Читать книгу Bärenjäger - Thomas de Bur - Страница 5
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ОглавлениеDie Bärin schnurrte ohne Unterlass. Das Atmen fiel Johan schwer. Auf seiner Brust spürte er ein tonnenschweres Gewicht. Es engte ihn ein und erlaubte ihm keine Bewegung. Ihm war heiß und er fühlte klebrigen, kalten Schweiß an seinem Körper. Sein Kopf brummte und dröhnte in irgendeinem Takt. Vorsichtig schlug er seine Augen auf. Vor seinem Gesicht, nur einen Hauch entfernt, ruhte die graue Hauskatze auf seiner Brust. Johan betrachtete sie erleichtert. Sie schnurrte genüsslich und blinzelte ihn aus ihren unergründlichen Augen an. Um ihn herum war es dämmrig und ruhig. Ein paar dunkelrote Schatten spielten auf den Wänden verstecken. Es roch nach Feuer und Holz. Ein Kaminofen knisterte leise. Genau in seinem Blickfeld, auf dem Fenstersims, hockte ein Wurzeltroll und spähte verstohlen nach draußen. Wahrscheinlich tat er nur so unbeteiligt und starrte hinaus, weil die Katze im Raum war. Normalerweise haben Trolle eine Heidenangst vor Katzen und meiden sie, wann immer sie können. Mit Sicherheit dachte der Troll, wenn er die Katze ignorierte, ignoriert sie ihn auch. Johan seufzte beruhigt. Wenn es dämmrig war, musste es mitten in der Nacht sein. Anfang Mai geht die Sonne in Lappland nur in der Nacht ein paar Stunden unter. Bald würde es die ganze Zeit hell bleiben. Er befand sich in seinem Zimmer in seinem weichen Bett. Johan fühlte in sich hinein. Überall brannte und zwickte es, er konnte jeden einzelnen Zentimeter seines Körpers spüren. Alles tat weh. Es war besser, einfach liegen zu bleiben und nur ein bisschen zu gucken. Plötzlich fiel ihm Lena ein und er erschrak. Er musste dringend nach Lena sehen. Wie mochte es ihr gehen? Mühsam versuchte Johan, sich zu erheben. In diesem Moment ging die Tür langsam auf. Er erkannte es an dem hellen Schein an seiner Wand, der immer größer wurde. Es war seine Mutter. Als sie bemerkte, dass Johan sich gerade erheben wollte, eilte sie zu ihm. »Bleib liegen, Johan«, meinte sie zärtlich und drückte ihn sanft in die weichen Kissen zurück. Sie setzte sich lächelnd zu ihm aufs Bett und nahm die Katze von seiner Decke herunter. »Lena geht es gut. Sie ist vor Schreck noch etwas still und ernst, aber sie hat alles gut überstanden. Ich danke dir von Herzen mein Sohn, dass du meine Lena gerettet hast.« Sie küsste ihn auf die Stirn und berührte mit ihrer Hand ganz zart seine Wange. Johan blickte sie glücklich an. Die kleine, silbrige Träne, die seiner Mutter an der Nase entlang bis zum Mundwinkel kullerte, machte sein Herz ganz warm und schwer. »Du hast hohes Fieber gehabt und fast zwei Tage geschlafen«, erzählte ihm seine Mutter mit leiser Stimme. »Doch jetzt wird alles wieder gut.« »Wie sind Lena und ich ins Haus gekommen?« wollte er wissen. »Bamse hat mich mit seinem Gebell gerufen und auf der Straße kam Stellan gerade vorbei«, begann seine Mutter. »Der alte Mann aus der Hütte oben am Fluss?« fragte Johan nach. »Ja, auch er hörte Bamse und eilte zu Hilfe. Gemeinsam trugen wir euch ins Haus. Ich hätte dich niemals allein den Hang hoch bekommen. Wir haben sofort heißes Wasser gemacht und euch in den Badebottich gesteckt.« Johans Mutter lächelte: »Jetzt werde ich dir aber erst einmal etwas zu essen machen. Du wirst sehr hungrig sein.« Sie erhob sich vom Bettrand und ging hinaus. Die Tür ließ sie offen. Johans Augen wanderten verträumt zur Decke. Er war so froh, dass es Lena gut ging. Kaum hatte er an sie gedacht, stand sie schon neben ihm am Bett. »Ich war mir sicher, dass du stärker als der Fluss sein würdest«, strahlte sie ihn mit leuchtenden, blauen Augen an. Dann kräuselte sie ihre Nase und spitzte die Lippen. »Warum gurgelt das Wasser einem so beruhigend ins Ohr, zieht dann aber trotzdem so heftig am Körper und tut einem weh?