Читать книгу Gungo Large - Spiel mir das Lied vom Troll - Thomas Niggenaber - Страница 3
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ОглавлениеEs gibt vieles, was ich nach einer durchzechten Nacht im Saloon so ganz und gar nicht gebrauchen kann – lautes Klopfen an meiner Tür rangiert auf dieser Liste ganz weit oben.
Ich ignorierte deshalb diese dreiste Störung meines Deliriums an jenem Morgen und zog mir meine Decke über den Kopf. Dabei versuchte ich, jede überflüssige Bewegung zu vermeiden, damit sich das Rindvieh in meinem Kopf weiterhin einigermaßen ruhig verhielt.
Diese Kuh – ich hatte sie Elsa getauft – war in diesen alkoholreichen Tagen oft zu Gast in meinem Schädel. Sie vollzog dort meist irgendwelche wilden Tänze, deren Schritte äußerst schmerzhaft und dröhnend in meiner Hirnschale widerhallten. Nur enorm viel Schlaf und körperliche Inaktivität vermochten es, ihr Einhalt zu gebieten.
Das zweite Klopfen weckte darum den aufrichtigen Hass gegen den Verursacher dieses Geräusches in mir. Doch Elsas erste Tanzschritte hielten mich davon ab, mich mit seinem Ableben zu beschäftigen.
Erst das dritte Klopfen, das mir beinahe heftig genug erschien, die Tür aus den Angeln zu heben, ließ meinen Zorn über Elsa triumphieren und mich aus meinem Bett hochfahren. Jeglichen Schmerz unter meiner Schädeldecke ignorierend und lauthals fluchend stürmte ich zur Tür meines kleinen Zimmers. An den genauen Wortlaut meiner Flüche kann ich mich nicht mehr erinnern, die Worte verrecke, Arschloch und Kopf abreißen kamen aber bestimmt darin vor.
Mit dem festen Vorsatz also, dem Störenfried unendliche Schmerzen zu bereiten, riss ich die Tür auf. Doch der Anblick meines unerwünschten Besuchs ließ mich dieses Vorhaben schnell wieder vergessen. Es wäre wohl nicht besonders ratsam gewesen, dem örtlichen Arm des Gesetzes selbigen zu brechen. Denn es war Beinir McHardy der vor mir stand, der Sheriff unserer kleinen Zwergensiedlung Copperhole.
McHardy war offensichtlich darum bemüht, mir gegenüber sofort Autorität und Respekt auszustrahlen. Der Umstand, dass er gut einen Kopf kleiner war als ich, machte ihm dies allerdings nicht gerade einfach. Nur das Gewehr in seiner Hand und der Stern auf seiner Brust glichen dieses Manko zum Teil wieder aus.
Natürlich hatte er auch seinen Deputy dabei, einen widerlichen Schleimbeutel von einem Zwerg namens Laurel Ombringer. Dieser bewegte sich ständig im Fahrwasser des Sheriffs und versuchte so, sein mickriges Ego aufzupolieren. Warum McHardy gerade diesen rückgratlosen Nichtskönner zum Hilfssheriff gemacht hatte, war allen Einwohnern Copperholes ein Rätsel. Physisch waren ihm nämlich viele, psychisch fast alle überlegen. Er stand ein Stück hinter McHardy und grinste dümmlich, was er eigentlich immer tat und in mir – auch immer – das dringende Bedürfnis weckte, ihm dieses Grinsen aus der Visage zu dengeln.
»Zieh dich an, Large«, forderte McHardy mich mit Blick auf meine Unterhose, dem einzigen Kleidungsstück das ich trug, auf. »Du bist verhaftet!«
Ich stöhnte genervt auf. »Och nöööö, nicht schon wieder. Das ist doch Ogerkacke!«
Elsa begann diese frohe Botschaft mit einem Freudentanz in meinem Schädel zu feiern. Wieder einmal wünschte ich mir, dass irgendwann mal ein Kräuterweib, Apotheker oder Alchemist ein Mittel gegen Kopfschmerzen erfinden würde
»Stell dich doch nicht so an«, mischte sich Ombringer ein. »Die Zelle ist doch schon so etwas wie ein zweites Zuhause für dich.«
Ich ignorierte diesen Kriecher und begann stattdessen, mein Zimmer behäbig nach brauchbaren Kleidungsstücken zu durchsuchen. Jede Bewegung meines Kopfes quittierte Elsa dabei mit einem schwungvollen Polkaschritt. Die Gesetzeshüter folgten mir.
