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2. Dezember: Die Kuscheltiere feiern Advent (K)

In den Wochen vor Weihnachten herrscht in den Kaufhäusern immer besonders geschäftiges Treiben. Eltern und Großeltern suchen Geschenke für die Kinder, Männer verzweifeln an den unausgesprochenen Wünschen der Frauen, und Kinder stehen staunend vor den Kuscheltier- und Spielzeugregalen. Doch was passiert eigentlich an den Wochenenden, wenn der Nachtdienst die Türen verschließt und endlich Ruhe einkehrt?

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Oskar nahm seine Trompete und schmetterte ein paar schiefe Töne. „Alle einmal hergehört!“ Töö-tö-tö-töö-töö-tööööö erklang noch einmal die Trompete. „Wir treffen uns in fünf Minuten am Versammlungsplatz vor den Rolltreppen.“ Oskar wiederholte das Trompetensignal und kletterte dann mühsam am Regal hinab. Der Abstieg fiel ihm in der letzten Zeit merklich schwerer. Es quietschte und knarrte bei immer mehr Bewegungen. Irgendwann würde er die Versammlungen vor seinem Regal abhalten müssen, dachte er. Aber solange er noch den Weg zurücklegen konnte, wollte er an der Tradition festhalten. Die Tradition, die er selber vor so vielen Jahren begründet hatte. Die Idee dazu hatte er schon kurz nach der Eröffnung des Kaufhauses gehabt. Als einziges der hier lebenden Spielzeuge hatte er die Feier miterlebt. Das feierliche Durchschneiden des Bandes vor dem Hauptportal, das schwungvolle Öffnen der Türflügel, die glänzenden Augen der Menschen. Er hatte alles aus nächster Nähe beobachten können. Karl hatte ihn im Arm gehabt, ihn, Oskar, sein Lieblingsspielzeug. Und als Karl der Chef des Kaufhauses wurde, hatte er Oskar oben auf ein Regal in der Spielzeugabteilung gestellt. Zusammen mit seiner Trommel, der Trompete, einem Köfferchen, seinem Hut, den übergroßen Schuhen und natürlich der Clownsnase. Seine Mechanik war ein wenig eingerostet. Aber es hatte ihn ohnehin schon seit vielen Jahren niemand mehr zum Trommeln und Tanzen gebracht. Stattdessen stand er tagaus, tagein auf seinem Beobachtungsposten und bewegte sich nur dann, wenn kein Mensch im Kaufhaus war. Und im ersten Winter hatte er seine Idee in die Tat umgesetzt und seitdem in jedem Jahr wiederholt.

So, noch das letzte Brett, dann stand er auf dem Fußboden und wackelte zur Rolltreppe. In den ganzen umliegenden Regalen verließen Elefanten, Krokodile, Affen, Schildkröten, aber auch Katzen, Hunde, Mäuse, Teddybären, Delfine, Puppen und Meerjungfrauen ihre zugedachten Plätze und marschierten, hüpften, sprangen oder glitten zum Treffpunkt. Die große Schlange hatte den Wasserbewohnern angeboten, sie zu tragen. Sie drohten, bei jeder Biegung von ihrem Transporttier hinunterzustürzen, kicherten und klammerten sich fest. Und doch kamen alle heil bei der Kundgebung an.

Oskar kletterte ein paar feststehende Rolltreppenstufen hinauf und drehte sich um. „Ich habe euch hier zusammengerufen“, Oskar räusperte sich und machte eine Pause, so wie er es oft bei Karls Vater erlebt hatte, „um euch daran zu erinnern, dass heute ein besonderer Tag ist. Heute ist - wie einigen von euch sicher schon aufgefallen ist - der Tag, auf den viele von euch schon sehnsüchtig warten: Der erste Advent.“

Oskar wartete, bis sich der Jubel gelegt hatte. Dann sprach er weiter. „Ich habe mitbekommen, dass es schon in den letzten Tagen Gesprächsthema war. Die Erfahrenen von euch kennen es noch aus dem letzten Jahr, auch wenn es - außer mir natürlich - nicht mehr viele gibt, die länger als ein Jahr hier verweilen. Die Zeit ist so schnelllebig geworden …“

Oskar schluckte den Kloß im Hals herunter, den er immer bekam, wenn er an früher dachte, an die Zeit, als er noch in Karls Kinderzimmer gelebt hatte. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Menge vor sich. Einige von ihnen blickten noch gespannt zu ihm empor, doch die meisten flüsterten und tuschelten aufgeregt miteinander. Oskar runzelte die Stirn und schlug auf seine Trommel. Erschrocken fuhren die Spielzeuge auseinander.

