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Fuge in C-Dur: aus Stein

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Im Abendhauch wispernd die Büsche und Bäumchen des wiederaufgeforsteten neuen Tiergartens. Auf der anderen Seite das stumm-träge Strömen der Spree zwischen Kanalmauern. Festlich von innen illuminiert – ein Diadem, eine Krone dies helle, dies kühne, dies leicht sich erhebende Haus zwischen Reichstagsruine und Schloß Bellevue. Das künstliche Wasser vorm Aufgang, Fontänen sprühend darüber, wie Federbuketts ihm zu Füßen, dem Haus, dessen schwingende Proportionen vergessen machen die vernarbte Misere der Trümmer im Norden, die schreiende Dissonanz der roten »Losungen« aus dem Osten, die mühselig grüne Kultur des nicht zerbombten Tiergartens im Süden, die hektisch-powere Eleganz des wiedererstandenen Kurfürstendamms im Westen.

Gelassen und heiter ruht die Kongreßhalle inmitten, ein demokratischer Bau, tolerant sich öffnend, detailliert individuell, von menschlichem Maß überall, festlich – doch ohne Pathos. Da wird nichts vorgetäuscht, nichts demonstriert. Die leere Repräsentation älterer Kulturbauten ist abgeschüttelt wie ein finsterer Alptraum; die Herkulesse und nachgemachten Karyatiden, die üppig-quellenden Giebel mit antikischen Friesen, der Säulenbombast, das wuchernde Stuckwerk. Aber auch die dürftige Nudität abstrahierender Sachlichkeit ist vermieden. Kein Ingenieur, ein ingeniöser Baumeister schuf diese anmutige Rundung des Auditorium Maximum, diesen großzügigen Schnitt der gegliederten Hallen, dies verläßliche Viereck der Fundamentierung und schließlich: die weite Schwingung des herrlichen Daches.

Hugh Stubbins hat einen Traum gehabt, einen glücklichgesegneten. Und hielt ihn fest auf dem Reißbrett. Wie phantasielos daneben die kahlen Käsewürfel mißverstandener »Moderne«! So lebensecht und doch akkurat-transparent wie die Unterschrift dieses Architekten ist sein Stil. Des Künstlers Handschrift im Werk, buchstäblich. Luft und klingende Leere in diesen Hallen, unter der verläßlichen Waagerechten des Daches; aber auch Fülle und Wärme, lockende Rundung, vertikale Befreiung. Es lebt, es atmet, es empfängt uns, bewahrt und entläßt wieder leicht und mit natürlicher Geste. Keinen Augenblick fühlst du dich fremd oder bedrückt oder verquer in diesem Haus. Es vermittelt einen wohligen Einklang von Distanz und Intimität.

Die Räume nehmen den Menschen an, beziehen ihn ein in den Zweck ihrer Bestimmung: Theater, Konferenz, Musik, Diskussion, Ballett, Vortrag – oder auch einfach nur das pausierende Wandeln zwischen Akten und Szenen. Das »Foyer«, ein Wort wie aus rotem Plüsch mit Quasten – hier ist es die reizendste Komposition aus großer »hall« eines modernen amerikanischen Hotels und Forum gesellschaftlichen Lebens in der Stadt von morgen. Dort ein Wandteil aus kupfernem Marmorbruch, davor die blaue Sitzecke auf anthrazitfarbenem Teppich. Hier Rot und Grau vor Gelb, Schwarz mit Grün – bis in die Aschenbecher und Vasen ist Individualismus leitend; mehr als zweitausend Menschen können gleichzeitig umgehen, sitzen und laufen, hören und arbeiten in diesem Haus – und doch ist der einzelne immer wie in einen Rahmen gestellt, der nur ihn allein unterstreicht, heraushebt, freundlich umgibt und zu anderen, vielen, aber immer auch einzelnen in die rechte Beziehung setzt.

Wie Stubbins Hölzer und Stein, Farben und Stoffe verarbeiten ließ, komponierte und nun wirken macht – das ist von beglückender, ruhig-fördernder Dynamik. Es klingt alles zusammen, ist instrumentiert auf zarte und starke Effekte, wie der Inhalt, das Thema eines Raumes es will. Eine Sinfonie, eine Toccata und Fuge in C-Dur ist dies Bauwerk: einfach und fest gefügt, durchwaltet von klarem Verstand, kräftig gesetzt und von reinem polyphonem Wohlklang. Fehlt nur noch der Mensch, der diese Musik ganz versteht und genießt; der Mensch, der dies Haus auf rechte Weise belebt. Nach der Person, dem humanen Wesen vollendeter Gottesebenbildlichkeit, verlangt dieses persönliche Kunstwerk, dieses humane Gerüst und Gewand für einen Menschen fröhlichen Ebenmaßes, freier Anmut, höheren Sinnes. Hugh Stubbins’ Arbeit ist ein Ruf nach diesem Menschen. Wird ihm nicht hie und da schon Antwort?

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