Читать книгу Tausend falsche Wege - Thessa Grundig - Страница 5
ОглавлениеProlog
Versuchung
Ich stehe vor dem Spiegel und richte mein Kleid, Schlichtes schwarz, elegant, sexy und ein wenig verrucht durch den kniehohen Schlitz an meinem Bein.
„Du siehst gut aus Elena, Nein, eigentlich siehst du sogar heiß aus.“ Sage ich leise zu meinem Spiegelbild, um das Gefühl von Schönheit einen Hauch länger in mir zu spüren.
Vielleicht kann ich Ben ja dieses Mal ein Feuer in seinen Augen entlocken und mich endlich wieder begehrt fühlen.
Wie in Zeitlupe steige ich unsere weiße Holztreppe hinab und treffe Ben an der Garderobe an.
„Endlich Elena! Ich dachte schon, du willst gar nicht mehr herunterkommen?!“
Ben begutachtet mich von oben bis unten. Sehnsüchtig warte ich auf dieses lüsterne Grinsen, welches sein Gesicht früher schmückte, als er mich mehr als alles andere wollte.
Meine Erwartung schlägt sich bereits zwischen meinen Schenkeln nieder, als es mich mit einem einzigen, eiskalten Schlag mitten in mein Gesicht trifft.
„Ernsthaft Elena? Das ist nicht gerade der Anlass für so ein offenes Kleid!“ Seine herablassende Stimmlage ist so verletzend.
„Es ist die Goldene Hochzeit meiner Großeltern.“ Seine Augenbrauen sind tief in die Stirnmitte gezogen, wütend zischt er mich an „Zieh dich um!“
Meine Mauer ist aufgebaut. Ich nehme meinen Mantel, die High Heels klackern laut auf dem frisch gewachsten Dielenboden und untermauern meinen Entschluss, genau so, wie ich jetzt gekleidet bin, zu gehen. Im Auto herrscht eine erdrückende Stille zwischen uns.
Wir parken direkt vor der Honigschänke, ein edles Hotel mit einer pompösen Gaststätte, welche heute mit nur zwei kleinen Privatfeiern ausgebucht ist. Die Atmosphäre ist angenehm, jeder aus Bens Familie umarmt mich freudig und ich sahne das ein oder andere Kompliment ab.
Nachdem ich alle begrüßt habe, entschuldige ich mich. Ben wirft mir einen genervten Blick zu. Die Worte Du bist die Einzige, die unangemessen gekleidet ist, brennen förmlich auf seiner Stirn.
Ohne Worte, aber mit einem verführerischen Hüftschwung, begebe ich mich zum Fahrstuhl.
„Tief durchatmen Elena, es kommen wieder andere Zeiten. Er wird mich wieder ansehen wie früher und wir durchbrechen diesen eintönigen Alltag“, sage ich aufbauend zu meinem Spiegelbild.
Mühsam zwinge ich mir ein Lächeln ins Gesicht, es ist der klägliche Versuch, den anderen und mir eine perfekte Beziehung vorzuspielen. Ich atme noch einmal tief durch, reiße enthusiastisch die Tür der Damentoilette auf und laufe mit voller Wucht gegen eine harte Brust. Mir stockt fast der Atem, als ich hochschaue.
„Jan?“
Ich starre ungläubig auf dieses Bild von Mann. Er legt seine Arme um meine Hüften und flüstert „Oh Liebes, du siehst so heiß aus, ich konnte nicht anders, als dir zu folgen!“ Ein flüchtiger Kuss streift mein Ohr. Seine braunen Augen leuchten vor heftigem Verlangen, sein schelmisches Grinsen lässt mein Blut kochen und er zieht mich näher an sich heran.
Jan fängt meinen Blick ein, mein sehnsüchtiges Bedürfnis begehrt zu werden und das Flehen nach Zärtlichkeit und Hingabe. Es dauert nur eine Sekunde, bis er meinen Wunsch deutet und seine perfekten Lippen auf meine drückt. Ich erwidere den Kuss innig.
Bevor es zu wild wird, zieht er mich zum Fahrstuhl. Ich atme tief - lade ihn mit meinem Lächeln ein, mich zu verführen - als sich die Aufzugtüren schließen und er den Not-Halt-Knopf drückt.