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1. Dezember: Das Plätzchenrezept (J&E)

Sarah nahm sich einen kleinen Brocken aus der Schüssel und steckte ihn in den Mund. Hmmm … Gar nicht so übel. Aber etwas Besonderes war es auch nicht. Sollte sie noch etwas mehr Zimt nehmen? Nein, das hatte sie gestern schon probiert. Oder noch etwas mehr Kakao? Vielleicht war es auch schon zu viel? Sarah seufzte und vertiefte sich grübelnd wieder in ihr Rezept. Eigentlich müsste sie gar nicht mehr nachschauen, so oft hatte sie sich schon in den letzten Tagen daran versucht. Und jedes Mal war sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden gewesen. Dabei backte sie diese Plätzchen schon seit ihrer Kindheit.

Für Sarah,

zum 11. Geburtstag

von Mama und Papa,

stand als Widmung auf der ersten Seite. Und seitdem hatte sie die Kekse in jedem Jahr gebacken, mindestens zwölf Mal. Und bis zum letzten Jahr war sie auch immer damit zufrieden gewesen. Aber allein in dieser Adventszeit hatte sie schon genauso viele Versuche gestartet. Und keines dieser Ergebnisse kam an die Plätzchen aus dem Vorjahr heran. Dabei wäre es grad in dieses Mal so wichtig gewesen.

Dieses war jetzt ihre letzte Chance, leckere Exemplare zu produzieren, denn morgen würde sie in den Zug steigen. Der Koffer war schon gepackt. Sie hatte gleich damit angefangen, als Alex die Nachricht geschickt hatte, die Nachricht, die sie nachts mit Herzklopfen aufwachen ließ. Die Nachricht, die dazu führte, dass sie tagsüber mit einem dümmlichen Lächeln aus dem Fenster starrte. Die gleiche Nachricht, die sie blind und taub machte, so dass ihre Kollegen sie schon in die Seite stießen, wenn Kunden Hilfe benötigten. Jedes Outfit war bewusst gewählt, gebügelt und ordentlich gefaltet im Koffer gelandet. Auf dem Stuhl neben dem Bett lagen ihr Lieblingsshirt und die neue Jeans für die Fahrt, dazu ihre edelste Unterwäsche. Nur eine Ecke des Koffers hatte sie freigelassen. Für ihre schönste Plätzchendose. Aber was ihr dafür noch fehlte, waren eben genau noch die Plätzchen. Dieser Versuch musste einfach gut werden.

Toll, dass Du auch kommst. Auf Dich freue ich mich besonders. Und auf Deine Kekse … Dazu hatte Alex einen seiner berühmten Grinsesmileys gesetzt. Er schien eine geheime Quelle dafür zu kennen. Als sie alle noch nur mit Lachen und Weinen gearbeitet hatten, hatte er ganze Gemälde aus Zeichen gestaltet. Und jetzt schien er für jede Emotion ein Bildchen zu kennen. Bisher hatte sie es nur im Gruppenchat bewundern dürfen. Aber die letzte Nachricht war für sie gewesen, nur für sie allein. Ein zwinkerndes Gesicht mit roten Wangen und einem angedeuteten Kuss. Das konnte nur bedeuten, dass er den Abend vom letzten Jahr auch nicht vergessen hatte. Und ausgerechnet jetzt wollten die Kekse einfach nichts werden.

„Das kann doch nicht wahr sein! Warum klappt das denn nicht?“

Sarah schlug entnervt das Buch zu und steckte sich noch einen Brocken des Teiges in den Mund.

„Weil deine Erinnerungen dir einen Streich spielen!“

Wo kam denn das gerade her? Sarah sah sich erstaunt um. Sie kannte niemand mit einer so hellen Stimme. Außerdem war sie doch allein in der WG.

„Du kannst mich nicht sehen.“ Die Stimme lachte. „Ich bin nämlich in dir.“

„In mir? Was soll das denn heißen?“

„Ganz einfach. Ich bin deine innere Stimme. Normalerweise kennst du mich nur, wenn du eine Idee hast. Oder wenn du nachdenkst. Dann klinge ich aber wie du. Also, wie ich. Denn ich bin ja du. Wir sind ja ich …“ Sarah hörte förmlich, wie die Stimme den Kopf schüttelte. „Du bringst mich ja völlig durcheinander.“

„Tut mir leid“, entschuldigte sich Sarah automatisch.