„Der erste Advent ist für uns das, was für die Menschen der Heilige Abend ist: Der große Festtag der Familie, unserer Spielzeug-Familie hier. Noch sind die meisten von uns vor Ort, aber Adventszeit bedeutet auch Trennung und das Finden neuer Familien. Und deshalb wollen wir feiern: Wir freuen uns, dass wir beisammen sind, nehmen Abschied und freuen uns auf neue Abenteuer. Und bevor ich es später vergesse: Passt auf euch auf! Vor allem ihr“, er wandte sich an die Pferdesammlungen und die Affenmamas mit Kind, „die ihr als Familie verkauft werdet. Achtet auf euch, damit ihr gemeinsam euer Abenteuer erreicht!

Jetzt aber zurück zu unserer Feier: Heute Nachmittag, mit Einbruch der Dunkelheit, beginnt unser Fest. Wir werden wieder hier feiern, hier im Bereich vor den Rolltreppen. Dort an der Regalecke“, Oskar deutete auf den Beginn des Spielzeugbereichs, „legen wir eine Decke auf den Boden, darauf kommt dann mein Koffer. Bären und Elefanten, könnt ihr das vorbereiten?“

Die Angesprochenen brummten und tröteten zustimmend.

„An das Regal hängen wir einen Türkranz. Puppen, könnt ihr den mit einem Auto und Anhänger transportieren?“

Die Puppen nickten und wollten schon losstürmen, wurden aber von Oskar zurückgehalten. „Wartet bitte ab, bis wir alles besprochen haben. Dann gibt es hinterher nicht so viel Chaos.“ Oskar fuhr sich mit der Hand über die Stirn und murmelte zu sich: „Das wird es unweigerlich sowieso geben. Niemand kann mehr zuhören, und mitgedacht wird ohnehin nicht …“

Laut fuhr Oskar fort: „Auf den Koffer stellen wir eine elektrische Kerze. Affen und Krokodile, sucht bitte ein schönes Exemplar aus. Ihr findet sie dort in der Dekoabteilung. Ihr könnt zusammen mit den Puppen gehen, später natürlich!

Dann kommen wir zu der übrigen Deko: Strohsterne, Christbaumanhänger, Lichterbögen und was es sonst noch so gibt. Barbies, das wäre doch eine gute Aufgabe für euch. Fragt die Giraffen, ob sie euch beim Aufhängen helfen.“

Die kleinen Puppen kicherten und drängelten sich zu den Giraffen, die huldvoll ihre langen Hälse beugten und die aufgeregten Mädchen begrüßten.

„Jetzt benötigen wir noch etwas zu essen. Getränke lassen wir weg. Wenn ich da an den Unfall vom vorletzten Jahr denke … Das war eine Sauerei. Beinahe hätten wir es bis zum nächsten Morgen nicht wieder trocken bekommen. Trotzdem hat der Boden noch entsetzlich geklebt. Und der Geruch ... Die arme Putzkraft musste sich ganz schön was anhören!“

Oskar schämte sich heute noch, wenn er an das Durcheinander dachte, das sie verursacht hatten. Es war eine ausgelassene Party geworden. Einer der Affen wollte ein Kunststück zeigen und war mit einem Doppelsalto vom Regal gesprungen. Leider war er auf dem Fuß eines Elefanten gelandet, der daraufhin zur Seite ausgewichen war und dabei die Karaffe umgeschüttet hatte. Die Limonade war bis unter die Regale gelaufen, und die Fußspuren waren in der gesamten Abteilung zu finden gewesen. Damals hatte er beschlossen: Nie wieder Getränke.

„Also, nur Kekse“, setzte Oskar seine Rede fort. „Hasen, bitte holt ein paar Tüten aus der Feinkostabteilung. Und für die musikalische Untermalung setzen wir die Spieldosen ein. Meerjungfrauen, bitte kümmert euch darum. Wenn ihr möchtet, könnt ihr auch wieder einen Chor gründen. Da habt ihr ja schon Erfahrung.“

„Au ja“, piepste eine rothaarige Meerjungfrau, „das machen wir. Freiwillige können sich bei mir melden!“

