Читать книгу Ibiza-Jacques und der Tote im Kräutergarten - Thomas Fitzner - Страница 8
3. Kapitel
Оглавление„Com més bona sa roba, més s’hi veuen ses taques“
(Je besser die Kleidung, umso deutlicher sieht man die Flecken)
Balearisches Sprichwort
Das Café „Mamacita“ lag in einer Seitenstraße des Passeig de Vara de Rey, der Mini-Prachtallee von Ibiza-Stadt. Der Besitzer war Isidoro, ein rückkonvertierter, argentinischer Uralt-Hippie, der Jacques in den ersten Jahren auf der Insel oft geholfen hatte. Wann immer der Schweizer in die Inselhauptstadt kam, legte er einen Kaffee-Stopp in Isidoros „Mamacita“ ein, obwohl das Lokal mit Dunkelholz ausgekleidet, bis ins letzte Detail geordnet und somit ein sehr bürgerlich wirkendes Etablissement war. Die einem Alt-Hippie zustehende Originalität war unscheinbar, doch vorhanden. Neben hervorragendem Blue-Mountain-Kaffee bot Isidoro einen Haufen alter Tageszeitungen, die für zeitlich abgekoppelte News-Konsumenten bereitlagen.
Jacques liebte es, über Dinge zu erfahren, wenn sie längst vorbei waren. Zu den Irrtümern der modernen Gesellschaft gehörte es seiner Ansicht nach, dass Menschen, die in keiner Weise darauf vorbereitet waren und auch keinerlei berufliche Verpflichtung dazu hatten, tagtäglich mit dem Schrecklichsten konfrontiert wurden, was auf dem gesamten Planeten geschah. Auf den inneren Frieden und den Optimismus einer Durchschnittsperson konnte das nur fatale Auswirkungen haben. Daher legte er Wert darauf, das Nachrichten-Gift in homöopathischen Dosen einzunehmen. Und in Momenten, die er wählte, nicht die Welt.
Über den Mordfall im Haus von Mia Shortcut hatte er schon in der Dorfbar gelesen. Geschichten wie diese kamen auf Ibiza immer wieder mal vor, allerdings eher im Sommer, wenn der wilde Teil der Insel in den Vordergrund trat und die andere Realität, in der Jacques zu Hause war, von den Horden aus dem Norden überdröhnt wurde. Gut, dass es für das ausgeflippte Ibiza klar ausgewiesene Zonen gab.
Dass sich Jacques nun für den Toten im Kräutergarten der Rockstar-Tochter interessierte, war auf einen Anruf der Detektiv-Agentur Garau zurückzuführen. Ein gewisser Pau Alcásser hatte sich als „temporärer Leiter“ des Ibiza-Büros dieser spanienweit agierenden Firma vorgestellt und mitgeteilt, man würde gerne „in Sachen eines Mordes“ mit ihm sprechen, ob er mal vorbeikommen könne.
Garau war eine der besten Detektivagenturen Spaniens. Doch in dieser Liga hatte Jacques noch nie gespielt. Seit er vor etlichen Jahren dem Drängen eines Freundes nachgegeben und einen verzwickten Diebstahlsfall gelöst hatte, war der Spät-Hippie zum Spezialisten für „die Klärung merkwürdiger Angelegenheiten“ avanciert und genoss auf der Insel den Ruf eines Geheimtipps. Der Spürsinn, den er als Steuerfahnder in der Schweiz entwickelt hatte und den er hier, in seinem neuen Leben, eigentlich anderen Themen hatte widmen wollen, war noch immer wach und rief nach Beschäftigung. Auch ergab sich daraus für Jacques eine zwar unregelmäßige, doch willkommene Einkommensquelle. Mit dem Verkauf von Granatapfelgelee und hausgebrautem Johannisbrotbier auf den Bio-Märkten der Insel war die Familie nur schwer zu ernähren.
Wenn nun Alcásser von „einem Mord“ sprach, konnte er im Grunde nur diesen einen Mord meinen, der auf dem Anwesen der Rockstar-Tochter entdeckt worden war, und zwar in Gestalt einer Leiche namens Jonathan Waldrum. Im Vorjahr hatte es auf Ibiza gezählte zwei Morde gegeben, und im laufenden Jahr nur diesen einen.
