Читать книгу Lockvogel - Theresa Prammer - Страница 12

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Verdammt. War sie paranoid? Oder wurde sie wirklich verfolgt?

Kaum war Toni aus Brehms Detektei getreten, hatte sie wieder dieses Gefühl. Als würde sie beobachtet. Sie drehte sich um, sah hoch zu den Fenstern. Vielleicht war es ja Brehm? Nein, das war nicht möglich, sein Büro befand sich doch im Hinterhaus. Sollte sie zu ihm zurück und es ihm sagen? Und was dann? Wenn Brehm – so wie Lena – auch niemanden entdecken konnte?

Toni sah sich um. Die Straße war menschenleer. Und wenn nun irgendwer in einem Auto saß und sie beobachtete? Dann würde er oder sie ihr nachfahren. Also entschied sie, einen Umweg zur U-Bahn zu nehmen, und versuchte, so unauffällig wie möglich bei jeder Gelegenheit hinter sich zu blicken.

Aber niemand von den Leuten hinter ihr schien sie zu beachten. Und da war auch kein Auto, das sie verfolgte.

Trotzdem. Das Gefühl blieb.

Als Tonis Handy läutete, zuckte sie zusammen.

„Hey, ist alles okay?“, fragte Lena, nachdem sie geantwortet hatte. „Du klingst gestresst. Ist was vorgefallen in der Detektei?“

„Nein, ich meine, ja … ich … sorry, es ist nur gerade wieder komisch.“

„Verfolgungswahn?“ Lena lachte, aber als Toni nicht einstimmte, wurde sie ernst. „Weißt du was? Ich komm zu dir nach Hause und bring Pizza, okay?“

Toni nahm das Angebot dankbar an.

In der U-Bahn nach Hause googelte sie, was Lena so salopp ausgesprochen hatte:

Verfolgungswahn kann als Erscheinungsbild einer affektiven Störung im Rahmen einer Psychose auftreten. Auslöser können psychische Erkrankungen sein. Aber auch traumatische Erlebnisse, bei denen Betroffene das Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht erleben, wurden bei neuesten Studien als nicht pathologische Ursache festgestellt. Besonders häufiges Auftreten scheint es bei Zuständen der Überforderung …

Toni musste nicht weiterlesen. Sie ließ ihr Handy sinken. Hilflosigkeit, Ohnmachtsgefühl, Überforderung. Besser konnte Doktor Google ihre derzeitige Situation gar nicht beschreiben.

„Du sollst sicher mit dem Steiner vögeln.“

Lena strich sich schwungvoll eine ihrer roten Locken aus der Stirn und zuckte mit den Augenbrauen.

Toni verschluckte sich am Rotwein. Nach dem ersten Glas war sie bedeutend ruhiger geworden. Vielleicht war es aber auch Lena, die ihr versichert hatte, dass sie nicht am Durchdrehen war, sondern einfach nur wieder die Kontrolle über die Situation bekommen musste, in die sie Felix manövriert hatte. Wäre diese Ansage von jemand anderem gekommen, hätte Toni daran gezweifelt. Aber bisher hatte sich ihr Verdacht, verfolgt zu werden, tatsächlich noch kein einziges Mal bestätigt.

Hustend winkte sie ab, doch Lena grinste nur.

Das war typisch für Lena: Sie verband liebend gerne jedes Thema sofort mit Sex. Dabei war sie erstaunlich zurückhaltend, wenn ein Verehrer mehr von ihr wollte als nur ihre geistige Zuneigung. Als gäbe es zwischen Lena und Sex eine Art Hassliebe.

„Natürlich sollst du das.“ Lena nickte. „Wenn seine Frau glaubt, dass er fremdgeht, dann bist du der perfekte Lockvogel.“

„Was für ein Lockvogel?“

Lena tippte etwas in den Laptop auf dem Couchtisch vor ihnen und stieß einen Pfiff aus. „Noch nichts davon gehört?“ Sie drehte den Bildschirm zu Toni.

Auf dem Display war die Startseite einer Agentur zu sehen, die mit höchster Diskretion warb. Ein Fenster mit der Frage, ob man über achtzehn Jahre alt sei, ploppte auf.

„Das boomt gerade.“

Lena klickte auf Bestätigung, und eine ganze Seite voller gesichtsverpixelter schlanker Frauen in sexy Outfits erschien. Darunter standen ihre Vornamen und das Alter: Janine, 25. Emilia, 31. Lucia, 21. Es hatte etwas von einer Vermittlungsagentur.

