Читать книгу Gungo Large - Spiel mir das Lied vom Troll - Thomas Niggenaber - Страница 5
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ОглавлениеSeit Jahren schon träumte ich – nur wenn ich schlief, versteht sich – immer den gleichen Traum vom Krieg. Auf Dauer war dies nicht nur recht langweilig, sondern darüber hinaus auch ziemlich merkwürdig. Das, was in diesem Traum geschah, war mir nämlich während meiner Zeit in der Army nie wirklich passiert.
In diesem Traum lag ich auf einer Bahre in einem Zelt – einem Sanitätszelt höchstwahrscheinlich, denn neben mir lagen noch andere Soldaten, die ganz offensichtlich verletzt waren. Es roch nach Blut, Schweiß sowie irgendwelchen Heilkräutern und schmerzerfülltes Stöhnen vermischte sich mit den Geräuschen einer weit entfernten Schlacht, die zu uns ins Zelt drangen. Hin und wieder konnte ich Kanonenschüsse und Explosionen hören, dann das Kriegsgeschrei der Elfen oder wilde Schießereien. Dazwischen wurde es immer mal wieder ganz ruhig bis auf das Röcheln der Verwundeten neben mir. Einige von denen waren offensichtlich dabei, ihren Löffel abzugeben.
»Hurra, lang lebe die Army!«, schoss es mir in diesem Traum jedes Mal durch den Kopf. »Wenn ihr es schon nicht dürft, ihr armen Schweine«.
Wie bereits erwähnt, hatte ich Ähnliches in der Realität niemals erlebt und vor allem hatte in Wirklichkeit niemals ein Elfenpfeil in meiner Brust gesteckt. An so etwas hätte ich mich doch ganz gewiss erinnert.
Ich lag also in meinem Traum so da und betrachtete den aus meiner Brust ragenden Pfeilschaft. Während ich das tat, dachte ich darüber nach, dass einem ein solches Geschoss im Leib nicht nur die Uniform, sondern auch den ganzen Tag versauen konnte. Plötzlich trat ein Fremder neben mich und lächelte voller Mitleid auf mich herab.
Er trug seltsamerweise nicht die Uniform eines Sanitäters oder den Kittel eines Arztes, sondern das Militärgewand eines Magiers. Diese Tatsache machte ihn in meinen Augen nicht unbedingt vertrauenswürdig.
Magier unterstützten die reguläre Armee in Gefechten mit Feuerbällen, Blitzstrahlen sowie anderem magischen Gedöns. Sie stellten somit das Pendant zu den elfischen Schamanen dar. Mir persönlich waren sie seit jeher unheimlich und nur wenig sympathisch, zumal ihnen bei Eintritt in die Army automatisch der Rang eines Offiziers verliehen wurde. In einem gewöhnlichen Private wie mir konnte diese bevorzugte Behandlung nur den Neid erwecken.
»Ich kümmere mich gleich um dich, mein Freund«, sagte der Magier und irgendwie weckte dieses Versprechen ein ungutes Gefühl in mir. Selbst in meinem Traum verpassten mir diese Worte eine Gänsehaut, auf der man Möhren hätte raspeln können. Sie klangen drohend und extrem unheilvoll.
Normalerweise endete mein Traum an dieser Stelle und er tat es auch dieses Mal – nur ein wenig anders als sonst. Von irgendwoher erklang Glockengeläut, leise erst, dann immer lauter, so dass es schon bald alle anderen Geräusche übertönte. Es musste eine seltsame Glocke sein, die dieses Geräusch von sich gab, denn es klang wenig melodisch, eher schief, irgendwie blechern. Erst als mich dieser Lärm langsam aus meinem Unterbewusstsein zurück in die Wirklichkeit lockte, erkannte ich, dass es gar keine Glocke war, die ihn verursachte.
Es war ein Blechnapf, der vor Gitterstäbe geschlagen wurde. Der Deputy war es, der mich auf so unsanfte Art weckte.