Mit Mord freilich hatte Jacques in seiner Rolle als Freizeit-Detektiv noch nie zu tun gehabt. Interessiert durchkämmte er die alten Zeitungen und fand unter anderem einen langen Artikel in der Insel-Tageszeitung Diario de Ibiza, in dem Mia Shortcut aus Anlass der Affäre porträtiert wurde. Öko-Freak und Adlib-Designerin, lebte zurückgezogen auf ihrem Anwesen Can Raoul, so benannt nach dem berühmten Künstler, Schriftsteller und Dadaisten Raoul Hausmann, der in den 30er Jahren „mit seiner Frau und seiner Geliebten“ mitten im ländlichsten Milieu der Insel seine Verrücktheiten ausgelebt hatte, bis hin zu Performances in der Dorfschenke, vor den Augen von Bauern, die das Spektakel und seinen Urheber für geisteskrank befunden hatten, während sie ahnungslos zu Zeitzeugen der europäischen Avantgardekultur geworden waren.
Die kolportierten Details des Mordfalls waren spärlich. Der Tote war ein bekanntes Mitglied der ibizenkischen Szene gewesen und offenbar ein regelmäßiger Gast in Can Raoul. Was er mitten im Winter, in der Tote-Hosen-Zeit, auf Ibiza zu suchen gehabt hatte, war einer der Gegenstände der Ermittlungen. Typen wie Jonathan Waldrum feierten die kalte Jahreszeit an Orten wie Aspen, Gstaad oder auf Safari in Südafrika. Erst wenn es warm wurde, legten sie sich ihre Adlib-Uniform an und stürzten sich an Schauplätzen wie Ibiza ins Party-Getümmel.
„Sie wollten mich sehen.“
Jacques wartete geduldig, bis der elegant gekleidete Mittvierziger einen ebenso abschätzenden wie abschätzigen Blick von oben nach unten und wieder zurück über die Figur seines Besuchers hatte schweifen lassen. Dann bot der Elegante seine Hand zum Gruß an.
Jacques fragte: „Sind Sie ...?“
„Ja, der bin ich. Und Sie können nur Herr Reinhauser sein.“
Jacques packte Pau Alcássers Hand und schüttelte sie seitwärts statt vertikal. „Die meisten nennen mich Ibiza-Jacques.“
„Was für ein klingender Nom de Guerre. Man hat Sie übrigens falsch informiert“, sagte er und entwand seine Hand Jacques‘ festem Griff. „Ich wollte Sie nicht sehen. Vielmehr wurde ich angewiesen, Sie zu kontaktieren. Davon habe ich meinem Auftraggeber zwar abgeraten, aber er hat darauf bestanden.“
„Ich habe das Gefühl, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Stört es Sie, wenn ich rauche?“
„Ja.“
„Dachte ich mir. Sie sehen viel zu gesund aus für jemanden, den das nicht stört.“
Alcásser atmete tief ein, deutete auf einen Stuhl und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
„Das ist ein sehr elegantes Büro“, sagte Jacques, während er sich umständlich auf dem Stuhl niederließ. „Hier wird nie eine blonde Sexbombe mit einem aussichtslosen Fall zur Tür hereinkommen. Dafür müsste alles etwas schäbiger und origineller sein, und Sie müssten eine Spur besoffener und ungekämmter dreinschauen. Wie in den Filmen.“
„Ich weiß nicht, welche Filme Sie sehen ...“
„Biene Maja, hauptsächlich.“
Alcásser seufzte und legte die Hände zusammen. „Wollen wir die Besprechung in professioneller Weise abwickeln?“
Jacques zuckte die Achseln. „Ich wollte nur höflich sein. Im Integrationskurs habe ich gelernt, dass in Spanien jeder Geschäftstermin mit ein paar Minuten Smalltalk beginnt.“ Er grinste und fletschte die Zähne. „Wie geht es Ihren Kindern?“
Alcásser ignorierte die Frage. Er legte vor Jacques eine dünne, nicht sehr ansehnliche Kartonmappe auf den Tisch und zischte: „Mia Shortcut.“
Jacques vollführte eine kreisende Bewegung mit seinem Zeigefinger. „Die Tochter von diesem ...“
„Rockstar. Sean Shortcut. Sie haben von ihrem Fall gehört?“ Alcásser hob Kopf und Augenbrauen. „Haben Sie irgendetwas darüber gelesen oder muss ich Ihnen die Geschichte von Anfang bis Ende erzählen?“
