverleih und einen Laden für Blumen und Friedhofszubehör. Vor zehn Jahren hatte es hier noch einen kleinen Supermarkt gegeben, dazu einen Metzger und eine Bäckerei, in der man für 20 Cent einzeln verpackte Schokoladenstücke kaufen konnte. Heute war davon nichts mehr übrig.

Die meisten alten Bauernhäuser waren Doppelhäusern oder schicken Landhäusern gewichen. Boden war kostbar und Wohnraum begehrt. Die Bauern waren unter dem anhaltenden Bauboom reich geworden, doch der Ort und vor allem die Südstadt, in der Adas Elternhaus stand, wirkte auf sie seit Jahren entkernt. Es gab keinen Grund mehr, zum Kirchplatz zu spazieren, wo sich vormals besagte Geschäfte befunden hatten. Jetzt gab es hier nur noch den Wertstoffhof, das alte Rathaus und einen einsamen Bankautomaten, der mit seinem zerkratzten Display und den von der Dorfjugend abgeschabten Knöpfen wie ein Urtier aus grauer Vorzeit wirkte. Längst schon funktionierte er nicht mehr, doch niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihn abzubauen. Die einzigen Touristen, die Peining besuchten, waren Leute, die die Abzweigung zur Keltenschanze verpasst hatten, die einige Kilometer weiter nördlich in einem Waldstück lag und gelegentlich von Wanderern, Hobbyarchäologen oder Schulklassen besucht wurde. Auch der König hatte darauf bestanden, dass die vierten Klassen seiner Schule einmal im Jahr einen Ausflug zu diesem bedeutenden regionalen Geländedenkmal machten. Er begeisterte die Schüler mit Geschichten von Keltenfürsten wie Vercingetorix oder der Dame von Vix. Doch nach dem Ausflug waren die meisten enttäuscht. Denn anstatt verborgener Schätze und spannender Burgruinen gab es nur einen Rundweg auf dem Kamm der Schanze, die so niedrig war, dass sie nicht mal zum Schlittenfahren getaugt hätte.


An der S-Bahnstation von Peining hatte das einzige Taxi im Ort offenbar genau auf Ada gewartet, denn als der Fahrer sie kommen sah, nickte er ihr freundlich zu, trat seine Zigarette aus und stieg ein. Als er sie an der angegebenen Adresse absetzte, fragt er mit Blick auf die Krücken: »Kommen Sie klar?«

»Danke, das geht schon. Ist schlimmer, als es aussieht.«

Eine Sekunde schien er irritiert, dann lachte er und Ada grinste ebenfalls. Er war auch einer von denen, dem seine Freunde stets »Gut« antworteten.

Sie stieg aus und ließ das Taxi abfahren. Direkt neben der Straße fiel das Gelände ab und mündete nach einigen Metern in die Peining, die sich hier gemütlich entlangschlängelte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite erhob sich eine Anhöhe, die gute fünfzehn Meter über die restliche Stadt ragte und dort nicht nur dem Haus, sondern auch einem ausladenden Garten Platz bot. Adas Vater bezeichnete den Hügel und das darauf errichtete Haus nicht umsonst als seine Burg und erzählte staunenden Besuchern nur halb im Scherz, er halte diese Lage für strategisch günstig und durchaus standesgemäß.

Jetzt wirkte das Haus seltsam verlassen und bedrohlich. Es hockte da oben auf dem Hügel und wartete auf sie, lauerte wie ein Raubtier, das seine Beute nahe genug herankommen lassen wollte. Ada verdrängte die düsteren Gedanken und humpelte langsam die Auffahrt empor. Was auch immer in diesem Haus gewesen war, welche Erinnerungen und Lebensabschnitte sie damit verbunden hatte, würde für immer dahin sein, sobald sie den Schlüssel im Schloss gedreht und den Fuß über die Schwelle gesetzt hatte. Bisher war sie nur das Kind gewesen, nur die Tochter des Königs, nur die zweite in der Erbfolge. Jetzt war es an ihr, die Herrschaft über das Haus zu übernehmen – ob sie wollte oder nicht.

Doch Ada blieb nichts anderes übrig, als hineinzugehen, wenn sie nicht die Nacht auf der Türschwelle verbringen wollte. Ein fernes Grollen am sternlosen Himmel kündigte ein aufziehendes Gewitter an.

Als sie eintrat, geschah überhaupt nichts. Nur die Tür fiel etwas zu fest ins Schloss und Ada erschrak, weil das Echo im leeren dunklen Haus unerwartet laut hallte. Der Impuls, »Hallo, Papa!« zu rufen, rotierte in ihrer Kehle, doch sie unterdrückte ihn gewissenhaft. Langsam schritt sie durch den Flur und betätigte jeden Lichtschalter in ihrer Nähe.

