Читать книгу Ein Leben dauert - Thomas Häring - Страница 9

7.Spielminute

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Für die Einen ist es eine Vergewaltigung, für die Anderen die schönste Liebesbezeugung der Welt. Ja, die Geschmäcker sind nun mal verschieden, vielleicht hat sich der Ferdinand Sitzl ja tatsächlich gedacht, er würde seiner Tochter etwas Gutes tun, indem er sie im Keller einsperrt, damit vor der bösen Welt da draußen beschützt und sie regelmäßig mißbraucht, denn er war ja quasi der Einzige, der sie körperlich befriedigen konnte, von daher plädierte der alte Sack natürlich auf nicht schuldig. Selbstverständlich hat er es in allererster Linie für sich getan, denn er war, bleibt und ist ganz bestimmt nicht der einzige Mann auf der Welt, der davon träumt, eine Zweitfamilie im Keller zu haben, die man regelmäßig besuchen und wo man sich in jeglicher Hinsicht abreagieren kann. Der Unterschied zwischen dem Ferdl und dem Rest der Männerwelt besteht wohl in allererster Linie einzig und allein darin, daß er seinen Traum in die Wirklichkeit umgesetzt hat und das macht ihn in den Augen der Gesellschaft zu einem Monster, beziehungsweise zu einem Vorbild, kommt ganz auf die eigene Gesinnung an. Jetzt aber wieder schleunigst zurück in mein eigenes Leben, denn dort geht es auch drunter und drüber. Meine Mama hat meinen neuen Papa rausgeschmissen, weil sich der lieber mit mir beschäftigte als mit ihr und ich war stinksauer. Seitdem schleppt sie jede Woche einen neuen Kerl an, ich kann das ganze Theater schon längst nicht mehr ernst nehmen, weshalb ich mir erst gar nicht die Mühe mache, mir die Namen von den Typen zu merken, da ich ja weiß, daß sie in wenigen Tagen ohnehin schon wieder verschwunden sein werden. In der Schule habe ich massive Probleme, denn ich langweile mich ohne Ende und sobald ich unsere Lehrerin begrapsche, bekomme ich eine Anzeige wegen sexueller Belästigung und da muß ich echt aufpassen, schließlich bin ich ja bekanntlich bereits vorbestraft. Mein Leben bereitet mir nur wenig Freude, einzig und allein auf dem Fußballplatz fühle ich mich zuhause, doch da gibt es ja immer so einen nervtötenden Schiedsrichter, der mir meistens tierisch auf die Eier geht. Andauernd werde ich zurückgepfiffen und in der Pause bekomme ich vom Trainer einen Anpfiff, weil ich ständig foule, nie abspiele und hundertprozentige Chancen auslasse. Er als Alkoholiker kann das natürlich überhaupt nicht nachvollziehen, wie man etwas Hundertprozentiges liegen lassen kann. Na ja, ich laviere mich überall so durch, in der Schule haben wir andauernd Prüfungsstreß und daheim sitzt immer ein anderer Besamer an unserem Frühstückstisch. Da möchte man sich am liebsten im Keller verstecken, aber das darf man heutzutage ja auch nicht mehr, weil da dann gleich die neugierigen Nachbarn aufmerksam werden und sich fragen, was in der Familie wohl so alles schief läuft. Ich für meinen Teil krieche auf dem Zahnfleisch daher, wenn das mein Leben sein soll, dann wird das eine ziemlich üble Sache.

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