»Bei allen Göttern, Large!« McHardy sah sich um und rümpfte demonstrativ die Nase. »Hier sieht es ja aus wie bei einem Kobold unter dem Sofa! Du solltest hier unbedingt mal Ordnung schaffen.«
»Hab ich doch erst vor Kurzem«, erwiderte ich. Meiner Meinung nach sah es hier, abgesehen von ein paar Dutzend leerer Flaschen und einigen nur leicht angeschimmelten Essensresten, ganz manierlich aus. Die Kakerlaken fühlten sich hier zumindest sehr wohl und meine Vermieterin, die gute, alte Witwe Latro, hatte sich auch noch nie beschwert. Letzteres lag aber wohl daran, dass ich sie seit meinem Einzug in ihre kleine Pension erfolgreich davon abgehalten hatte, mein Zimmer zu betreten.
»Was habe ich denn überhaupt verbrochen?«, wollte ich wissen und und angelte meine Hose unter dem Bett hervor.
Das Grinsen inmitten Ombringers fuchsrotem Bart wurde noch breiter. »Hast dein Erinnerungsvermögen wohl auch schon versoffen, was? Du hast dich mal wieder geprügelt und dabei den halben Coppercoin-Saloon in Trümmer gelegt.«
Ich wankte zu meinem Waschtisch und benetzte mein Gesicht mit etwas von dem Wasser, welches sich noch vom Vortag oder dem Tag davor in der Schüssel befand. Ganz langsam kehrte meine Erinnerung an die letzte Nacht zurück, wenn auch nur in Bruchstücken.
»Stimmt, irgend so ein Arsch hat mich Halbmensch genannt.« Ich entdeckte mein Hemd, das statt eines Handtuches am Handtuchhalter hing und zog es an, nachdem ich mich damit abgetrocknet hatte. »Hab ich irgendein Möbelstück auf ihm zertrümmert?«
»Das hast du«, antwortete McHardy. »Und nicht nur eins. Wir mussten ihn unter einem ganzen Berg aus Tischen und Stühlen hervorholen. Der Doc hatte gar nicht genug Schienen, um all seine Brüche zu versorgen.«
Ombringer wäre nicht Ombringer gewesen, wenn er diese Gelegenheit, mich zu provozieren, ungenutzt gelassen hätte. »Dabei hatte der Typ doch nicht ganz unrecht«, spottete er. »Du bist mehr als einen Meter siebzig groß, viel zu dürr für einen Zwerg und die paar Flusen an deinem Kinn kann man wohl kaum einen Bart nennen. Würde mich nicht wundern, wenn es wirklich ein Mensch war, der da mal kurz über deine Mutter gestiegen ist.«
Ich hatte gerade einen meiner Stiefel unter meinem Kopfkissen hervorgeholt und ihn leider schon angezogen, sodass ich ihn dem Deputy nicht mehr an den Schädel werfen konnte. Mein Vater, den ich niemals kennengelernt hatte, war ein ganz heikles Thema für mich, sozusagen mein wunder Punkt. Zwar hatte mir meine Mutter nie etwas über ihn erzählt und sowohl das Wissen über seine Herkunft als auch über seine Rasse mit ins Grab genommen, doch die Möglichkeit, dass er ein Mensch war, hatte ich seit frühester Kindheit ausgeschlossen. Welches vernunftbegabte Wesen will schon mit einem Menschen verwandt sein?
»Dünnes Eis, Ombringer!« Ich trat nahe an den Deputy heran, sah auf ihn herab und hoffte, dass mein Blick eine gehörige Portion Verachtung ausstrahlte. »Ganz dünnes Eis, auf dem du dich da bewegst! Vor allem für jemanden, dessen Vater sämtliche Esel im Ort begattet hat.«
Selbst jetzt erstarb das dümmliche Grinsen im Gesicht des Hilfssheriffs nicht. »Hältst du es für schlau, in deiner Situation eine solch dicke Lippe zu riskieren?«
Noch während er diese Frage stellte, rammte er mir den Kolben seines Gewehres in den Magen. Ich klappte augenblicklich zusammen und konnte nur noch ein kurzes »Uff« von mir geben. Obendrein lief Elsa jetzt zur Höchstform auf. Ich konnte mich echt nicht entscheiden, ob nun das Hämmern unter meiner Schädeldecke oder meine schmerzende Körpermitte den Höhepunkt dieses wundervollen Morgens darstellte.