»Ombringer, du Arsch«, murmelte ich schlaftrunken. »Wenn man dich nach dem Aufwachen als Erstes sieht, wünscht man sich sofort in einen Albtraum zurück.«
Der rotbärtige Hilfssheriff drosch weiter mit demEssnapf auf die Gitterstäbe ein, obwohl ich bereits wach war, nur um mich zu ärgern. »Steh auf du Penner! Ich soll dich zum Bürgermeister bringen!«
Ich setzte mich auf und horchte für einen kurzen Moment in mich hinein. Elsa war verschwunden, ich hatte also lange genug geschlafen um sie und ihre Tanzwut zu vertreiben. Dafür zitterten meine Hände jetzt so sehr, dass jedes Glas Milch in ihnen zu Butter geworden wäre und eine unbeschreibliche Leere erfüllte mich. Doch das war nur die übliche Reaktion meines Körpers auf mehrstündigen Alkoholentzug. Anzumerken wäre jedoch, dass ich selbst mit diesem Flatterigen noch jedes Ziel mit einer Schusswaffe hätte treffen können.
»Was bitte soll ich denn beim Bürgermeister?«, wollte ich wissen.
Ombringer zuckte mit den Schultern. »Was weiß ich?Vielleicht will er dich für deine Verdienste zum Ehrenschluckspecht der Stadt ernennen. Der Sheriff ist schon bei ihm, also sieh zu, dass du deinen Hintern bewegst.«
Der Geschmack in meinem Mund war ebenso schal wie die Witze des Deputys, weshalb ich auf beides gerne verzichtet hätte.
»Hast du 'nen Drink oder 'ne Kippe für mich?«, fragte ich deshalb ohne mir große Hoffnung auf eine positive Reaktion darauf zu machen.
Sie fiel aus wie erwartet. »Einen Tritt in die Weichteile kannst du haben, das ist auch alles.«
Der Hilfssheriff schloss die Zellentür auf, die sich quietschend für mich öffnete. Ich erhob mich von der Pritsche und trat hinaus.
»Dreh dich um«, forderte Ombringer mich auf. »Hände auf den Rücken!«
Ich sah ihn ungläubig an. »Ernsthaft jetzt? Hast du ohne deinen Boss so viel Angst vor mir, dass du mir Handschellen anlegen musst, obwohl du eine Kanone hast und ich nicht?«
»Das hat nichts mit Angst zu tun«, erklärte der fiese Zwerg, während er mir die metallenen Handfesseln anlegte. »Ich schikaniere dich nur unheimlich gerne.«
Ich musterte ihn eingehend. »Kotzt es dich nicht manchmal an, Du zu sein?«, wollte ich wissen. »Ich meine, bist du mit deiner Gesamtsituation echt zufrieden? Niemand in der Stadt kann dich leiden und du wirst niemals mehr sein als der kleine, gemeine Gehilfe des Sheriffs. Ist doch erbärmlich, oder?«
Ombringer legte seinen Kopf auf die Seite und grinste mich spöttisch an. »Und das aus dem Munde des größten Säufers und Verlierers von ganz Copperhole.«
Ohne Handschellen hätte ich nun meinen Zeigefinger mahnend erhoben. So aber sah ich den Deputy nur an und hob meine linke Augenbraue – ein Minenspiel, dass ich lange vor dem Spiegel geübt hatte, da es mir ein unheimlich intelligentes, überlegenes Aussehen verlieh.
»Und genau das sollte dir zu denken geben!«
Doch das tat es nicht, wie ich nur wenig später feststellen musste. Als wir das Büro des Sheriffs verließen, stellte mir dieses linke Frettchen ein Bein, während er mich gleichzeitig nach vorne stieß. Ich strauchelte kurz und fiel schließlich vornüber. Da meine Hände hinter dem Rücken gefesselt waren und ich mich nicht mit selbigen abfangen konnte, stürzte ich ungebremst auf die staubige Straße. Ich schaffte es noch, mich im Fallen seitwärts zu drehen, sodass mir zumindest eine gebrochene Nase oder andere Blessuren im Gesicht erspart blieben.