Jacques mimte Erstaunen: „Sie wollen mir sagen, dass Sie nichts Besseres zu bieten haben als die Geschichten, die wir Normalsterblichen in den Zeitungen lesen? Der Kanzlei Garau hätte ich mehr zugetraut. Aber bevor wir ans Eingemachte gehen, würde ich es für nützlich und auch für ein Zeichen grundsätzlicher Höflichkeit erachten, wenn Sie mir darlegen, was ich hier eigentlich mache. Und zwar in simplen Worten, die auch ein bekiffter Idiot wie ich begreift. Nach Maßgabe dessen, was ich höre, werde ich Ihnen dann sagen, ob mich der Fall Mia Shortcut interessiert.“ Jacques blinzelte eine Weile und fügte dann hinzu: „Über das hinaus, was wir Normalsterblichen so in den Zeitungen lesen.“
Alcássers Knöchel wurden weiß, doch er hatte sich im Griff. „Na gut“, knirschte er. „Meine Auftraggeber haben mich gebeten, Sie ausfindig zu machen. Offenbar erachtet es irgendjemand für sinnvoll, Ihnen die Bearbeitung des Falles anzuvertrauen.“
„Die komplette Bearbeitung?“
Der Detektiv der Kanzlei Garau nickte, ohne sein Gegenüber anzublicken. „Im Wesentlichen ja. Den wichtigsten Teil.“
„Nicht als freiberuflicher Assistent, als Informant oder Suchmaschine?“
Alcásser blickte aus dem Fenster. „Nein.“
Während Jacques versuchte, die Tragweite des Gehörten zu verdauen, ohne vom Stuhl zu kippen, ließ Alcásser mit seinem Mienenspiel keinen Interpretationsspielraum darüber, wie unangenehm ihm dieser Termin war, wie sehr er Typen wie Ibiza-Jacques geringschätzte und vor allem, für welch schrecklichen Irrtum er die Entscheidung seiner Auftraggeber hielt, diesen Fall jemandem wie Ibiza-Jacques anzuvertrauen. Nein, nicht jemandem wie ihm. Ausgerechnet ihm, dem zugereisten Amateur, dessen Name in Ibiza wie der eines Wunderheilers von Ohr zu Ohr geflüstert wurde. Ja, es war die Empörung des gelernten Arztes über die Konkurrenz durch einen Dilettanten, der das kulturlose Volk mit Hokuspokus übers Ohr haute.
„Zu welchen Bedingungen?“, fragte Jacques mit trockener Kehle.
„Das ist Verhandlungssache.“
Kurz kroch Jakob Reinhauser aus seinem Loch, der Schweizer mit der Liebe zu ausgewogenen Haushaltsplänen und millimetergenau abgestimmten Familienbudgets, der sich maßlos freute, dass er Selina die Abschlussreise bezahlen konnte, und vielleicht sogar Geld übrig blieb, um endlich die Sonnen-Tankanlage bauen zu können, dank welcher er in naher Zukunft mit seinem VW-Bus über die Insel surren, nicht knattern würde.
„Mit wem verhandle ich die Sache?“
Alcássers Miene blieb unbewegt. „Zunächst einmal mit mir.“
Jacques dachte eine Weile nach, während er sein Gegenüber studierte. Als er auch nur begann, sich eine Zusammenarbeit mit Alcásser vorzustellen, übernahm jäh sein Hippie-Instinkt die Kontrolle über das Geschehen, ein geballter Widerwillen dagegen, sich mit Typen wie Pau Alcásser arrangieren zu müssen. Genau dazu hatte er keine Lust mehr, und dass er dieser Lust nachgeben konnte, genau darin bestand seine Lebensqualität und sein Vorteil gegenüber allen, die zwar jeden Monat regelmäßig Geld aufs Konto bekamen, aber sich dafür den Magen von Erniedrigungen, Erpressungen und Gemeinheiten zerfressen ließen.
Deshalb fühlte sich Jacques in diesem Moment, da er aufstand und die Arme ausbreitete, sehr zufrieden. „Mein lieber Pau, heute ist Ihr Glückstag. Ich lehne den Auftrag ab. Grüße an Ihre Kinder.“
Alcásser blickte erschrocken auf. „Moment mal, so können Sie mir nicht ...“
„Ist doch für alle besser. Sie meinen ja selbst, dass dieser Fall nicht in meine Hände gehört. Oder habe ich Ihre subtilen Andeutungen missverstanden?“
„Nein“, gab Alcásser widerwillig zu. „Aber meine Auftraggeber sind anderer Meinung.“
Jacques verstand. Nun würde der smarte Profi schlecht dastehen. Er hatte mit seiner Abschätzigkeit zu dick aufgetragen, weil er nie mit der Möglichkeit gerechnet hatte, dass ein notorisch klammer Herumsteher wie Ibiza-Jacques einen Fall wie diesen ausschlagen würde.