„Ein Lockvogel findet heraus, wie treu das Herzibinki ist“, erklärte Lena. „Offiziell wird nur geflirtet, um zu schauen, wie weit jemand geht. Kein Sex. Bei genug Beweisen bricht man den Kontakt wieder ab. Das klingt jetzt mal nicht so schwer.“

„Wie kommst du darauf?“

„Na, ist doch logisch: Die Steiner hat gesagt, sie will wissen, ob ihr Mann treu ist, oder?“

„Ich glaube schon, ja. Ich mein, sie hat dann ja auch #MeToo erwähnt …“

„Aber du hast doch gesagt, es war nur ganz beiläufig und dann auch kein Thema mehr. Oder?“

Toni nickte. „Genau.“

„Also, sie hat nicht gesagt ‚Finden Sie heraus, mit wem mein Mann eine Affäre hat!‘ oder ob er in irgendwelche #MeToo-Vorwürfe verstrickt ist, richtig?“

„Nein, hat sie nicht. Es scheint eher irgendwas mit ominösen Unterlagen zu tun zu haben. Aber Brehm ist ja dann sehr schnell zusammengebrochen … keine Ahnung, was dahintersteckt.“

„Gut. Gehen wir mal davon aus, es geht tatsächlich um seine Treue. Ich Superbrain hab jedenfalls mal ein bisschen im Netz recherchiert. Und wenn man zwei und zwei zusammenzählt … voilà, machst du dich an den Steiner ran. Und wenn er dir an die Wäsche will, hat die Ehefrau den Beweis. Ich glaub, das könnte ich auch. Eigentlich ein cooler Nebenjob. Auf jeden Fall besser, als im Café zu kellnern.“

Toni lachte auf und schüttelte den Kopf.

„Eine Schauspielstudentin, die sich an einen berühmten Regisseur ranmacht, der zufällig gerade eine Serie dreht … wie originell. Außerdem: Würde sie so was wollen, wäre sie doch sofort zu einer dieser Agenturen gegangen.“

Lenas Fantasie schien mal wieder mit ihr durchzugehen. Toni klappte den Laptop zu und langte nach einem Stück kalter Pizza Funghi.

„Aber du hast doch gesagt, Brehm ist so drauf abgefahren, als er erfahren hat, dass du Schauspiel studierst. Das heißt natürlich, du sollst so tun, als wärst du wer anderes.“

Wenn Toni an die vielen Anzeigen auf Brehms Schreibtisch dachte, weil er unqualifiziertes Personal eingesetzt hatte, dann klang Lenas Theorie vielleicht doch nicht ganz so weit hergeholt. Aber machten Privatdetektive so etwas überhaupt? Gehörten Beschattungen nicht zu deren Hauptgeschäft? Stundenlanges Auf-der-Lauer-Liegen in irgendwelchen Autos?

Als könnte Lena ihr die Skepsis ansehen, klappte sie den Laptop wieder auf, tippte und drehte Toni den Bildschirm voller kleiner Alexander Steiners zu. Der Regisseur war nicht schlank, aber auch nicht dick. Toni konnte sich nicht entscheiden, ob er ihr sympathisch war oder nicht. Auf den meisten Fotos trug er dunkle Anzüge, weiße Hemden, dazu dunkelblaue Nike-Sneaker.

„Diese Nikes liebt er. Nur unter Androhung von Gewalt trägt er andere Schuhe. Das ist doch süß.“ Lena schenkte sich Merlot nach.

„Woher weißt du das, hast du ihn mal kennengelernt?“

„Nein, ich hab ein bisschen im Netz nachgelesen, weil ich mich für diese neue Serie, die er gerade dreht, beworben hab.“

„Und?“

Lena stieß ein Lachen aus.

„Ich hab die Hauptrolle, was sonst? Ich wurde nicht mal zu einem Casting eingeladen. Aber, was nicht ist …“

Sie waren beide im ersten Studienjahr, aber was Ehrgeiz und Karriereplan betraf, war Lena Toni weit voraus. Was vielleicht auch daran lag, dass Lena drei Jahre lang vergeblich Aufnahmeprüfungen an der Schauspielschule absolviert hatte, bis sie aufgenommen worden war. Während Toni zuerst ein Semester Medizin studiert hatte, bis ihr klar geworden war, dass es nicht das Richtige für sie war. Dann war Jus dran, aber das langweilte sie rasch. Psychologie fand sie zumindest teilweise interessant. Doch die ganze Zeit war dieses drängende Gefühl geblieben, dass noch etwas anderes auf sie wartete. Mehr aus Spaß hatte Toni die Aufnahmeprüfung gemacht. Gleich beim ersten Anlauf hatte es geklappt.

