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Irgendetwas weckte Johan. Benommen rieb er sich die Augen und schaute sich um. Es war dämmrig, also mitten in der Nacht. Er richtete sich im Bett auf. Eine unerträgliche Spannung flimmerte in der Luft. Johan spürte, dass etwas nicht in Ordnung war. Er konnte aber nicht sagen, was es war. Durch den Spalt unter der Tür nahm er einen Schein wahr, der in sein Zimmer drang. Im Wohnraum brannte Licht. Johan stand leise auf, schlich zur Tür und lauschte. »Ich bin bald zurück, ich muss nur kurz mit ihm reden. Er hat anscheinend etwas Wichtiges entdeckt«, hörte er seinen Vater flüstern. Die Antwort seiner Mutter war zu leise und nicht zu verstehen. Dann öffnete sich die Vordertür und wurde wieder geschlossen. Kurz danach erlosch das Licht im Wohnraum. Johan war verwirrt. Was hatte das zu bedeuten? Sein Herz pochte ganz aufgeregt. Er musste wissen was da vorging. Johan huschte zum Fenster, rückte den Wurzeltroll zur Seite und öffnete leise einen Fensterflügel. Vorsichtig lugte er nach draußen. Das Dämmerlicht tauchte den Waldhof in ein gespenstisches Licht. Der Mond blinzelte hinter einer dicken Wolke hervor. Lange, dunkle Schatten versteckten die meisten Ecken und Winkel des Waldhofes und gaben den Nachtwesen Schutz. Es war vollkommen ruhig. Johan kletterte lautlos auf das Fenstersims und hielt kurz inne. Sollte er es wirklich tun? Er blickte sich noch einmal um. Der Wurzeltroll schaute ihn an. Hatte er geblinzelt? »Nun mach schon«, schien er zu sagen. Johan sprang. Fast unhörbar traf er auf. Lauschend verharrte er für einen Moment in der Hocke am Boden. Dann schlich er leise die Hauswand entlang. Von der Hausecke aus konnte er die Vorderseite des Hauses, den Vorhof und die Scheune übersehen. Er konnte niemanden entdecken. Irgendwo musste sein Vater doch sein. Plötzlich tauchten aus dem langen Schatten der Garagenhütte zwei dunkle Gestalten auf. Sie gingen über den Hof zur Scheune. Die Tür zur Holzwerkstatt wurde geöffnet, die zwei Schatten traten ein und schlossen hinter sich die Tür. Johan rannte ohne zu überlegen los. Leicht geduckt lief er erst zum alten Klohäuschen hinüber und drückte sich an die Wand in den Schatten. Als er sich versichert hatte, dass alles ruhig blieb, flitzte er über den Hof zur Scheune. Er machte sich beim Laufen so klein wie möglich. Seine Füße setzte er nur kurz auf den Boden und zog sie bei jedem Schritt, wenn sie den Boden berührten, sofort wieder nach oben. Sie durften keinen Lärm machen. Er sah aus, als ob er grade auf Wasser lief und verhindern wollte, dass er einsank. Nach ein paar Sekunden hatte er die Scheune erreicht. Gerade als er in den Schatten der Wand eindrang, stockte er mitten in der Bewegung. Ein kurzer spitzer Schrei entwich ihm und er zuckte zusammen. Direkt vor ihm, im Dunkeln, blitzten ihn vier rote Augen gefährlich an. Johan wurde panisch. »Schnell weg«, dachte er nur und war schon im Begriff zu flüchten, doch dann erkannte er, dass es nur zwei Kobolde waren, die um einen Stein saßen und sich mit einem Becher in der Hand zu prosteten. Johan entwich ein beruhigter Seufzer, doch sein Herz raste. Sein Atem ging schnell und gepresst. Einen kleinen Moment ruhte Johan aus, um sich dann, wie ein Storch, die Wand entlang zu bewegen. Ganz vorsichtig, einen ausholenden, lautlosen Schritt nach dem Anderen. Bald hatte er das Fenster und die Tür der Holzwerkstatt erreicht. Er hörte zwei Stimmen. Sofort stoppte er und lauschte. Aber es war nichts zu verstehen, die Stimmen waren zu leise. Er musste näher ran. Nach zwei weiteren Schritten stand er direkt am Fenster und kauerte sich darunter. Jetzt konnte er die Stimmen verstehen. Er zwang sich flach zu atmen, um jedes Geräusch zu vermeiden. Die eine Stimme gehörte seinem Vater. Er fragte gerade: »Bist du sicher?