»Lass den Scheiß!«, fuhr der Sheriff seinen Gehilfen an. »Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn man so mit unseren Kunden umgeht.«
Er half mir auf die Beine und reichte mir meinen zweiten Stiefel. Keine Ahnung, wo er selbigen gefunden hatte. Meinen Revolvergurt, der an einem Haken an der Wand hing und als einziger Gegenstand in diesem Raum seinen festen Platz hatte, durfte ich natürlich nicht anlegen.
Ohne diesen fühlte ich mich noch immer irgendwie nackt, als wir die Pension verließen, obwohl ich mittlerweile vollständig bekleidet war. Nur mein schöner, schwarzer Hut blieb unauffindbar und eben diesen vermisste ich schmerzhaft, als wir auf die staubige Hauptstraße Copperholes hinaustraten.
Die Morgensonne brannte nämlich erbarmungslos auf mein noch immer vom Alkohol vernebeltes Gehirn und das helle Tageslicht stach mir in die Augen. All meine übrigen Sinne befanden sich zu dieser ungewohnt frühen Stunde noch in einer Art Dämmerzustand.
Dennoch bemerkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte.
Die sonst so belebten Straßen der kleinen Bergarbeitersiedlung schienen beinahe wie leergefegt. Nur hier und da konnte man einen Einwohner entdecken, der durch den Ort spazierte oder vor einem der schlichten Holzhäuser auf der Veranda saß.
Doch wo waren all die Zwerge, die ihrem Tagewerk nachgingen? Wo waren all die Kutschen, Pferde und Reiter, die sich sonst ihren Weg über die unebenen, holprigen Straßen bahnten, über die jetzt nur ein paar Büschel vertrockneter Steppengräser rollten?
Ich sondierte die Umgebung mit zusammengekniffenen Augen. Der Gemischtwarenhandel auf der gegenüberliegenden Straßenseite war geschlossen, ebenso Russels Drugstore und Littles Lebensmittelgeschäft daneben. Die unnatürliche Ruhe ließ mich vermuten, dass dies bei den anderen Geschäften der Stadt auch der Fall war. Selbst das laute, metallische Hämmern, mit dem der hiesige Hufschmied an normalen Tagen die Ortschaft beschallte, war nicht zu hören.
Dass meine zwei Begleiter all dem keinerlei Beachtung schenkten, stimmte mich zusätzlich misstrauisch. Ich entschloss mich deshalb spontan dazu, diesem Mysterium auf den Grund zu gehen. Selbst unbewaffnet wollte ich mich den unbekannten Herausforderungen stellen.
»Was ist hier los?«, wollte ich wissen. »Warum ist das Kaff wie ausgestorben?«
»Weil es Sonntagmorgen ist, du Trottel«, enträtselte Ombringer dieses Geheimnis unerwartet schnell. »Wahrscheinlich der erste, den du nicht verpennst.«
Mit einem Stoß in den Rücken machte er mir klar, dass ich mich endlich in Bewegung setzen sollte und so marschierten wir drei nach Norden, in Richtung Sheriffbüro, los.
Die wenigen braven Bürger, denen wir unterwegs begegneten, bedachten mich mit abwertenden Blicken und dem Schütteln ihrer biederen, rechtschaffenen Häupter, in denen es, meiner Meinung nach, schrecklich tugendhaft und öde zugehen musste. Vermutlich erweckte mein wenig adretter Kleidungsstil und der augenscheinliche Umstand, dass ich gerade abgeführt wurde, ihre Missbilligung. Ähnliche Reaktionen auf meinen Anblick war ich allerdings schon gewohnt. Wie immer erwiderte ich diese mit einem freundlichen Ihr-könnt-mich-mal-Lächeln, das von Herzen kam.
»Hast du schon meine neue Knarre gesehen?«, fragte der Sheriff nach einer Weile, in der wir schweigend nebeneinander hergegangen waren. Mit stolzgeschwellter Brust hielt er mir sein Gewehr unter die Nase. »Ist ein echtes iRifle von Peach – war verflucht teuer und ich musste eine Ewigkeit beim Waffenhändler dafür anstehen.«
Mit einem kurzen Schulterzucken tat ich mein Desinteresse kund. »Muss ich nicht haben. Da bezahlt man doch nur den Namen. Andere, preiswertere Gewehre haben die gleichen Funktionen und seltener Ladehemmungen.«
Meine Meinung enttäuschte McHardy offensichtlich.
