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1.6Das Ziel dieses Buches

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Nur wer mitschwimme, habe Einfluss auf den Strom. Kritik von aussen rufe nur Abkapselung und Ablehnung hervor. Immer wieder wird dem Verfasser dieses Argument entgegengehalten. Bologna sei gesetzt, er solle mithelfen, die Reform zu verbessern. Zu kämpferisch trete er auf, was Ablehnung provoziere.

Wären alle Mitsprechenden nur auf messbaren Vorteil aus, auf Geld, Anerkennung, Posten, träfe das Argument zu. Wenn jeder den Ökonomismus verinnerlicht hätte, vor sich selbst zum homo oeconomicus geworden wäre. Wenn also gearbeitet würde, um zu konsumieren. Und konsumiert, um fit zu sein für die Arbeit. In ewigem Kreislauf, ins Unendliche wachsend, alles verschlingend, ein einziger Verdauungsprozess, in dem nichts Bestand hat, nichts Halt gäbe, das Zurschaustellen von Konsum den öffentlichen Raum ganz besetzte. Für wen nur der eigene Gewinn zählte, der wäre in der Tat im Boot und würde sich am Ende an alles anpassen.

Doch das trifft nicht zu. Das Ich findet sich nur in Sinnerfahrungen. Sie sind an Wort und Widerwort, an echte Begegnung von Ich und Du gebunden. An dieser Gegebenheit, deren stets neues Aufbrechen sich nicht verhindern lässt, muss die funktionalistische Bildung scheitern, früher oder später. Besser bevor die Lemminge die Klippe erreichen.

Die Beschränkung der Sprache aufs Wirtschaftliche ist unverantwortlich. Und stützten sie noch so viele Erfahrungen: Hätte sie recht, wäre die Menschlichkeit verloren, die in Blick, Wort und Widerwort liegt. Findet der Blick des anderen, in seiner Fremdheit, keinen Einlass, geht das Licht aus. Ohne Begegnung mit ihm bleibt die Vernunft hinter der Menschlichkeit zurück, an der sie sich zu messen hat. Die Gegenseitigkeit der Sprache gibt dem Ich ein Niveau vor, das es nicht unterschreiten soll: die faire Auseinandersetzung mit allen Geltungsansprüchen, die sich zu Wort melden. Auf dieser Herausforderung, um die ein jeder in seinem Inneren sehr wohl weiss, steht dies Buch. Es gibt das Recht und die Pflicht, über den sich bildenden Menschen zu streiten. Der Streit darf nur vom Menschen selbst, nicht vom Funktionieren der Systeme her entschieden werden. Die Verständigung über das gute Leben aller verlangt den Ernst des politischen Gesprächs, etwas ganz anderes als die Verteilungskämpfe, die heute die Öffentlichkeit überwuchern. Es beginnt erst, wenn Interessen zurücktreten und den Raum für Verständigung freigeben.

Die Identifikation mit dem Funktionieren verbirgt, dass sie eine Entscheidung, kein Faktum darstellt. Kein Mensch hat das Recht, seine Haltung ans Funktionieren zu delegieren und Ethik durch Anpassung zu ersetzen. Besonders kein Deutscher. Wäre wahr, dass Kritik nur im Mitschwimmen sinnvoll und möglich ist, wären Stauffenberg und Goerdeler, Moltke, Bonhoeffer und Delp umsonst gestorben. Dass die Ideologie der umfassenden Anpassung ans System von einem Deutschen stammt, der im Dritten Reich herangewachsen ist, von Niklas Luhmann, ist mehr als irritierend.

Wie also einer Strategie begegnen, die über den sich bildenden Menschen grundsätzlich kein Gespräch führen will? Das Beste draus machen? Im Kleinen Verbesserungen suchen, so gut es geht? Zwischen den Zeilen, in Lücken Hinweise auf eine menschliche Welt geben? Das haben viele versucht. Wirksamer Widerstand gegen die Knechtung des werdenden Menschen unters Funktionieren ist daraus nicht erwachsen.

Nein. Das Funktionieren kann seiner selbst und seiner Grenzen nur am Blick des anderen innewerden. Erst wenn es ein Gegenüber findet, dessen Blick sich nicht kaufen, nicht zwingen, nicht wegdrängen lässt, hat es die Chance, menschlich zu werden, das Niveau zu erreichen, das ihm aufgegeben ist. Es gilt also, standhaft Argumente zu entwickeln aus der Eigenart und Geschichte des Phänomens Mensch. Und es gilt, Kommunikationsverhalten zu analysieren und zu kritisieren. Diese Zeit bedarf einer Debatte über das sich bildende Ich und den normativen Anspruch, der mit ihm gegeben ist. Und einer Ethik der Steuerung von Bildungssystemen, die sie konsequent auf den Dienst am werdenden Ich verpflichtet.

Bildungsethik (E-Book)

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