Sie wusste selbst, dass es reine Glückssache war. So viele Faktoren zählten dazu: Welcher Typ wurde gesucht? Hatte man die richtigen Monologe fürs Vorsprechen gewählt? Und trotzdem: Endlich hatte Toni das gefunden, was sie wirklich wollte. Als hätte sie vorher all diese Umwege nehmen müssen, um das zu erkennen.

„Weißt du sonst noch etwas über Steiner?“, fragte Toni.

„Natürlich. Er war auf der Filmakademie in Wien. Ist der Einzige aus seinem Jahrgang, der erfolgreich wurde. Seine Kinofilme waren sogar international auf Festivals, aber das viele Reisen war nicht seins. Deshalb arbeitet er seit ein paar Jahren fürs Fernsehen. Vor allem in Russland ist er eine ganz große Nummer.“ Sie schnalzte mit der Zunge. „Die stehen voll auf seine Filme, finanzieren die mit, darum ist er dort einer der erfolgreichsten Regisseure, und auch das Budget kann sich sehen lassen. Na, kein Wunder, dass er in Österreich so auf Händen getragen wird, der muss ja jede Menge Kohle bringen.“

„Und privat?“

Lena hob die Schultern. „Ich hab nix gefunden. Keine Skandale, kein Streit. Aber das muss nix heißen. Über Woody Allen hat man auch jahrelang nix gefunden. Auf jeden Fall soll es super sein, mit ihm zu arbeiten, darum wollen das auch alle.“

„Mit wem jetzt, mit Steiner oder Woody Allen?“

„Wahrscheinlich mit beiden, aber ich red vom Steiner. Und er hat echt viele spätere Stars entdeckt, als sie erst ganz am Anfang standen. Den Thiel und die Ferry zum Beispiel, mit denen dreht er auch gerade wieder.“ Lena stieß ein tiefes Seufzen aus.

„Stimmt, was ist das noch mal genau?“, fragte Toni.

Lena tippte erneut, und ein Zeitungsartikel erschien. „Hier. Das Foto ist von der Kostümprobe mit den beiden. Ich hätte da fabelhaft reingepasst.“

„Das kommt alles. Dir steht noch Großes bevor“, sagte Toni und meinte es auch so. Lena grinste und nahm einen Schluck Rotwein.

Auf dem Foto war Steiner vor einer vollbeladenen Kleiderstange neben einem großen Mann mit schiefer Nase in Nazi-Uniform und der hinreißend schönen Anna Ferry in einem schäbigen braunen Mantel zu sehen. Darunter wurde Steiner zitiert: Ich geb es nicht gern zu, aber ich bin ein Arbeitstier. Das klappt aber nur dank meines Teams, das ich von Filmset zu Filmset schleppe. Wir sind quasi beruflich miteinander verheiratet.

Toni scrollte runter zu einem weiteren Foto: Steiner in seinem gewohnten Outfit auf dem roten Teppich, daneben eine Frau mit strahlendem Lächeln in einem hautengen mitternachtsblauen Abendkleid mit sehr hohem Beinschlitz auf schwindelerregenden High Heels. Lena stieß einen anerkennenden Pfiff aus.

„Wow, wer ist denn der scharfe Zahn?“

Die Frau auf dem Foto war zwar noch aufgebrezelter, aber zweifellos dieselbe Person, der Toni vor ein paar Stunden bei Edgar Brehm über den Weg gelaufen war.

„Das ist Sybille Steiner“, sagte sie.

„Echt? Na bumm. Die hat doch mal ganz anders ausgesehen.“

Lena tippte ihren Namen in die Bildersuche. In bunten Sakkos über tief ausgeschnittenen Shirts und Skinny Jeans tauchte Steiners Ehefrau auf unzähligen Fotos von Charity-Events für Frauen und Kinder und bei Nobelboutique-Eröffnungen auf. Außerdem in bonbonfarbenen und kurzen Cocktailkleidern bei diversen Spendengalas, stets ein Champagnerglas in der Hand. Sie war immer sexy gekleidet, aber gerade nur so sehr, um nie geschmacklos zu wirken.

„Ein bisschen wie auf dem Präsentierteller“, sagte Lena.

Es war eindeutig: Sybille Steiner hatte einen fixen Platz in der Wiener High Society.

„Da. Klick den Link zum Video mal an“, bat Toni.