Als es hell genug war, rief sie: »Juro!«, woraufhin aufgeregtes Schnurren erklang, und leichte Sohlen eilig über die Treppenstufen nach unten trippelten. Der Kater ihres Vaters kam um die Ecke und schmiegte sich sofort mit dem Kopf an ihr Schienbein. Juro war fast komplett schwarz mit einem weißen Fleck am rechten Hinterbein. Seine ganze Statur war gedrungen, die Beine verkrümmt und etwas zu kurz geraten. Genau deshalb hatte ihr Vater den kleinen Kater behalten, als er ihm eines Tages zugelaufen war. »Ich hätte mir niemals eine Katze zugelegt«, hatte er gesagt. »Aber Juro ist keine normale Katze. Er ist ein Außenseiter und hat gewusst, dass er bei mir sicher ist. Zusammen sind wir ein gutes Team.«

»Na, Juro, warst du einsam?«, fragte Ada. Der Kater schnurrte in einem fort und strich um ihre Beine. »Komm, ich mach dir Futter.«

Sie hinkte vorsichtig in die Küche, immer darauf bedacht, nicht über den liebesbedürftigen Kater zu stolpern. Juro war normalerweise nicht so anschmiegsam, hielt sich eher im Hintergrund und erlaubte nur dem König, ihn zu streicheln. Doch die zwei Tage Einsamkeit hatten ihn wohl anspruchsloser werden lassen.

In der Küche fand Ada das übliche Chaos vor, in dem ihr Vater zu leben pflegte und das – wie er selbst oft sagte – einem König höchst unwürdig war, doch er sah keine Notwendigkeit, sich darum zu kümmern. »Wozu soll ich putzen, außer mir ist doch sowieso niemand da; und mich stört es nicht.«

Immerhin war das meiste auf dem Geschirr eingetrocknet und nicht in der Spüle eingeweicht und dann vergessen worden.

Als Ada noch klein gewesen war, hatte er sich manchmal einen Spaß daraus gemacht, mit ihr verrückte Gerichte zu kochen. Er kündigte Spaghetti mit Tomatensoße an und sie durfte eine besondere Zutat bestimmen. Manchmal waren es Gummibärchen, manchmal Leberwurst. Adas Mutter hatte oft geschimpft, wenn sie nach einem harten Arbeitstag in der Firma die mysteriöse Pampe essen musste. Und dann hatten Ada und der König gelacht und erzählt, wie das Rezept zustande gekommen war. Irgendwann hatten sie damit aufgehört. Ada konnte gar nicht mehr sagen, wann. Seitdem gab es nur noch Essen, das er schnell und unkompliziert zubereiten konnte.

Ada schob großzügig Teller, Töpfe, Dosen und aufgerissene Verpackungen zur Seite und stellte so viel Geschirr in die Spülmaschine, wie hineinpasste. Den Inhalt der Obstschale warf sie bis auf drei Walnüsse in den Mülleimer, genauso die fertig gekochten Nudeln, die sich in einem Topf in eine glitschige Masse verwandelt hatten. Dann nahm sie Juros Fressnapf, der blitzblank geleckt worden war und die leere Wasserschale und füllte beides auf, woraufhin sich der Kater gierig auf sein Futter stürzte. Beim Abspülen der Gläser sah sie ihm eine Weile zu, wie er die weichen, braunen Brocken in sich hineinschlang: Fleischbrei und undefinierbare Schlachtabfälle, mit Aroma versetzt, damit es die Herrchen und Frauchen appetitlich fanden. Ada hatte oft genug Katzenfutter probiert, um zu wissen, dass Geruch und Geschmack nichts miteinander zu tun hatten. Doch Juro schien es zu mögen.

Ein Blitz zuckte durch den Garten und tauchte alles für einen Sekundenbruchteil in beinweißes Licht. Kurz darauf rollte Donner über das Dach. Juro erstarrte mit spitzen Ohren und aufgestelltem Schwanz.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte Ada beruhigend. »Das Gewitter kann uns nichts anhaben. Hier sind wir sicher.«