„Schon gut. Ich wäre auch verwirrt, wenn ich mich das erste Mal hören würde.“

„Nein, es tut mir überhaupt nicht leid.“ Sarah stieß sich von der Arbeitsplatte ab und ging entschlossen durch die Küche. „Was rede ich denn da? Ich bin verrückt! Ich rede mit einer Stimme und entschuldige mich auch noch, dass ich die Stimme durcheinanderbringe. Was ist das denn für ein Quatsch?“

„Du bist nicht verrückt!“

„Nein, natürlich nicht, weil das ein blöder Scherz ist! Wer hat das inszeniert? Stefan? Oder Chrissy? Ihr hattet euren Spaß. Ich bin voll drauf reingefallen. Haha, sehr witzig! Aber jetzt kommt raus!“

„Deine Mitbewohner haben damit nichts zu tun. Ich bin es wirklich.“ Die Stimme klang ein bisschen ungehalten. „Ich kann auch wie du klingen. So kennst du mich.“

Sarah runzelte die Stirn.

„Ja, so hast du mich schon oft gehört“, dachte die Stimme in Sarahs Kopf. Sie klang nun wie ihre eigene Stimme. „Wenn die Plätzchen doch nur endlich so schmecken würden wie im letzten Jahr! Das denkst du doch, oder?“

„Das ist ja auch nicht schwer zu erraten! Schließlich wissen alle, dass ich seit fast zwei Wochen jeden Abend diese bescheuerten Kekse backe. Jeden Tag! Ich kann sie nicht mehr sehen. Und deshalb hat ja auch schon fast jeder in meinen Kursen oder im Copyshop meine Kekse gegessen.“

„Aber nur ich weiß, warum du dir solche Mühe gibst.“ Die Gedanken kamen einfach so in ihren Kopf. „Denn ich war letztes Jahr auch mit dabei.“

„Aaaaah! Das ist doch alles nicht wahr!“ Sarah blieb stehen, raufte sich die Haare und stützte sich auf der Arbeitsplatte ab. „Red wenigstens wieder mit deiner normalen Stimme. Das macht mich fertig, wenn du so klingst wie meine Gedanken. Wie soll ich dann wissen, was ich denke und was du sagst?“

„Bitte, gern, wenn es dir so lieber ist“, hörte Sarah wieder die hohe Stimme. „Aber eigentlich ist es auch völlig egal. Denn ich bin du. Das wollte ich dir ja gerade schon erklären, aber du hast mich unterbrochen. Darf ich jetzt?“

„Bitte, bitte, tu dir keinen Zwang an.“ Sarah wischte einen Krümel von der Arbeitsfläche. „Sag, was du zu sagen hast. Und dann lass mich bitte wieder in Ruhe!“

„Den Wunsch kann ich dir leider nicht erfüllen. Denn wie ich schon sagte, ich bin ein Teil von dir. Ich bin deine innere Stimme. Ich bin bei dir, solange du denken kannst. Ich bin dein Denken und ich bin dein Gewissen. Und ich gestalte mit dir deine Erinnerung.“

„Was meinst du damit, wir gestalten meine Erinnerung?“

„Dazu komme ich noch später. Denn das ist ein wesentlicher Punkt. Erinnerung ist subjektiv. Aber wo war ich? Ach ja, dabei, dass ich ein Teil von dir bin. Ich bin immer da. Wir sind zur gleichen Zeit wach, wir schlafen zur gleichen Zeit. Wir essen zusammen und wir arbeiten zusammen. Wir machen zusammen Sport, wir leiden zusammen, wir freuen uns zusammen und wir lieben zusammen. Wir kommen zusammen auf die Welt und wir sterben zusammen. Wir sind eins. Und meistens sind wir auch einer Meinung. Wenn du unsicher bist, fragst du mich um Rat und hörst auf mich. Das ist gut, denn es ist wichtig, mit sich selbst im Reinen zu sein. Aber die letzten Tage, da weiß ich gar nicht, was ich mit dir machen soll.“

„Die letzten Tage?“, unterbrach Sarah den Gedankengang ihrer inneren Stimme.