»Du hast doch keine Ahnung, Large!« Schmollend ließ er sein Gewehr wieder sinken. »Du warst zwar in der Army, hast aber trotzdem keine Ahnung! Ein Revolverheld der keine Ahnung von guten Gewehren hat – unglaublich!«
Sein Deputy stieß ein verächtliches Schnaufen aus »Revolverheld? Der Suffkopp? Der hat seine Kanone doch das letzte mal im Krieg benutzt und das ist Jahre her.«
Zu meinem großen Bedauern musste ich dem Widerling in diesem Punkt Recht geben. Seit ich aus der Army zurück in meine Heimatstadt gekommen war, hatten sich keinerlei Gelegenheiten ergeben, mir meinen Lebensunterhalt mit dem Revolver zu verdienen. In ganz Copperhole gab es keinen Bedarf an professionellen, mietbaren Schützen. Bewaffnete Auseinandersetzungen gab es kaum und weder die Kupferminen noch die Wagentrecks, welche das Kupfer aus der Stadt brachten, waren hochwertig oder bedeutend genug, um bewacht werden zu müssen.
Meine außergewöhnliche Begabung im Umgang mit Schusswaffen blieb daher völlig ungenutzt an diesem viel zu friedvollen Ort. Dabei machte mich dieses einzigartige Talent – ohne Übertreibung – zu dem wohl besten Schützen in ganz Avaritia. Entdeckt hatte ich diese Fähigkeit erst nach meinem Eintritt in die Army, da ich nie zuvor eine Waffe in den Händen gehalten hatte. Sie ermöglichte es mir, egal mit welcher Schusswaffe, immer mein Ziel zu treffen, egal ob ich nüchtern war oder volltrunken und egal unter welchen Umständen. Mühe musste ich mir dabei keine geben, konzentrieren musste ich mich auch nicht und geübt hatte ich es erst recht noch nie. Ich musste einfach nur daran denken, etwas oder jemanden zu treffen. Fast zeitgleich mit dem Beenden dieses Gedankens war es dann auch schon passiert. All dies geschah automatisch, ohne mein Zutun und oft schon hatte ich hinterher verwundert auf meine Waffe geblickt, ohne mich daran erinnern zu können, wie ich sie gezogen und abgefeuert hatte.
Im Krieg war mir dieses Talent natürlich sehr gelegen gekommen und es hatte mir viel Anerkennung und Bewunderung eingebracht. Aufgrund meines ausgeprägten Problems mit Autoritäten – wahrscheinlich bedingt durch das Fehlen einer Vaterfigur während meiner Kindheit...Bla Bla Bla – und meinem Unvermögen, auch mal die große Klappe zu halten, hatte ich es in der militärischen Hierarchie dennoch nicht sehr weit gebracht. Als mittelloser Ex-Private war ich bei Kriegsende nach Copperhole zurückgekehrt, mit wenig Glanz und ganz ohne Gloria.
Meine finanzielle Situation konnte man deshalb getrost als katastrophal bezeichnen, zumal ich die paar Dollars, welche ich mir borgte, erschnorrte oder mit irgendwelchen Handlangerjobs erarbeitete, umgehend wieder in die lokale Wirtschaft oder besser gesagt den örtlichen Saloon investierte.
»So kann es mit dir nicht weitergehen«, bemerkte McHardy, so als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich glaubte sogar, eine gewisse Besorgnis aus seiner Stimme heraushören zu können. »Du brauchst endlich einen vernünftigen Job. Warum arbeitest du nicht in den Minen, so wie die meisten anderen Zwerge auch?«
Eigentlich verspürte ich überhaupt keine Lust, solch eine Diskussion zu führen. Ich war voll und ganz damit beschäftigt, Elsas Tanzwut zu zügeln.
Dennoch antwortete ich wahrheitsgemäß. »Die Stollen sind viel zu niedrig für mich. Außerdem habe ich keinen Schimmer vom Bergbau. Schnell ziehen und immer treffen – das ist es, was ich kann.«
Der Sheriff nickte. »Und das kannst du verdammt gut. Wahrscheinlich bist du der beste Schütze, den ich je gesehen habe, doch hier wirst du damit keinen lausigen Cent verdienen. In den größeren Städten im Osten oder Süden könntest du dir mit deinen Fähigkeiten echt einen Namen als Revolverheld machen, so wie Basilisk Bill oder Doc Gargoyle. Hast du schon mal darüber nachgedacht, von hier fortzugehen?«
Natürlich hatte ich das. Fast jeden Tag war mir dieser Gedanke mindestens fünf Mal durch den Kopf geschossen wie eine Gewehrkugel, während ich meine Zeit mit Saufen und Herumlungern verschwendet hatte. Doch zum einen fühlte ich mich in diesem Kaff trotz allem recht wohl, zum anderen hatten mir der Müßiggang und der regelmäßige Alkoholkonsum einen Großteil meiner Abenteuerlust und Entscheidungsfreudigkeit geraubt. Ich hatte ja noch nicht einmal ein Pferd und ohne die entsprechende Barschaft in die Welt hinauszuziehen, erschien mir ebenfalls nur wenig verlockend.