Er schien ihr zu glauben, denn sofort widmete er sich wieder seinem Futter und schlang es bis zum letzten Geleewürfel hinunter. Nachdem er fertig war, löschte Ada das Licht in der Küche und machte es sich im Wohnzimmer bequem. Hier war das Chaos etwas weniger immanent, doch man konnte erahnen, dass ihr Vater in naher Zukunft keinen Besuch erwartet hatte – abgesehen von Ada, aber für sie räumte er niemals auf. Auf dem Sofa lag eine zerknüllte Decke, ein angebissener Schokoriegel auf dem Boden darunter. Auf dem Glastisch vor der Couch stapelten sich benutzte Teller, Pizzadeckel, eingetrocknete Wurstscheiben, ein schwitzendes Stück Käse, eine leere Dose Mais, drei halb volle Flaschen Limonade und ein Glas Bier, in dem drei Fliegen den Tod gefunden hatten. Ein Block Butter glänzte weich und gelb in seinem aufgefalteten Glanzpapier. Pfotenabdrücke und Leckspuren deuteten darauf hin, dass Juro noch einige Zeit durchgehalten hätte, falls Ada sich nicht an ihn erinnert hätte. Sie räumte das alte Geschirr zusammen, las die Essensreste von Tisch und Boden auf, wischte einmal mit ein paar Küchentüchern über die Glasoberfläche und ließ sich seufzend auf die Couch sinken. Ihr Knie meldete sich und erinnerte sie daran, dass sie sich schonen sollte. Doch irgendetwas stimmte nicht mit dem Sofa, da war etwas kleines, rundes Hartes. Ada tastete unter ihr Gesäß und zog eine Walnuss hervor.

In diesem Moment fielen die Krücken, die sie an die Couch gelehnt hatte, polternd zu Boden. Ihr Herz verdoppelte augenblicklich seine Schlaggeschwindigkeit und Juro floh unter das Sofa. Sie legte die Walnuss auf den Glastisch und lehnte sich zurück. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich vorstellen, dass ihr Vater neben ihr saß. Die Decke und die Kissen rochen nach ihm – stark, aber nicht unangenehm. Hier hatte er den Großteil seiner Freizeit verbracht. Auf der Couch vor dem Fernseher: Talkshows gucken oder Flugzeugträgerdokus auf Phoenix: »Diese 230.000 Tonnen schwere schwimmende Stadt kann zwanzig Flugzeuge, drei Helikopter und fünf U-Boote transportieren. Die Mannschaft von 3000 Soldaten arbeitet im Schichtbetrieb, um 24 Stunden einsatzbereit zu sein. Dazu müssen die Köche an sieben Tagen die Woche 63.000 Mahlzeiten zubereiten, die zusammen 44 Tonnen wiegen und einen Müllberg von zwanzig Kubikmetern erzeugen. Doch das alles ist nichts im Vergleich …« Ada hasste diese sogenannten Dokumentationen, in denen mit möglichst vielen Zahlen interessanter Inhalt suggeriert werden sollte. Doch ihr Vater hatte sich das gerne angesehen, genauso wie Filme über mögliche Weltuntergangsszenarien und Naturkatastrophen. Nicht selten hatte er Ada im Anschluss aufgeregt angerufen, und sie hatte gleich an seiner besorgten Stimme erkannt, dass er wieder etwas über den Vulkan im Yosemite Nationalpark oder die drohende Gefahr durch unentdeckte Asteroiden gesehen hatte. Für sich selbst sah er keine Bedrohung, aber er war sich sicher, dass seine Tochter eines Tages ein solches Unglück würde miterleben müssen.

Im Gegensatz dazu waren ihm die tatsächlichen, viel näher liegenden Probleme gering erschienen. Die Schule? Nicht so wichtig. Das Studium? Ein Klacks! Die Arbeit? Kenn ich alles! In Liebesdingen solle sie vorsichtig sein, hatte er gesagt, da könne man sich leicht die Finger verbrennen. Aus eigener Erfahrung wisse er, wie blöd sich die Männer benähmen, aber die Frauen seien keinen Deut besser, es sei also kein Wunder, dass die beiden Geschlechter es nicht zusammen aushielten. Ada solle sich glücklich schätzen, wenn sie einen einigermaßen anständigen Mann erwischen würde.

Ada erwischte einige Männer an der Uni und ein paar Kollegen, die an denselben Projekten wie sie arbeiteten. Keine langen, festen Beziehungen oder Männer, bei denen sie je das Bedürfnis verspürt hätte, »lass uns Freunde bleiben« zu sagen, doch davon erzählte sie ihrem Vater lieber nichts. Auch davon, wie sie vor zwei Jahren, anstatt befördert, fast gekündigt worden wäre, hatte sie nichts erwähnt. Ihr Vater wusste sowieso nicht, was für Aufgaben sie in welchen Projekten übernahm. Wenn er fragte: »Und, wie läufts bei den Kunden?«, antwortete sie stets: »Gut«, und das genügte ihm. Vielleicht hätte sie doch mehr erzählen sollen. Vielleicht hätte es ihn sogar interessiert?