„Du weißt genau, was ich meine. Die letzten fast zwei Wochen bist du nicht mehr du selbst gewesen. Genauer gesagt seit 13 Tagen, seit dem Moment, in dem du die Nachricht gelesen hast, die Alex dir geschrieben hat.“

„Du weißt von der Nachricht?“ Sarah spürte, wie ihre Wangen warm wurden.

Ihre Stimme seufzte. „Natürlich weiß ich von der Nachricht. Soll ich es noch einmal wiederholen? Wir sind zur gleichen Zeit wach, wir schlafen zur gleichen Zeit. Wir essen …“

„Nein, schon gut! Ich glaube, ich habe es verstanden.“ Sarah schüttelte den Kopf. „Soweit man das überhaupt verstehen kann …“

„Also, noch einmal zurück: Natürlich kenne ich die Nachricht. Und ich weiß auch, warum du seitdem jeden Tag Plätzchen backst. Und jeden Tag nimmst du dafür dasselbe Rezept. Nicht mal Vanillekipferl und dann Lebkuchen, am nächsten Tag vielleicht Schwarzweiß-Gebäck und danach Schoko-Nuss-Makronen. Nein, immer dasselbe Rezept. Das Rezept, das du seit deinem 11. Geburtstag in jedem Jahr gebacken hast.“

„Ja, und immer haben die Kekse geschmeckt. Nur jetzt, ausgerechnet jetzt wollen sie nichts werden“, jammerte Sarah. „Dabei habe ich alles probiert: Ich habe mal ein bisschen mehr Zimt genommen, mal ein bisschen weniger, mal mehr Kakao, mal weniger Kakao, dafür aber mehr Zimt und Honig, mal waren sie bei niedrigerer Temperatur länger im Backofen, mal hatte ich ihn etwas heißer eingestellt. Was ich auch versucht habe, nichts hat geholfen! Und jetzt erzählst du mir, ich sei nicht ganz bei mir. Ist das etwa ein Wunder?“ Sarah ließ sich auf den Fußboden sinken und lehnte sich gegen den Küchenschrank.

„Hast du den Keksen denn jemals eine echte Chance gegeben?“, fragte die Stimme freundlich.

„Wie meinst du das? Natürlich habe ich sie probiert!“

„Ja, das weiß ich. Aber was hast du dabei gedacht, als du sie probiert hast? Vor zwölf Tagen oder letzte Woche oder gestern?“

„Das musst du doch wissen! Ich dachte, wir machen alles zusammen.“

„Natürlich weiß ich es. Ich möchte es aber von dir hören!“

Sarah schüttelte den Kopf. Sie hatte fast den Eindruck, ihre Stimme würde sich zurücklehnen und sie abwartend ansehen. Vielleicht wippte sie auch noch mit dem Fuß. Hatte sie etwa Sandalen an? Flip-Flops? Im Winter? Was denke ich da nur? Eine Stimme trägt Flip-Flops?

„Du lenkst ab!“, ermahnte sie die Stimme. „Natürlich trage ich gern Flip-Flops. Ich bin du, schon vergessen?“

Sarah sah auf ihre Füße. Ja, auch sie lief gern barfuß oder mit Flip-Flops herum. Im Winter allerdings nur in der Wohnung. Dafür zog sie sich allerdings auch als erste einen Pullover über, wenn alle anderen noch kurzärmelig herumliefen und die letzten Sonnenstrahlen genossen. Eigentlich war sie eben doch ein Friasling, wie ihr Vater sie früher immer genannt hatte, da sie so schnell fror.