»Da hat er bums gemacht und unten ist er«, frotzelte der Hilfssheriff hinter mir. »Los, steh auf, du hast doch lange genug geschlafen!«
Ich erwiderte nichts, während ich mich aufrappelte. Meine Liste mit den Dingen, die ich in meinem Leben unbedingt noch machen wollte, war jedoch soeben um den Punkt Ombringer umlegen erweitert worden.
Mein Hemd war an der Schulter eingerissen, meine Jeans mit Staub bedeckt und selbst in den Haaren trug ich noch ein paar Hinterlassenschaften der Straße – mein Outfit war also mehr als angemessen für einen Besuch beim Oberhaupt dieser Stadt, dessen Büro wir kurz darauf betraten.
Bürgermeister Jogrund Honesty residierte natürlich im Rathaus, einem Gebäude am südlichen Ende der Stadt, das sich eigentlich kaum von den anderen Holzbauten in Copperhole unterschied. Weder Erhabenheit noch Würde strahlte dieser Bau aus und repräsentative Insignien oder gar Prunk suchte man hier vergebens, sowohl außen als auch innen. Lediglich der schwere Schreibtisch des Bürgermeisters war aus einem edlen, dunklen Holz gefertigt, das perfekt mit der ebenfalls dunklen Wandvertäfelung in seinem Amtsraum harmonisierte. Hinter diesem Schreibtisch saß das Gemeindeoberhaupt dann auch. Er war ein älterer Zwerg mit grauem Haarkranz, einem ebenso grauen Backenbart und einer schmalen Lesebrille auf der Nase, über deren Rand er uns anblickte, als wir den Raum betraten.
Sheriff McHardy saß auf einem Sessel vor dem Schreibtisch. Er erhob sich verärgert, als er mich in Handschellen sah.
»Was soll denn dieser Blödsinn?«, fuhr er seinen Deputy an. »Nimm ihm sofort die Dinger ab!«
»Dein Büttel würde sogar ein Brathuhn fesseln, wenn er mit ihm allein sein müsste«, bemerkte ich, während ich von meinen Fesseln befreit wurde. »Es könnte ihn ja angreifen.«
Bürgermeister Honesty verzog keine Mine. Er musterte mich stumm und wandte sich dann dem Hilfssheriff zu. »Danke Deputy, Sie werden hier nicht mehr gebraucht!«
»Wie auch sonst nirgendwo«, fügte ich hinzu.
Während Ombringer sich trollte, nahm der Bürgermeister ein Schriftstück von seinem Tisch und überflog es kurz. Danach sah er mich mit vorwurfsvollem Blick an. Die Ernsthaftigkeit und Seriosität schienen ihm dabei aus jeder Pore zu dringen.
»Gungo Large, die Geißel dieser Stadt. Zweiundzwanzig Verhaftungen wegen Trunkenheit, Körperverletzung und ungebührlichem Verhalten allein in diesem Jahr.« Der grauhaarige Zwerg legte seine ohnehin schon runzlige Stirn noch mehr in Falten. »Das geht so nicht weiter. Stimmen Sie mir da zu, Mister Large?«
Ich nickte und versuchte ein möglichst unschuldiges, aufrichtiges Gesicht zu machen. »Ich bin da ganz Ihrer Meinung, Eure Bürgermeisterlichkeit. Der Sheriff muss endlich damit aufhören, mich ständig zu verhaften. Ich fühle mich auch schon in höchstem Maße gemobbt!«
Honesty erwiderte nichts. Er erhob sich von seinem Stuhl und begann, bedächtig schweigend in seinem Büro hin und her zu gehen. Den Kopf hielt er dabei gesenkt, so als würde er hoffen, auf dem Boden die passenden Wörter zu finden, nach denen er anscheinend suchte.