« Die andere Stimme antwortete leise und flüsternd, doch Johan erkannte sie sofort. Es war die Stimme von Stellan. »Ja, es gibt keinen Zweifel. Deine Kinder haben mir ungefähr die Richtung gezeigt. Ich bin dann sofort dort hin und habe mit meinem Hund gesucht. Nach Stunden hatten wir es endlich gefunden. Es war ein junges, totes Rentier, dem der Bauch aufgeschlitzt worden war. Jappo stürzte sich sofort darauf und fraß daran. Ich riss ihn zwar sofort weg, als ich ankam, doch es war leider zu spät. Er ist eine Stunde später gestorben. Das kleine Rentier war vergiftet.« Es herrschte kurze Stille. »Wer tut so etwas bloß? Und warum?« Johans Vater war erschüttert. »Es tut mir sehr leid um Jappo. Er war ein ausgezeichneter Jagdhund«, fügte er traurig hinzu und legte Stellan tröstend die Hand auf die Schulter. Stellan nickte dankend für die Anteilnahme, aber das hörte Johan natürlich nicht. »Ich weiß nicht, wer dahinter steckt, Hubschrauber gibt es hier inzwischen viele. Aber es muss etwas Bedeutendes sein und viel Geld muss dahinter stecken, sonst würde niemand dieses Risiko eingehen. Solange wir nichts beweisen können, werden wir den Behörden nichts darüber berichten. Wir müssen vorsichtig sein und vor allem, wir müssen das Tal schützen.« »Du hast recht, Stellan«, antwortete Johans Vater. »Ich möchte, dass wir Johan als Unterstützung nehmen. Er liebt die Natur und er wird alles tun, um sie zu verteidigen. Bitte zeige ihm, was du mir gezeigt hast.« Der alte Stellan lächelte: »Ja, Johan wird ein großer Jäger, das habe ich gesehen. Schick ihn gleich morgen zu mir.« Johan schluckte. Er konnte das alles noch nicht begreifen, aber es war unglaublich, was er da gehört hatte. Er erschrak, das Gespräch schien vorbei zu sein. Sie würden ihn bestimmt entdecken. Schnell entwischte Johan um die Ecke in den Schatten der Scheunenseite. Kaum war er um die Ecke herum, öffnete sich die Tür und die Beiden traten nach draußen. »Gute Nacht, Stellan«, flüsterte Johans Vater. »Gute Nacht«, kam eine leise Antwort. Johan konnte beobachten, wie sein Vater über den Hof ging und die Haustür öffnete. Drinnen wurde kein Licht gemacht, sein Vater schien direkt ins Bett zu gehen. Zur Sicherheit rannte Johan diesmal hinter der Scheune entlang bis zu den beiden trinkenden Kobolden. Von dort pirschte er wieder geduckt zum alten Klohäuschen und nachdem er noch einmal genau gehorcht hatte, ob alles ruhig war, schlich er das letzte Stück bis zu seinem Fenster. Dort stockte er. Lautlos hineinklettern ist schwieriger, als lautlos heraus springen. Johan überlegte angestrengt. Sein Vater schlief sicher noch nicht und wenn er sich ins Fenster stemmte und mit seinen Füssen an der Wand unter seinem Fenster nachhalf, könnte sein Vater ihn hören. Er schaute sich nachdenklich um. Ein paar Meter entfernt stand ein Holzwichtel im Gras und glotzte ihn mit verschränkten Armen tadelnd an. Johan ignorierte den Blick, neigte den Kopf etwas und schürzte abschätzend die Lippen. Ja, so könnte es gehen. Mit ein paar Schritten war er beim Wichtel, hob ihn leise ächzend hoch und stellte ihn unter sein Fenster. »Entschuldigung«, murmelte Johan leise. Nun war es kein Problem. Lautlos und flink kletterte er in sein Zimmer, schloss das Fenster und setzte den Troll auf die Fensterbank zurück. Als er unter seiner Bettdecke lag, pochte sein Herz immer noch bis zum Hals. In seinem Kopf rauschte es. Immer und immer wieder ging er das Gehörte im Geiste durch. Vergiftetes Rentier. Viel Geld. Tal schützen. Vorsichtig sein. Jäger werden. Er verstand das alles nicht. Er hatte einen ganzen Sack voller Fragen. Er war verwirrt, doch er hatte auch ein schlechtes Gewissen. Es war ein Fehler gewesen, seinen Vater und Stellan zu belauschen. Johan warf dem Wurzeltroll einen bösen Blick zu, aber der spähte schon wieder teilnahmslos aus dem Fenster.

Bärenjäger

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