„Ihr habt es gehört. Freiwillige wenden sich bitte direkt an unsere Meerjungfrauen.“ Oskar überlegte und nickte sich dann selber bestätigend zu. „Damit hätten wir auch schon die Planung abgeschlossen. Jeder kennt seine Aufgabe?“ Oskar ließ seinen Blick durch die Reihen schweifen. „Dann wünsche ich uns allen viel Spaß bei der Vorbereitung und später ein schönes Fest!“

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Horst, der alte Nachtwächter, der zu einem zusätzlichen Sonntagsdienst eingeteilt worden war, öffnete die Tür zum nächsten Stockwerk des Kaufhauses. Wie immer am Wochenende, wenn die Fahrstühle und Rolltreppen abgestellt waren, musste er zu Fuß gehen. 29 anstrengende Stufen und ein Podest waren es pro Stockwerk, die er im Lichtkegel seiner Taschenlampe bewältigen musste. Erschöpft ließ er den schweren Schlüsselbund in seine Tasche gleiten und atmete durch. Erstaunt lauschte er. Das Treppensteigen musste ihm schwerer gefallen sein als sonst. Er hörte leise Weihnachtsmusik, dazu wurde gesungen. Kicherte da nicht auch jemand? Horst wischte sich über die Augen und ließ dabei die schwere Feuerschutztür los, die den Verkaufsraum vom Treppenhaus trennte. Sie fiel mit einem lauten Knall ins Schloss.

Horst horchte. Er musste sich getäuscht haben. Alles war still, kein Gesang, kein Kichern war mehr zu hören. Er ging ein paar Schritte, bis er den Bereich vor den Rolltreppen erreichte. Dort war ein weihnachtlicher Läufer ausgebreitet, auf dem ein Koffer lag. Darauf stand eine flackernde LED-Kerze inmitten von künstlichen Zweigen, Sternen, Wichteln und Skifahrern. Um die Kerze waren unglaublich viele Kuscheltiere und Spielsachen angeordnet. Es wirkte auf ihn wie ein weihnachtliches Schaufenster mitten im Kaufhaus. Hatte der Bär dort vorn nicht sogar einen angebissenen Keks in der Pfote?

Horst schüttelte den Kopf. Er musste den Chef informieren. Wer auch immer sich das überlegt hatte, mit ihm war es nicht abgesprochen. Es ging ja auch gar nicht. Die Sicherheit, wenn dort jemand stolperte … Horst zog sein Handy aus der Tasche, wählte eine Nummer und setzte seinen Rundgang durch die Gänge fort.

Sein Chef meldete sich am Telefon. „Horst, ich hoffe, es ist wichtig, wenn Sie mich schon am Sonntag stören! Meine Familie erwartet mich beim Adventsessen. Es gibt Raclette und hinterher die leckeren Kekse, die mein Schwiegervater mit den Kindern gebacken hat. Wir feiern doch immer am ersten Advent mit der Familie.“

„Das ist ein gutes Stichwort, Chef“, antwortete Horst. „Ich bin grad auf meiner Runde. Und wissen Sie, was ich da entdeckt habe?“

„Nein. Aber Sie werden es mir bestimmt gleich verraten.“

„Hier findet auch eine Adventsfeier statt. Also, es ist alles dafür aufgebaut, aber mit Kuscheltieren und mitten im Gang.“

Der Chef lachte dröhnend ins Telefon. „Sie wollen mir also sagen, die Kuscheltiere feiern Advent?!?“

„Genau, Chef. Warten Sie, ich schicke Ihnen gleich ein Foto.“

Horst beendete das Telefonat und ging um die Ecke. Vor ihm lag wieder der Platz bei den Rolltreppen. Er war frei. Kein Kuscheltier und kein Spielzeug stand mehr im Weg. Nur ein angebissener Keks lag noch herum.

Horst schüttelte den Kopf. Das war doch nicht möglich … Gerade hatte es noch so ausgesehen, als ob da im Gang eine Adventsfeier mit ganz vielen Kuscheltieren stattgefunden hätte. Und jetzt? Der Aufbau konnte sich doch nicht in Luft auflösen.

Horst sah sich um. Dort hinten hing ein Affe am Wandregal, mitten vor den anderen Fächern. Schwankte der nicht hin und her? Und der alte Clown mit der Trommel, der sonst immer auf dem obersten Brett stand, saß daneben und stützte sich auf einen Schlägel. Zwinkerte der ihm etwa zu? Das konnte nicht sein. Er, Horst, Nachtwächter aus Leidenschaft, war es doch gewohnt, nachts zu arbeiten. Da sah er doch nicht plötzlich Dinge, die es so nicht gab. Nicht geben konnte. Oder etwa doch?

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