« Johan seufzte lang anhaltend, doch bevor seinem dröhnenden Kopf etwas Gescheites einfiel, steckte Lena ihm etwas in die Hand, gab ihm einen Kuss auf die Wange und tanzte wieder hinaus. Johan schaute neugierig nach, was sie ihm in die Hand gelegt hatte. Es war ein flacher, glatter Stein, der aussah wie eine Acht. Nein, es waren zwei kleine, runde Steine. Sie waren an einer Seite zusammen gewachsen. In einen der Steine war ein kleines Loch gebohrt. Johan lächelte. Er umschloss den Stein mit seinen Fingern und versteckte seine Hand unter der Decke. Johans Vater betrat daraufhin das Zimmer und setzte sich zu ihm aufs Bett. Er lächelte, doch er redete nichts. Johans Vater war Holzfäller und ein ruhiger Mann. Die meisten Menschen würden ihn als wortkarg bezeichnen. Oft zu Hause war er nicht. Um genug Geld zu verdienen, arbeitete er viel. Seiner Frau und den Kindern sollte es an nichts fehlen. Er machte sich immer Sorgen, doch Johan bewunderte ihn. Wenn sein Vater etwas sagte, was allerdings selten vorkam, war es für Johan Gesetz. Sein Vater wusste alles über den Wald, über die Bäume, Pflanzen, Kräuter, Beeren, Pilze und Tiere. Es wäre schön, wenn er öfter mit ihm im Wald sein könnte. »Ich bin sehr, sehr stolz auf dich, mein Sohn«, sagte sein Vater unvermittelt und nahm eine kleine Schachtel aus seiner Tasche. »Ich bin beruhigt, dass nun ein zweiter Mann hier auf dem Hof ist. Dies ist für dich«, und er überreichte die kleine Schachtel. Johan setzte sich im Bett etwas auf, nahm das Geschenk entgegen und öffnete es vorsichtig. In der Schachtel war ein wunderschönes, edles Jagdmesser. So eines, das von den Samen kunstvoll in Handarbeit hergestellt wird. Es steckte in einer Scheide aus poliertem Rentierhorn und wunderbar duftendem Rentierleder. In das Rentierhorn waren Zeichen geschnitzt und mit dunkler Farbe hervorgehoben. Mit einer geflochtenen, ledernen Schlaufe befestigte man es am Gürtel. Das Messer verschwand mit dem Griff, bis auf den oberen Knauf, vollständig in der schönen Scheide. Vorsichtig zog Johan das Messer heraus. Die Klinge glänzte wie ein silberner Spiegel. Kleine, schnörkelige Verzierungen waren auf der Klinge eingeritzt. Der Griff bestand aus fein geschliffenen Birkenholz und Rentierhorn. Es war atemberaubend schön. Johan steckte das Messer zurück, legte es zur Seite und umarmte seinen Vater. »Es ist phantastisch. Danke. Danke. Danke.« Sein Vater lächelte ihn an. »Diesen Herbst darfst du das erste Mal Stellan und mich in den Wald begleiten. Am 1.September gehen wir zusammen zur Jagd.« Johan hatte Tränen in den Augen. Er war unheimlich glücklich. Sein Vater stand auf und im gleichen Moment kam Johans Mutter mit einem Tablett ins Zimmer. »Helden müssen gut essen«, meinte sie und stellte das Tablett auf die Bettdecke. Johan machte große Augen. Das war ein Festmahl vor ihm. Die größten Schätze aus Mutters Küche verwöhnten seine Augen. Der wunderbare Duft ließ seine Nasenflügel beben und das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Knusprige Rentierfleischbällchen, mit Semmelbröseln panierte Elch–Wallenberger, sahniger Kartoffelbrei und leckerer Preiselbeerkompott lachten ihn lockend an. Die Krönung waren jedoch die Schokoladenkugeln mit Kokosraspeln. Ein ganzer Teller voll stand vor ihm auf dem Tablett. Johan strahlte und rief: «Lena, komm und hilf mir.« Lena wartete wohl direkt hinter der Tür, denn kaum hatte er ausgesprochen, sauste sie schnell wie ein Wirbelwind durchs Zimmer und sprang aufs Bett. Bevor Johan richtig gucken konnte, hatte sie sich den größten Elch–Wallenberger geschnappt. Johan gluckste wohlwollend, nun konnte das Schlemmerfest beginnen. Mit einem Rentierfleischbällchen in der Linken und einem panierten Elch–Wallenberger in der Rechten saßen sie sich gegenüber, kauten fröhlich vor sich hin und schmunzelten sich an. Johan nahm einen großen Elch–Wallenberger und legte ihn zur Seite. »Den bekommt Bamse.« Es dauerte gar nicht lange, da war alles aufgegessen. Satt, zufrieden und in sich gekehrt hockten sie noch eine Weile einfach da. Irgendwann stand Lena auf und nahm die leeren Teller und das Tablett. »Gute Nacht Johan, danke schön«, sagte sie, lächelte ihn an und schwebte hinaus. Seine Eltern schauten noch kurz zu ihm herein und wünschten ihm ebenfalls eine gute Nacht. Dann schlossen sie die Tür. Johan lag noch eine ganze Weile wach. Er war aufgewühlt und durcheinander, aber auch sehr stolz auf sich. »Es ist ganz schön cool ein Held zu sein«, dachte er.