„Ein Friasling mit Flip-Flops“, lachte die Stimme. „Aber zurück zum Thema!“

„Was war das noch mal?“

„Die Kekse. Hast du ihnen jemals eine echte Chance gegeben? Was hast du gedacht, als du sie probiert hast? Oder besser: Woran hast du dabei gedacht?“

Sarah atmete tief ein und aus und schloss die Augen. Sofort fühlte sie sich zurückversetzt an den einen entscheidenden Abend im letzten Jahr. Auch damals waren sie zusammen auf der Hütte gewesen, Sarah, Alex, Jenny, Niklas und Tobi, ihre ganze Clique aus der Schulzeit. Sie waren zusammen Ski gefahren, hatten Schneewanderungen unternommen, waren im Schwimmbad und hatten sich eine Schneeballschlacht geliefert, die sich gewaschen hatte, bis sie dann lachend im Schnee gelandet waren. Abends hatten sie bei Käse und Wein zusammengesessen und sich die alten Geschichten erzählt. Von Herrn Schleich, der ohne seine Chemie-Notizen aufgeschmissen war, und der alten Knobloch, die immer heimlich ihre Illustrierten während der Aufsicht las. Und irgendwann waren nur noch Alex und sie übrig geblieben. Das Feuer knisterte, sie lachten, der Wein zeigte seine Wirkung, und nach und nach war der Abstand zwischen ihnen immer geringer geworden. Es fühlte sich einfach nur natürlich an, sich an ihn zu lehnen, ihre Hand in seiner zu spüren, seinen Daumen auf ihrem Handrücken, ihrer beider Finger, die sich ineinander verschränkten. Ihr ganzer Körper hatte gekribbelt, nicht nur die Stellen, die er berührt hatte. Und dann hatten sie sich mit Plätzchen gefüttert, den Plätzchen, die sie mitgebracht hatte. Irgendwann wischte er ihr einen Krümel aus dem Mundwinkel und küsste sie vorsichtig. Sie fühlte Wärme, Kribbeln, das Kratzen seines Bartansatzes, schmeckte Wein, Käse und eben ihre Plätzchen. Sie fühlte sich zu Hause, angekommen, eine vertraute Situation und trotzdem aufregend neu.

Am nächsten Morgen hatten die anderen wissende Blicke geteilt. Niklas konnte sich natürlich einen Kommentar nicht verkneifen und wurde dafür von Jenny strafend in die Seite gestoßen. Dabei war gar nichts passiert. Wie auch? Es gab ja nur zwei Schlafzimmer und ihres teilte sie sich mit Jenny. Diese hatte natürlich schon längst geschlafen, schließlich waren die Sterne am Himmel schon blasser geworden. Oder der Himmel heller, wie man es sehen wollte.

Diese Nacht hatte sie trotzdem nicht vergessen. Und mittendrin ihre Plätzchen.

Alex war kurz nach Silvester wieder zum Studium nach Barcelona zurückgekehrt, und sie hatte ihre Tage im Zwiespalt zwischen der Uni und dem Job im Copyshop verbracht. Natürlich hatte sie Alex nicht das ganze Jahr hinterher getrauert. Trotzdem hatte sie immer mal wieder an ihre gemeinsame Nacht gedacht. Und er hatte es offensichtlich auch nicht vergessen. Und die Rolle, die ihre Plätzchen dabei gespielt hatten, auch nicht.

„Und deshalb ist es auch so wichtig, dass sie genauso gut werden wie letztes Jahr“, ergänzte Sarah ihre Gedanken.

„Und da haben wir das Problem.“

„Genau. Sie waren super. Und jetzt schmecken sie, tja, halt nach Margarine, Mehl, Zucker und Eiern.“

„Nicht zu vergessen, nach Zimt und Kakao“, neckte sie die Stimme.

„Hey, das ist ein ernstes Problem!“, beschwerte sich Sarah. „Sie waren magisch, und jetzt sind es einfach Plätzchen.“

„Das ist das, was du in ihnen siehst. Und das meinte ich, als ich mich bei dir eingeschaltet habe. Deine Erinnerungen spielen dir einen Streich.“

„Was meinst du damit?“

„Erinnerungen sind nie objektiv. Sie sind nicht messbar. Frage drei Personen, die gemeinsam einen Abend erleben. Jeder wird dir die Situation anders schildern. Es spielt so viel zusammen. Deine Gefühle, deine Stimmung, deine gemachten Erfahrungen, deine Gedanken: All das beeinflusst deine Erinnerung.“

„Du meinst, es ist gar nicht so passiert, wie ich es in Erinnerung habe?“

„Doch, für dich in diesem Fall schon. Aber es wäre sogar möglich, dir eine Erinnerung an eine Begebenheit zu schaffen, die du gar nicht selber erlebt hast. Und trotzdem könntest du irgendwann das Erlebte in der Erinnerung spüren.“

„Das klingt verrückt.“ Sarah umfasste ihre Knie.