Ada starrte auf die schwarzen bodentiefen Fenster, die das Wohnzimmer umrahmten und dann auf den ebenso schwarzen Fernseher. An der Wand dahinter war der Kachelofen. Sie könnte ein Feuer entzünden, um es ein bisschen gemütlicher zu haben. Aber es war kein Feuerholz da, und mit den Krücken war es ihr zu mühselig, welches von draußen zu holen. Die Walnüsse, die in einem Weidenkorb neben dem Sofa standen, konnte man nicht verheizen, das wusste sie. Einmal hatte ihr Vater es versucht und ihr mit Schrecken erzählt, wie die explodierenden Walnüsse einen Sprung in das Schutzglas geschlagen hatten. Nein, der Ofen war heute nichts für sie.

In Hotelzimmern war sie oft allein, ohne sich einsam zu fühlen. Hier im Haus jedoch schien sie Kilometer von jeder menschlichen Seele entfernt. Dieses Haus, das ihr so vertraut und ohne ihn doch so fremd war, steckte voller alter Erinnerungen und Gefühle, deren Mischung ein ganz eigenes Lebensgefühl verströmte. Ihre früheste Erinnerung betraf ein Weihnachtsfest, an dem sie staunend vor dem riesigen Baum gestanden hatte, der an Heiligabend, mit echten Kerzen bestückt, wie ein Wunder leuchtete. In diesem Wohnzimmer hatte sie gespielt und getanzt, die Terrakottafliesen mit Wasserfarbe bemalt und furchtbar Ärger bekommen. Hier hatte sie ihre Playmobil-Ritterburg aufgebaut und auf dem Boden sitzend ihre Lieblingsbücher gelesen. Manchmal hatten sie abends zusammen auf der Couch – einer anderen Couch mit einem anderen Bezug, aber doch irgendwie diese Couch – gesessen, in kleine Quadrate geschnittene Brote gegessen und die Tagesschau geguckt. Noch heute musste Ada bei der Titelmelodie an Wurstbrot denken. Einmal hatte sie ihre Eltern sogar überreden können, im Wohnzimmer ein Lager aufzuschlagen und dort zu übernachten. Sie hatten sich in ihre Schlafsäcke gezwängt und mit der Taschenlampe die Astlöcher der Holzbalken an der Decke gezählt, und Ada hatte sich vorgestellt, dass sie in Wirklichkeit die letzten Überlebenden einer Weltraummission waren und unter sich einen neuen Planeten entdeckten. Doch dann hatten sich die Eltern erst getrennt, dann scheiden lassen und alles war anders geworden. Alles hatte einen bitteren Beigeschmack bekommen.

Ada sah nach oben und fühlte den massigen leeren Raum um sich herum, denn die Decke war hoch – sehr hoch. Ihre Eltern hatten das Haus selbst gebaut. Der König liebte große, großzügige Räume mit vielen Fenstern und offenen Türen … es sollte alles hell sein, es sollte viel Platz zum Atmen da sein. Doch je älter Ada geworden war, desto häufiger hatte sie sich einen Ort gewünscht, an dem sie sich mal verkriechen konnte, ein Zimmer, das einen Schlüssel hatte und in dem sie eigenen revolutionären Gedanken nachhängen konnte. Doch der König wollte sein Reich im Auge behalten. Das war schon in Adas Kindheit so gewesen und so war es geblieben.

Als sie ihren Blick über die drei an das Wohnzimmer angeschlossenen Räume schweifen ließ, standen alle Türen wie immer offen, obwohl sie sicher war, dass ihr Vater nur eines der Zimmer in den letzten Wochen betreten hatte, nämlich sein altes Arbeitszimmer, in dem er viel Zeit verbrachte, obwohl er schon seit einem Jahr keine Unterrichtspläne, Beurteilungen oder Disziplinarverfahren mehr organisieren musste. Das Schlafzimmer mit den durchgelegenen Betten benutzte er so gut wie nie, weil er lieber auf der Couch schlief. Das Gästezimmer stand sowieso leer und die Abstellkammer bot gerade genug Platz für zwei uralte Staubsauger und Juros Kratzbaum, dessen Fuß vor einem Jahr abgebrochen war und den ihr Vater notdürftig mit einem Holzbrett und drei Nägeln repariert hatte. Eigentlich gab es viel Platz. Genug, um Freunde, Familie oder Gäste zu empfangen. Doch Adas Vater hatte sein Reich meist in Einsamkeit regiert. Von dieser Couch aus. Mit einem Wurstbrot in der Hand und dem kurzbeinigen Juro auf dem Schoß.

König und Meister

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