Sheriff McHardy saß währenddessen in seinem Sessel und hielt sich gänzlich aus der Unterhaltung raus. Doch während er einen ganz zufriedenen Eindruck machte, fragte ich mich, wieso im Rahmen unserer Zusammenkunft keine Drinks angeboten wurden. Unter Ehrenmännern war so was doch eigentlich selbstverständlich. Vielleicht würde es der Bürgermeister noch tun, so hoffte ich, denn meinem Wohlbefinden wäre ein Schluck Whisky sehr zuträglich gewesen.
Nach einer Weile blieb Honesty vor mir stehen.
»Lassen Sie mich ehrlich sein, Large.« Er verschränkte die Arme vor seiner Brust, kniff die Augen ein wenig zusammen und bedachte mich mit den abwertendsten Blicken, zu denen er wohl fähig war. »Ich will Sie nicht mehr in meiner Stadt haben! Sie sind wie ein Streifen Scheiße in einer sonst blütenweißen Unterhose und ich werde nicht zulassen, dass Sie diesen schönen Ort weiterhin mit Ihrer Anwesenheit verunreinigen.«
Solch einen rüden Tonfall hatte ich von so einem distinguierten, älteren Zwerg wahrlich nicht erwartet. Unverständlicherweise schien er keine sehr gute Meinung von mir zu haben, womit sich die Sache mit dem Drink wohl auch erledigt hatte.
Er entspannte sich jedoch schnell wieder ein wenig, trat einen Schritt zurück und lehnte sich lässig gegen seinen Schreibtisch.
»Sheriff McHardy hat mir allerdings von Ihrer, sagen wir mal, schwierigen finanziellen Situation berichtet und dass Sie weder über ein Pferd, noch über Barschaft verfügen. Ich bin kein gewissenloser Zwerg, Mister Large, und ich möchte Sie nur ungern so mittellos aus der Stadt jagen. Immerhin haben Sie als Kriegsveteran ja auch irgendwann mal unserem Land gedient. Darüber hinaus hat der Sheriff mir erzählt, dass Sie sich als eine Art Söldner sehen, aber in unserer friedlichen Stadt damit natürlich nur sehr wenig Erfolg haben.«
Die Mine des Bürgermeisters erhellte sich und plötzlich schenkte er mir sogar ein Lächeln, welches allerdings so falsch war wie ein rostender Goldbarren. »Nun, Mister Large, ich hätte da vielleicht einen passenden Job für Sie – eine kleine Aufgabe außerhalb der Stadt, die mehr als nur angemessen bezahlt wird. Mit dem Geld könnten Sie danach irgendwo neu anfangen, egal wo, Hauptsache weit weg von hier. Ein Pferd und etwas Proviant bekämen Sie von mir ebenfalls zur Verfügung gestellt. All das natürlich nur unter der Voraussetzung, dass Sie danach nie wieder – und ich meine nie wieder – nach Copperhole zurückkehren.«
Der Bürgermeister ging wieder hinter seinen Schreibtisch und setze sich, während ich ihn argwöhnisch beobachtete. Seine unerwartete Hilfsbereitschaft weckte das Misstrauen in mir, so wie es mir entgegengebrachte Wohltätigkeit grundsätzlich tut.
»Und was wäre das für ein Job?«, wollte ich wissen. »Irgendein Verlies von Riesenspinnen befreien, ein verwunschenes Artefakt suchen oder irgendwelche Schmuckstücke in heiße Lava schmeißen?«
Bürgermeister und Sheriff sahen mich irritiert an.