„So ein Dilemma aber auch“, sagte Jacques und wandte sich zum Gehen. „Dann bis zum nächsten Mal!“
„Warten Sie einen Moment!“, rief Alcásser, und es klang nun wie ein Flehen. „Ich bitte Sie – lassen Sie uns gemeinsam einen Anruf tätigen und dann entscheiden Sie. Einverstanden?“
Jacques blies geräuschvoll Luft aus. „Na gut, dann will ich mal nicht so sein.“
„Bitte setzen Sie sich!“ Alcásser deutete auf den Stuhl und wirkte nun einen Tick freundlicher. Auf seiner Stirn waren Schweißperlen zu erkennen. Er stellte das Konferenztelefon an und Jacques hörte, wie der Garau-Detektiv mit der Sekretärin der Firmenzentrale in Palma de Mallorca auf Katalanisch besprach, ob der Grund des Anrufs dringend genug war, um die Chefin aus einer Besprechung zu holen. Es war.
„Alcásser?“, erklang eine weibliche Stimme.
„Ja, ich bin‘s. Sitze hier mit Herrn Jakob Reinhauser ...“
„Ibiza-Jacques“, sagte die Frau. „Es ist mir ein Vergnügen, endlich einmal mit einer Legende der Branche sprechen zu können. Ich bin Maribel Garau, mir gehört dieser Laden. Wie geht es so?“
„Relativ ausgezeichnet“, erwiderte Jacques. Die überbordende Freundlichkeit von Maribel Garau machte ihn misstrauisch. Legende der Branche – so dick hätte sie nicht auftragen müssen. Die Balearen-Bewohner waren für ihre Reserviertheit bekannt. Vor Insulanern, die von Beginn weg sehr freundlich waren und sich in Lobeshymnen ergingen, wurde ausdrücklich gewarnt.
Er bemühte sich um einen neutralen Tonfall. „Auch ich bin auf einmal erfreut, mit der Kanzlei Garau einen kollegialen Austausch zu zelebrieren.“
„Aber es gibt ein Problem, sonst würdet ihr beiden mich nicht anrufen. Was hat Alcásser dir angeboten?“
Jacques registrierte, dass Maribel Garau gleich zu Beginn der Konversation das vertraulichere „du“ eingeführt hatte, was in diesem Kulturkreis zwei Interpretationen zuließ: Sie hielt ihn für gesellschaftlich niedriger angesiedelt oder war informell wie die meisten Spanier. Er beschloss das zu testen, indem er bei der Sie-Form blieb. „So weit sind wir nicht gekommen, darum hat er Sie angerufen.“
„Ich verstehe“, sagte Garau. „Das ist wohl nicht so gut gelaufen zwischen Ihnen beiden. Herr Ibiza-Jacques, wenn ich Sie so nennen darf ...“
Gut, dachte Jacques. Zurück zum „Sie“, das hieß, sie respektierte ihn.
„Ich erkläre Ihnen kurz die Situation“, fuhr Garau fort. „Der Rechtsanwalt der Familie Shortcut sieht angesichts der aktuellen Beweislage die Gefahr, dass Frau Shortcut aufgrund von Indizien des Mordes angeklagt wird. Unser Eindruck ist der, dass die Verhältnisse im Umfeld der jungen Frau zu dieser Situation beigetragen haben. Nun sind diese Verhältnisse für einen Außenstehenden sehr schwierig zu durchschauen. Die Leute in Can Raoul sind ein ziemlich merkwürdiger Haufen, das typische Umfeld eines Superstars im Musikgewerbe. Deshalb ist der Gedanke aufgekommen, dass wir am ehesten Aussicht auf Erfolg haben, wenn wir eine ... darf ich offen sein? ... eine gleichermaßen unorthodoxe Persönlichkeit auf den Fall ansetzen. Karten auf den Tisch: Wir haben mit unseren Leuten auf Granit gebissen und kommen einfach nicht weiter.“
„Verstehe ich Sie richtig?“, erwiderte Jacques. „Der Patient ist dem Tode geweiht, und weil es ohnehin nichts schaden kann, probieren Sie es nun mit alternativer Medizin?“
„Herr Ibiza-Jacques, Sie wollen mich nicht dazu drängen, Ihnen jede Qualifizierung abzusprechen?“
Jacques musste grinsen.