Sybille Steiner erzählte einer begeisterten Moderatorin, wie sie vor fünfzehn Jahren ihren Mann bei einem Filmdreh kennengelernt hatte. Damals war sie Musikstudentin, verdiente sich was dazu und sollte in einer Szene als Statistin so tun, als würde sie Geige spielen. Zwischen den beiden sei es „Liebe auf den ersten Blick“ gewesen. Auf die Frage, ob sie das Studium abgeschlossen hatte, lachte Steiner und sagte, wie recht bald nach diesem „ersten Blick“ ihre Tochter unterwegs gewesen war. Es wurde ein Foto von damals eingeblendet: Sybille Steiner mit braunen Haaren, einer deutlich breiteren Nase, kleiner wirkenden Augen, schmaleren Lippen, sicher fünfzehn Kilo mehr und nicht mal der Hälfte der Oberweite.

Hätte Toni nicht gewusst, dass es sich um dieselbe Person handelte, hätte sie die frühere Sybille Steiner mit der Frau heute in Brehms Büro keine Sekunde in Verbindung gebracht.

„Ha, wusste ich es doch!“, sagte Lena und schnalzte mit der Zunge.

Der Frage nach ihrer optischen Veränderung wich Sybille Steiner mit Plattitüden über Sport und gesunde Ernährung aus, woraufhin Lena und Toni gleichzeitig ein „Ja, klar“ entfuhr.

Dann erzählte Sybille Steiner auch schon über die dreizehnjährige Tochter Zoe, die „der Mittelpunkt“ ihres Lebens sei, allerdings nie auf öffentlichen Fotos auftauchte, um „ihr ein unbeschwertes Aufwachsen“ zu ermöglichen. Eine Bilderbuchfamilie, wie jeder sie sich wünschte. Und als Bonus noch die Villa mit Blick über Wien. Das sah alles nach Erfolg, Liebe, Glück und Harmonie aus. Wäre nicht vor ein paar Tagen ein Toter in ihrem Pool getrieben.

„Und, gehst du morgen zu diesem Brehm?“, fragte Lena.

Sie klang halb besorgt, halb belustigt, aber vielleicht bildete sich Toni das auch nur ein.

„Ich muss. Obwohl ich fast den Eindruck hab, du wärst besser geeignet für den Job.“

Lena legte theatralisch eine Hand auf ihr Herz.

„Das wäre die perfekte Schauspielübung. Die Schmitz wäre begeistert. Method acting in real live.“

„Apropos Schmitz.“ Toni war froh, einen Anknüpfungspunkt gefunden zu haben, denn es lag ihr schon die ganze Zeit auf der Zunge. „Warum hast du heute wirklich geweint? Und bitte, du musst mich nicht schonen, wegen der ganzen Sache, echt nicht.“

„Ich hab doch gesagt, alles ist in Ordnung.“

Lena nahm Tonis Gesicht in beide Hände, und ihr Lächeln war für Toni ein bisschen zu übertrieben unbekümmert.

„Meine süße Sorgenqueen, jetzt kümmere dich bitte mal um dich, damit Felixarschsupertrottel gefunden wird. Also, du gehst morgen zu dem Privatdetektiv, und ich lass mir eine Geschichte bei der Schmitz einfallen, warum du nicht zum Unterricht kommen kannst.“

„Aber –“

„Nix aber.“ Lena ließ Tonis Gesicht los und rutschte tiefer in die Couch. „Die Schmitz soll doch sowieso nach diesem Jahr in Pension geschickt werden, da soll sie sich mal nicht so aufpudeln.“

Lena und Toni hatten sich erst in der Schauspielschule kennengelernt, waren aber innerhalb dieser kurzen Zeit so vertraut geworden. Toni hatte das Gefühl, Lena schon ewig zu kennen, und war gerade jetzt mehr als dankbar für ihre uneingeschränkte Zuneigung.

Tonis Handy klingelte – es war ihre Großmutter. Sie telefonierten zweimal die Woche.

Nachdem Toni sie früher meistens bei einem Rendezvous, einer Gymnastikstunde oder einer anderen Aktivität gestört hatte, waren sie dazu übergangen, dass ihre Oma sich bei ihr meldete.