„Es ist auch verrückt. Aber trotzdem möglich. Und auch dir ist es schon passiert!“

„Mir? Was weißt du? Willst du damit sagen, mein Leben ist eigentlich ganz anders verlaufen?“

Die Stimme lachte beschwichtigend. „Keine Sorge! Den Großteil deines Lebens hast du schon wirklich erlebt und hast dir deine eigenen Erinnerungen erschaffen. Aber erinnerst du dich an den 85. Geburtstag deiner Tante Tilly? Damals, als du vier Jahre alt warst?“

Sarah überlegte. „Da waren wir doch gar nicht. Weil ich die Treppe runtergefallen bin und ins Krankenhaus musste.“

„Stimmt, ihr, also wir waren nicht da. Aber im Krankenhaus warst du auch nicht.“

„Nicht? Aber ich kann mich doch an die Schmerzen erinnern. Mein Knie tat wochenlang weh!“

„Ja, du bist auch gefallen. Allerdings nicht die Treppe hinunter, sondern beim Hochlaufen. Du bist ausgerutscht und hingefallen. Dein Knie war aufgeschlagen. Das hat gebrannt, vor allem beim Baden. Aber im Krankenhaus waren wir nicht.“

„Aber ich kann mich doch daran erinnern. An die Aufnahmeschwester, die ständig eine Möhre im Mund hatte und nur gemeckert hat. An den Flur mit dem quietschenden Boden. Und an den Geruch.“

„Das ist alles nicht passiert. Das haben dir deine Eltern erzählt. Die Krankenschwester gab es auch, aber nicht da. Sie war an der Anmeldung, als deine Eltern mit dir zur Entbindung gekommen sind.“

„Warum sollten sie mir so eine Geschichte erzählen? Warum sollten sie so etwas tun?“

„Sie hatten sich gestritten. Dein Vater wollte nicht mehr mitkommen und deine Mutter hatte überhaupt keine Lust, allein zu fahren und allen zu erklären, wo denn ihr Mann sei und warum er nicht mitgekommen war. Und dann bist du hingefallen. Das war wie ein Zeichen für sie, die bequemste Lösung, aus der Situation zu kommen: Die Geschichte, dass du ins Krankenhaus musstest, schön ausgeschmückt mit der Möhrchen kauenden Krankenschwester. Und du wolltest sie immer wieder hören. So sind die Erinnerungen gewachsen. Es gibt sie aber nur in deinem Kopf.“

„Das ist ja irre!“ Sarah streckte ihre Beine aus.

„Da muss ich dir zustimmen. Irre, aber möglich.“

„Und jetzt willst du sagen, dass die Plätzchen ganz anders geschmeckt haben? Das wäre ja möglich, wenn man sich schon an einen ganzen Krankenhausaufenthalt erinnern kann, den es gar nicht gab. Vielleicht waren sie ja total pappig.““

„Nein, sie waren gut. Aber du verbindest den Geschmack der Plätzchen mit der besonderen Stimmung des Abends. Dadurch wurden sie für dich zu den magischen Keksen, die du in Erinnerung hast. Weißt du noch, wie du die Plätzchen vorher fandest? Waren sie da auch schon besonders? Oder waren es einfach nur die Plätzchen, die du schon immer gebacken hast?“

Sarah schluckte. „Ich sollte ihnen also noch eine Chance geben?“

„Ich sehe, wir verstehen uns wieder.“ Die Stimme lachte. „Dann kann ich dich ja beruhigt dem Teig überlassen. Und noch etwas …“

„Ja?“

„Vertrau auf dich! Dann habe ich auch keinen Grund mehr, dich zu nerven.“

Sarah lächelte und stand auf. „Schade eigentlich. Ich fange gerade an, mich an dich zu gewöhnen.“ Dann zog sie das Regal auf, streute Mehl auf die Arbeitsfläche und fing an, den Teig auszurollen.

Geschichten aus dem Koffer

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