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1. Kapitel: Von den Sinnen

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Zuerst wollen wir die Gedanken der Menschen einzeln betrachten, dann in Verbindung unter sich und wie sie auseinander entstehen. Denken wir uns irgendeine Eigenschaft oder sonst etwas an einem sichtbaren Körper, welches man gewöhnlich Gegenstand nennt, so ist das eine Erscheinung oder Vorstellung. Dieser Gegenstand, welcher auf die Werkzeuge unserer Sinne, z.B. Augen, Ohren usw. wirkt, bringt, nach Verschiedenheit seiner Wirkungsart, auch verschiedene Erscheinungen hervor.

Der Ursprung von dem allen heißt Sinn. Denn wir können uns nichts denken, wenn es nicht zuvor ganz oder zum Teil in einem unserer Sinne erzeugt war. Von diesen ersten Eindrücken aber hängen alle nachherigen ab.

Wie es mit der eigentlichen Art unseres Empfindens zugeht, darüber brauchen wir hier gerade keine tiefgehende Untersuchung anzustellen, zumal da wir schon am anderen Ort davon gehandelt haben. Doch wollen wir uns jetzt, so viel als nötig ist, nochmals darüber auslassen.

Eine jede Empfindung setzt einen äußeren Körper oder Gegenstand voraus, der sich unserem jedesmaligen Sinn aufdrängt, entweder unmittelbar wie bei Gefühl oder Geschmack, oder mittelbar, wie beim Gesicht, Gehör und Geruch. Und dieser Druck wirkt vermittels der Nerven und Fasern sofort innerlich auf das Gehirn und von da aufs Herz. Von hier aus entsteht ein Widerstand und Gegendruck (άντιτυπία) oder ein Streben (conatus) des Herzens, sich durch eine entgegengesetzte Bewegung von diesem Druck zu befreien, und diese wird sichtbar. Diese Erscheinung heißt Empfindung. Licht und Farbe haben Bezug aufs Auge, der Schall aufs Ohr, der Geruch auf die Nase, der Geschmack auf den Gaumen; Wärme, Kälte, was hart und weich ist, und alles andere, was zum Gefühl gehört, auf den ganzen übrigen Körper. Dies alles nennt man empfindbar und ist im Grund genommen nichts anderes als eine Bewegung der Materie im Gegenstand, durch welche er auf die Sinneswerkzeuge mannigfaltig wirkt. Etwas anderes aber als verschiedene Bewegungen läßt sich darin nicht auffinden, weil Bewegung nur Bewegung hervorbringt, und jene Erscheinungen sowohl im Schlaf als beim Wachen bloße Vorstellungen sind. Wie überdies beim Druck des Gefühls ein Reiben, bei einem Schlag ins Auge ein Lichtschimmer und beim Druck des Ohrs ein Schall entsteht, ebenso wirken auch alle Dinge, die wir im übrigen sehen und hören: sie erzeugen eine Vorstellung durch einen wiewohl nur sehr unmerklichen Druck. Denn wenn die Farben und der Schall sich in dem Gegenstand selbst befänden, wären sie auch davon unzertrennlich; aber sie werden davon allerdings getrennt, was aus dem Zurückwerfen der Bilder in Spiegeln und des Schalls in Gebirgen erhellt. Es bleibt ausgemacht, daß ein sichtbarer Körper nur an einem Ort, aber die Beobachtung seines Daseins an mehreren Orten sein kann. Obgleich nun auch oft in geringer Entfernung der eigentliche Gegenstand selbst in seiner eigentlichen Hülle gesehen wird, so ist demungeachtet der Gegenstand jedesmal etwas ganz anderes als seine Hülle. Folglich sind Empfindungen und ursprüngliche Vorstellungen ein- und dasselbe; sie entstanden, wie schon gesagt, durch den Druck eines äußeren Gegenstands auf das Auge oder auf sonst ein Sinnesorgan.

Die Scholastiker aber erklären dies wegen einiger Stellen bei Aristoteles anders. Sie sagen: die sichtbaren Dinge (d.h. Erscheinungen), welche die Gegenstände auf unsere Augen werfen, bewirken das Sehen; die hörbaren Dinge (d.h. Erscheinungen), welche die Gegenstände auf unsere Ohren werfen, bringen das Hören hervor; endlich liege der Grund des Erkennens in gewissen zu erkennenden Dingen (d.h. Erscheinungen), die von der zu erkennenden Sache ausgehen.

Ich erwähne dies nicht in der Absicht, als wollte ich die philosophischen Schulen für völlig verwerflich erklären; vielmehr werde ich weiterhin von dem Bedürfnis derselben für den Staat reden und da hielt ich es für nötig, hier wenigstens beiläufig dies zu bemerken; indem ich an gegebenem Ort bei mehreren Anlässen zeigen werde, welcher Verbesserungen sie bedürfen, wozu insbesondere gehört: daß ihre Lehrsätze oft gar nichts sagen.

Leviathan | Deutsche Übersetzung der Original-Ausgabe von 1651

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