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Stimmengewirr in der Nacht

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Als Grenofil nachdenklich und müde aus seinem Bau trat, standen schon alle seine Freunde direkt davor. „Nun sag schon, was es ist!“ „Ich will es auch sehen!“ „Tu nicht so ernst, komm schon!“ Einige seiner Freunde bemerkten Tränen in den Augen Grenofils.

„Du hast etwas gefunden, von dem wir nicht wissen, was es ist, und Du scheinst traurig zu sein. Wenn wir wüssten, was es ist, so könnten wir mit dir traurig sein. Wir könnten es aber auch lustig finden und darüber lachen! Komm, lass uns gemeinsam lachen!“

Aber Grenofil war nicht zum Lachen zumute. Er wusste, dass er den anderen von dem würde erzählen müssen, was sich in seinem Bau befand. Mit seinen großen Händen wischte er sich die Tränen aus den Augen. Anschließend nickte er nachdenklich, um dann den linken Arm richtungsweisend gen Lichtung zu richten. Und während die einen langsam und bedächtig in Richtung Versammlungsplatz schritten, sprangen die anderen vergnügt auf, um als erster dort zu sein. Jeder wollte den besten Platz haben. Bis Grenofil die Lichtung erreicht hatte, hatte sich die Bande beruhigt.

Die Lichtung war ein freier Platz inmitten des Waldes, in deren Mitte ein riesiger Stein lag. Der Stein war für das Volk der Dadafus magisch, denn einst musste er Wesen gedient haben, die auf ihm sonderbare Zeichen und Spuren hinterlassen haben. Moose und Flechten machten sich auf dem Stein breit, weil es sie nicht interessierte, wer und was die guten Haltemöglichkeiten extra für sie geschaffen hatte. Grenofil betrachtete kurz den Stein, verneigte sich sodann, und bestieg den Stein. Dann drehte er sich entgegen dem Uhrzeigersinn im Kreis, um jedem Anwesenden voller Würde und Dankbarkeit in die Augen schauen zu können. Dann schloss er seine Augen, so, als suche er in sich die passenden Worte, während er alle Bilder dessen, was er zu sagen hatte, klar sehen konnte. Dann erhob er seine Stimme:

„Wir sind ein lustiges und voller Herzlichkeit lebendes Volk. Wir kennen keine Missgunst, streiten uns aus Freude, doch tun wir uns niemals weh! Wir sind traurig, wenn einer von uns traurig ist, was ja einmal vorkommen kann, weil ein Tautropfen auf den Boden gefallen ist, oder weil andere Tiere die Beeren vor uns gefressen haben, denen wir auf der Spur waren. Ihr nennt mich „König Grenofil“ und ich weiß, dass es für euch eine Freude ist, mir diesen Titel zu geben, weil ihr selbst nicht an das glaubt, was ihr mir an Achtung entgegenbringt. Auch ich lächle dann immer in mich hinein, so, wie ihr es tut, weil auch ich nicht an das glaube, was ihr mir an Achtung entgegenzubringen versucht. Wie schon gesagt, wir sind ein lustiges und voller Herzlichkeit lebendes Volk.“

Dann lächelte er und freute sich, eben genau diesem kleinen Volk von Wesen anzugehören, die nur die Freude und das Glück kannten, welche diese große Familie einem jeden Mitglied zu schenken imstande war. Sodann aber bahnte sich wieder die Aufgabe, vor der er nun stand, ihren Weg in sein Bewusstsein, und damit in den Vordergrund.

„Vor einiger Zeit, ich saß gerade bei den vier großen Eichen, da fuhr ein Wind über mich, der einen Klang in sich trug. Der Wind machte nicht den Klang, sondern der Klang ließ sich vom Wind tragen. Viele Weise, Frauen und Männer, übertragen das, was sie zu sagen haben, dem Wind, um es dann dem Ohr zugänglich zu machen, dass dafür offen ist. Dabei ist es nicht das Ohr, sondern vielmehr das Herz in uns, dass die Nachricht empfängt.“

Dann schloss er wieder seine Augen, und dankte dem, der ihm das, was er jetzt weiß und kann, gelehrt hatte.

„Ich führe euch nicht, weil ich mit euch lebe! Und doch führe ich euch, weil ich euch liebe! So, wie mein verehrter Meister Luidator mich das lehrte, was er selbst wusste, so lebe und lehre ich Euch. In den Anachronismen steht alles geschrieben, was jemals war und was jemals sein wird. Als ich den Klang vernahm, als ich zu lauschen begann und dann verstand, was er in sich trug, wusste ich, das im gesamten Reich eine Veränderung stattfinden wird, die ihres gleichen sucht! Ich habe den Kleinen Schatz gefunden, von dem der Klang sprach, dass er wieder hier wäre.“

Der „Kleine Schatz“ war eine Sage, eine Legende, von der jeder wusste. Sodann ging ein Raunen durch die Menge, bis sich die ersten Stimmen erhoben.

„Bring es doch einfach zurück an den Ort, wo Du es gefunden hast!“

„Es kann nicht hier bleiben, weil Du den Grund dafür kennst!“

„Wir können nicht tun, was die Legende verlangt. Wir sind zu klein und unbedeutend, als das wir das tun könnten!“

Andere Stimmen wollten sich erheben, doch Grenofil hob seine Hände, als Zeichen dafür, ein jeder möge schweigen.

„Ein jeder von Euch hätte der Finder sein können! Ein jeder von euch wäre glücklich heimgekommen, im Wissen, einen ganz besonderen Schatz gefunden zu haben, von dem niemand wüsste, was es für ein Schatz ist! Als ich es fand, wusste ich es auch nicht, aber dann kam die Erinnerung an den Klang, und da wusste ich es!“

„Es kann nicht hier bleiben, und Du weißt das! Mehr noch, die Macht weiß, dass es hier ist, und wird es suchen kommen.“

„Ja, das weiß ich!“, sagte Grenofil. „Deshalb treffen wir uns hier, um darüber zu beraten, was als nächstes zu tun ist.“

Gongina, ein kleines Dadafu-Mädchen, dass mit aufgerissen Augen und Ohren dem zu folgen versuchte, was es gerade zu hören vernahm, erhob dennoch seine zarte Stimme, und sprach: „Grenofil, bitte sage auch mir, was es mit diesem Kleinen Schatz auf sich hat, damit ich weiß, wie es zu dieser Aufregung kommt, die mich verunsichert, weil ich nicht weiß, was hier vor sich geht!“

Grenofil liebte dieses kleine Mädchen! Unter all den raufenden und lachenden Freunden hörte gerade er immer das Ihrige Lachen heraus, und es schien, als wäre sie immer mitten im Tumult. Sie ließ keine Gelegenheit aus, um bei den Großen zu sein, und es schien, als wäre sie glücklich! Ja, wahrlich! Diese Geschichte und das, was gesprochen wurde, musste sie verunsichern. Dann dachte Grenofil kurz an einen Moment, wo er sich dieses Mädchen als Jungen wünschte, den er gerne als seinen Schüler angenommen hätte. „Es steht mir nicht an, mit den Regeln zu brechen, auch, wenn sie bestens geeignet dazu wäre!“, dachte er. Er musste sich wahrlich Mühe geben, einen gewissermaßen bösen Eindruck zu machen, als er sagte:

„Ich dachte bisher, dass ihr Lauser und Rabauken sowohl mit als auch untereinander sprecht, was wohl nicht der Fall zu sein scheint. Nun ist es also an mir, geliebte Gongina, dir von dem zu erzählen, was die anderen nicht taten, um Deiner Furcht entgegenzuwirken.“

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