„Hallo, Oma“, sagte Toni bemüht fröhlich. „Wie geht’s dir?“

Lena leerte ihr Glas, deutete auf ihre nicht vorhandene Armbanduhr und Richtung Tür. Während Toni sie hinausbrachte, hörte sie sich den neuesten Tratsch aus der Seniorenresidenz an. Es war erstaunlich, wie viele Liebschaften und Eifersüchteleien es jenseits der achtzig Jahre noch immer gab. Lena und sie umarmten sich zum Abschied, und während des Gesprächs leerte Toni die Rotweinflasche alleine und sah aus dem Fenster auf die nächtliche Straße.

Gerade erzählte ihre Großmutter von einem neuen Verehrer, der sich zwar gerne wie ein Schiffskapitän kleidete, aber gar nie zur See gefahren war. Er war Inhaber eines Kaffeehauses im vierten Bezirk. „Er ist ein Neuzugang, und ich sage dir: mehr als begehrt hier.“

Ihre Oma sprach weiter, aber Toni hörte nicht mehr zu. Auf der Straße unten – was war das? Hatte da jemand zu ihr heraufgesehen und sich hinter eines der parkenden Autos geduckt? Sie vergaß das Glas in ihrer Hand und klirrte damit ans Fenster, um besser sehen zu können. Der Rotwein schwappte auf den Holzboden.

„Toni, was war das? Alles in Ordnung bei dir?“

„Ich … ja … ich hab nur was vom Wein verschüttet.“

Sie beendeten das Gespräch. Toni ging äußerlich ruhig zum Lichtschalter, während ihr Herz raste. Sie schaltete das Licht aus und rutschte auf den Knien zurück zum Fenster.

Was sollte sie machen, wenn sie sich das nicht einbildete? Wenn sie wirklich jemand verfolgte? Wenn Felix sie gar nicht bestohlen hatte, sondern erpresst worden, in Gefahr war? Und nur deshalb das Geld genommen hatte?

Sie kam neben dem Fenster hoch, gerade weit genug, um auf die Straße zu sehen. Da waren nur parkende Autos im Lichtschein, ein junges Pärchen flanierte Arm in Arm, ab und zu fuhr ein Wagen durch die schmale Gasse. Keine dunkle Gestalt.

Sie nahm einen tiefen Atemzug. Jetzt nur nicht durchdrehen. Der Stress, der Wein und keine Hilfe, außer die eines Detektivs in Nöten.

Aber sie würde das alles wieder in den Griff bekommen. Wie Lena gesagt hatte. Sie musste es einfach.

Langsam zog sie die Vorhänge zu, wartete und spähte dann erneut durch den Spalt dazwischen. Es war niemand zu sehen, keiner, der sie beobachtete.

Ihr Körper fühlte sich so schwer an, als sie sich ins Bett legte und auf ihrem Laptop „Hallo Dienstmann“ mit Hans Moser und Paul Hörbiger startete. Ihre Großmutter war beim Dreh für die Kostüme zuständig gewesen. Als Kind hatte Toni den Film sicher hundertmal angeschaut, vor allem wenn sie nicht schlafen konnte.

Das war nur einer der Unterschiede zu der Zeit, bevor ihre Großmutter sie bei sich aufgenommen hatte. Denn vorher war da niemand für sie da gewesen, wenn sie sich vor dem Einschlafen in der Dunkelheit gefürchtet hatte. Weil ihre Mutter sie alleine gelassen hatte, um auf einen ihrer Streifzüge durch die Nachtlokale zu gehen.

Toni fehlten diese wunderbaren Filmabende mit ihrer Oma mehr denn je. Manchmal hatte Oma in ihrem Fundus gekramt, sie hatten sich Kostüme angezogen und Filmszenen nachgespielt. Am liebsten hatte Toni die Szene gemocht, in der sie als Dienstmänner verkleidet so taten, als würden sie diesen schweren Koffer schleppen, wie im Film. Irgendwann waren sie über sich selbst in solches Gelächter ausgebrochen, dass ihnen die Tränen kamen. Als Kind war ihr gar nicht klar gewesen, dass ihre Oma eine ganz besondere war. Seit Felix fort war, half Toni der Film beim Einschlafen. Vielleicht war es auch mehr die Erinnerung an die schönen Stunden mit ihrer Großmutter.

Sie musste eingeschlafen sein, der Ton einer eingetroffenen SMS weckte sie. Im Dunkeln tastete sie nach ihrem Handy. Es war nach drei Uhr, das konnte nur irgendwer aus ihrer Schauspielklasse sein. Für die schien es keine Tages- und Nachtzeiten zu geben.

Ganz schlaftrunken begriff sie die Nachricht eines anonymen Absenders aus dem Netz nicht sofort:

SEI VORSICHTIG – DAS IST KEIN SCHERZ

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