„Wir haben die Hoffnung, dass Sie ...“, fuhr Garau fort. „Nun ja.“
Alcásser half aus: „Dass Sie sich besser mit diesen Verrückten verstehen.“
„Alcásser, ich bitte dich!“, flehte Garau.
„Er hat das sehr treffend formuliert“, gab sich Jacques großmütig. „Weiß denn Fräulein Shortcut von dieser Idee?“
„Ich meine, die Idee kommt von ihr“, sagte Garau. „Stimmt‘s, Alcásser?“
„Stimmt.“
„Na gut.“ Jacques erhob sich und sagte zu Alcásser: „Dann fahren Sie mich morgen zum Haus der jungen Dame, und wenn ich mit ihr klarkomme, nehme ich den Fall an. Zu meinen Bedingungen.“
Alcásser und Garau blieben kurz stumm, bis die Kanzlei-Chefin mit einer Spur Resignation in der Stimme sagte: „Dann fahr ihn eben hin.“
Alcássers Blick wurde scharf. „Ich hoffe nur, dass die Veranstaltung nicht alleine deshalb stattfindet, weil Herr Ibiza-Jacques die Tochter des berühmten Sean Shortcut kennenlernen will.“
Bevor der Angesprochene etwas äußern konnte, sprang Garau in die Bresche: „Jacques ist Profi. Wenn wir ihm nicht trauen, macht es auch keinen Sinn, ihm den Fall anzubieten.“
Dazu hätte Alcásser gerne etwas gesagt, aber er behielt es für sich. Er wollte nicht der Schuldige sein, wenn Jacques absagte. Er würde nur intern klarstellen, was er von der Idee hielt, denn das konnte nur in die Hosen gehen, und er wollte von dieser Verantwortung klar entbunden sein.
Als das Telefongespräch beendet und das Arrangement für den folgenden Tag organisiert war, zwang sich Alcásser zu einem Lächeln. „Ist das nun der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?“
„Absolut“, antwortete Jacques. „Sie und ich, wir müssen mal in der Nacht der Sommersonnenwende gemeinsam textilfrei auf der Spitze der Insel Es Vedrà meditieren. Sie werden sehen, wie unsere Beziehung dadurch eine völlig neue Dimension erhält. Abgemacht?“
Alcásser hob mahnend den Kopf. „Vergessen Sie das Dossier nicht.“
„Ah, die Mappe mit den Zeitungsausschnitten.“
„Unsere Investigationsergebnisse. Wenn Ihnen etwas fehlt, schicke ich Ihnen das per E-Mail nach.“
„Und wenn das, was mir fehlt, ein Internetanschluss ist?“
„Dann machen wir das eben mit Trommelsignalen. Herr Reinhauser, Verzeihung, Herr Ibiza-Jacques, einen schönen Tag noch und bis morgen achtzehn Uhr auf Ihrer Finca!“
Doch Jacques machte keine Anstalten, das Büro zu verlassen. „Moment“, sagte er und kramte in seiner Ledertasche. Er holte ein kleines Etui hervor, klappte es auf und hielt Alcàsser ein Schwarzweiß-Foto vor die Nase. „Kennen Sie diesen Mann?“
Reflexartig schüttelte Alcásser den Kopf, mehr aus Verblüffung denn als Antwort. Dann sah er sich das Foto noch einmal genauer an. „Wer ist das?“
„Orell Reinhauser.“
Alcássers Stirn runzelte sich. „Verwandt?“
„Mein Bruder. Jemals von ihm gehört?“
Alcásser ließ ein paar Sekunden verstreichen, dann blickte er Jacques prüfend an und fragte: „Was ist mit ihm?“
Jacques zuckte die Achseln und erwiderte mit einer Geste, als habe die Sache keine große Bedeutung: „Ich würde gerne wissen, wo er ist. Hat eine zeitlang auf Ibiza gelebt.“
Der Detektiv schürzte den Mund und ließ die Zunge umherwandern, ein Signal, dass er nachdachte. Abrupt sagte er schließlich: „Keine Ahnung. Also dann bis morgen.“