Ombringer hingegen war von dieser Idee natürlich sehr angetan. »Es wäre das Beste, was dieser Stadt passieren könnte, wenn sich dieser Penner endlich verpissen würde. Zu den verkommenen Menschen im Osten würde dieses lange Elend auch hervorragend passen.«
Ich lächelte ihn an. »Dabei würde ich dich doch so sehr vermissen! Vielleicht ist es sogar dein dämliches, debiles Grinsen, was mich hier hält.«
An dieser Stelle mussten wir unser freundschaftliches Gespräch leider beenden, da wir unser Ziel erreicht hatten, was mir wohl einen weiteren Hieb mit dem Gewehrkolben oder eine andere Aufmerksamkeit des Deputys ersparte.
Das Büro des Sheriffs war eines der wenigen Gebäude in Copperhole, dessen Wände aus massiven Backsteinen bestand. Angesichts der Tatsache, dass sich in ihm auch Arrestzellen befanden, war das auch durchaus sinnvoll. Ansonsten war der Flachbau völlig schmucklos, mal abgesehen von dem uralten Holzschild über der Tür, auf dem in verblichenen Buchstaben Sheriffs Office geschrieben stand.
»Du kennst dich ja hier aus«, bemerkte McHardy, als wir seine Amtsstube betraten. Deren Einrichtung bestand lediglich aus zwei Schreibtischen mit Stühlen, ein paar Regalen und einem üppig gefüllten Waffenschrank. »Also geh schon mal vor, ich schließe gleich hinter dir ab.«
Er entledigte sich seines Hutes und suchte in der Schublade seines Schreibtisches nach den Zellenschlüsseln. Ombringer parkte seinen dicken Hintern indes mit einem zufriedenen Seufzer auf seinem Stuhl.
Ich schlenderte derweil quer durch das Büro in den hinteren Teil des Gebäudes, betrat die mir sehr vertraute Zelle und ließ mich auf die ebenso vertraute Pritsche darin fallen. Wie angekündigt folgte mir McHardy kurz darauf und schloss die Zellentür hinter mir ab.
»Wie lange?«, wollte ich wissen und irgendwie ahnte ich schon, dass mir die Antwort darauf nicht gefallen würde.
»Lange genug um deine Sucht nach Fusel vollständig zu kurieren«, lautete dann auch die erschreckende Prognose des Sheriffs. »Der Friedensrichter kommt in drei Wochen und wird dann entscheiden, was mit dir passieren soll. So lange bist du auf jeden Fall unser Gast.«
Bei dem Gedanken daran, mindestens drei Wochen auf dem Trockenen zu sitzen, befiel mich ein leichtes Gefühl der Panik. Auch die Aussicht auf regelmäßige, kostenlose Mahlzeiten konnte dieses Gefühl nicht schmälern. Zwar ließ Sheriff McHardy manchmal mit sich reden – ganz im Gegensatz zu seinem fiesen Deputy –, doch es würde einiges an Überzeugungskraft kosten, ihm den ein oder anderen Schluck Whisky abzuschwatzen.
Trübe Aussichten also, mit denen ich mich auf die Pritsche niederlegte, um mir und Elsa die dringend benötigte Ruhe zu gönnen. Unter gleichmäßig abnehmendem Pochen in meinen Schläfen gelang es mir dennoch, langsam in den Schlaf zu gleiten.
Dass die seltsame, super spannende und unbedingt lesenswerte Geschichte, welche ich hier erzählen möchte, bereits in weit entfernten Teilen des Landes ihren Anfang genommen hatte, davon ahnte ich natürlich nichts.
Um jeglicher Klugscheißerei vorzubeugen sei erwähnt, dass ich mir von den meisten Geschehnissen, bei denen ich nicht zugegen war, bis ins kleinste Detail berichten ließ, um sie hier niederschreiben zu können. Den Rest habe ich mir irgendwie zusammengereimt – der geneigte Leser wird damit schon klarkommen.