Читать книгу Bildungsethik (E-Book) - Thomas Detjen Philipp - Страница 15
Standpunkt, Vorgehen und Dank
ОглавлениеDas Thema ist hoch gegriffen. Zu hoch: Der Autor kennt die antiken und aufklärerischen Quellen nicht gut genug, um über Bildungsethik wissenschaftlich zu handeln. Und als Jugend- und Studierendenseelsorger hat er mit Früherziehung, Schule und Berufsbildung wenig Erfahrung. Doch liegen zur ethischen Reflexion der Steuerung des Bildungssystems bestenfalls Bruchstücke vor. Nähmen Politik und Universität diese Pflicht an, bräuchte der Seelsorger nicht zur Feder zu greifen. Angesichts quälender Missstände ist es sinnvoll, über die Sprache und die Sprachen nachzudenken, die das werdende Ich unter ihren Horizont zwingen. Karl Rahner sah eine «legitimierte Unwissenschaftlichkeit in solchen Lebensfragen. Es gibt eine erste Reflexionsstufe, die von der Wissenschaft unterschieden werden muss, weil das Leben, die Existenz eine solche fordert.»56 Politik also, Versuch der Verständigung mit den Mitteln der Reflexion, keine Wissenschaft.
Wiewohl dieser Versuch im Erleben einer unerträglichen Entwicklung steht, möchte er dennoch zunächst verstehen, was geschieht, warum und in welcher Geschichte es steht. Das bedarf des Zwischenraums, des Abstands zur unmittelbaren Erfahrung. Eines Vorschusses an Empathie und Vertrauen: Obwohl man unbedingt aktiv werden, umsteuern müsste, doch zunächst zuhören, Geduld aufbringen. Schnelle Aktion ist selten subversiv. Meist teilt sie Vorurteile mit dem Gegner und stabilisiert die Herrschaft noch. Neues beginnt, wenn das Hören eine neue Richtung nimmt, vertrauenswürdigere Stimmen befragt.
«Unseren Ohren klingen die modernen Selbstinterpretationen so einleuchtend und selbstverständlich, dass wir gut daran tun, uns darauf zu besinnen, wie alle früheren Jahrhunderte über diese Dinge gedacht haben.»57 Die geisteswissenschaftliche Methode lässt sich nicht durch Wirtschafts- oder Naturwissenschaft ersetzen. Sie entlastet den Leser von der Subjektivität des Verfassers, verlangt ihm aber Geduld im Hören auf Dritte ab. Im zweiten Kapitel zeigen darum einige Grosse, dass das Erste des sich bildenden Ich das Hören ist. Achtsamkeit für das, was sich zu Gehör bringen will. Zweitens den leidenschaftlichen Wunsch des Ich, jemand, nicht nur etwas zu werden; im Gestalten und im verwandelt Werden. Den Wunsch, im sich Bilden und gebildet Werden – ein Gebildeter umfasst im Deutschen beides – Sinn zu erfahren. Geradezu einstimmig fordern die Grossen der Tradition die Vorurteile einer Zeit heraus, die im Funktionieren erstickt, der Phantasie, Selbstwahrnehmung und Weite abhandengekommen sind. Das dritte Kapitel stellt diesen Grossen die peinlichen Ziele gegenüber, die heute das Bildungswesen steuern: unendliches Wachsen von Arbeit und Konsum. Das vierte versucht mit Jürgen Habermas genau zu verstehen, wie es kommt, dass diese Zeit die Verweigerung des Dialogs über die Ziele der Bildungspolitik akzeptiert. Dass der Kontinent der Aufklärung über politische Ziele nicht mehr diskutiert, sondern sich dem Funktionieren hingibt, vorbei an jeder demokratischen Verständigung. Das fünfte Kapitel schlägt eine zusammenschauende Skizze des werdenden Ich und politische Massnahmen vor.
Peter Egger hat dies Buch als Verleger entschlossen gefördert. Christian de Simoni hat sein Wachsen neugierig und geduldig begleitet. Für die Schatten des Kompetenzbegriffs öffnete Martin Graf dem Autor die Augen. Mit ihm, Gerd Rudolf, Alina Guggenbühl, Peter Würsch, Gabriel Zimmerer und Jonathan Gardy durfte er diesen Entwurf kritisch diskutieren. Allen gilt sein aufrichtiger Dank!