»Wie kommen Sie denn auf so abstruse Ideen?«, fragte Honesty. »Kommt das vom Alkohol? Na egal, natürlich ist es nichts derart Groteskes. Sagt Ihnen der Name Athuro etwas?«
Ich nickte. »Colonel Don Athuro, natürlich, wer kennt den Namen nicht? Er ist der größte, mächtigste und reichste Rancher hier in der Gegend. Im Grunde gehört ihm der halbe Westen Avaritias.«
»Und außerdem ist er mein Cousin«, fügte Honesty hinzu. »Er hat mich gebeten, ihm einen Zwerg zu schicken, der sich im Umgang mit Schusswaffen gut auskennt und der sich selbst zu helfen weiß. Nach allem, was ich über Sie gehört habe, wäre ein Raufbold wie Sie wohl genau der richtige Mann.«
»Sie haben so einflussreiche Verwandtschaft?«, wunderte ich mich. »Und trotzdem haben Sie es nur zum Bürgermeister eines so winzigen Kaffs gebracht? Irgendwie traurig. Was für eine Aufgabe hat Ihr Cousin denn nun für mich?«
Honesty ignorierte meine spitze Bemerkung und beschränkte sich etwas säuerlich dreinblickend auf die Beantwortung meiner Frage. »Das wollte er mir nicht verraten. Als Verwandter bin ich dennoch dazu verpflichtet, seinem Wunsch nachzukommen. Die Details müssten Sie also mit ihm selbst besprechen. Wie Sie vielleicht wissen, liegt seine Ranch etwa einen Tagesritt von hier entfernt. Nun, was sagen Sie?«
Ich ließ mir mit meiner Antwort etwas Zeit, obwohl ich mich eigentlich schon entschieden hatte. Ein Pferd, Proviant und eine Menge Geld – mir gingen tatsächlich die Argumente aus, um meinen Hintern nicht aus der Stadt bewegen zu müssen. Zudem war dies ein Angebot, das ich eigentlich gar nicht ablehnen konnte. Die Alternativen waren zwar gar nicht zur Sprache gekommen, doch sie würden wohl allesamt nicht gerade angenehm für mich sein. Der Bürgermeister würde wohl nicht zögern, mich ohne einen Cent in der Tasche oder einen Gaul unter dem Hintern aus der Stadt zu jagen. Vielleicht würde er mich vorher auch noch eine geraume Zeit lang in der Zelle schmoren lassen.
Honesty wartete ungeduldig mit seinen Fingern auf den Schreibtisch klopfend auf meine Antwort. Ich hatte Durst und die Unterhaltung fing an, mich zu langweilen. Also stimmte ich zu.
»Hervorragend!« Jogrund Honesty war sichtlich erfreut. »So soll es sein! Der Sheriff wird Sie hinausbegleiten und sich um alles Weitere kümmern. Aber lassen Sie es mich noch einmal ganz klar und deutlich sagen: Nie wieder! Dies war also definitiv unsere letzte Begegnung, womit wir beide wohl sehr gut leben können.«
»Sag niemals nie«, dachte ich. Dem Bürgermeister nickte ich als Abschiedsgruß aber nur stumm zu.
»Auf Nimmerwiedersehen!«, rief dieser mir noch nach, als ich gemeinsam mit McHardy sein Büro verließ.
Vor dem Rathaus sah mich der Sheriff mit einem klitzekleinen Funken Bedauern im Blick an. »Irgendwie wirst du mir fehlen, Gungo. Ohne dich werde ich nur noch halb so viel zu tun haben.«
»Dann kannst du deinen beschissenen Gehilfen ja entlassen«, scherzte ich und der Ordnungshüter grinste.
»Pass auf dich auf«, riet er mir. »Ich weiß, du bist unschlagbar mit dem Schießeisen, doch du neigst dazu, dich selbst in die Scheiße zu reiten.«
Er streckte mir seine Hand entgegen und ich ergriff sie.
»Auf den Abschiedskuss möchte ich aber verzichten«, wandte ich ein.«Dabei muss ich immer weinen.«
McHardy grunzte vergnügt. »Du bist ein Idiot. Willst du sofort los?«
Ich schüttelte den Kopf. »Gib mir noch ein wenig Zeit, ich habe da noch etwas zu erledigen.«
Etwa zwei Stunden später fühlte ich mich wie ein neuer Zwerg. Ich saß auf dem Rücken meines eigenen Pferdes und trug meinen Revolver, ein frisches Hemd sowie meinen schönen schwarzen Hut. Diesen hatte ich in einer Schnapslache unter dem Tresen des Saloons wiedergefunden. Die drei Whisky, die ich mir bei dieser Gelegenheit gegönnt hatte, sorgten für ein wohliges, warmes Gefühl in mir.
Der Apfelschimmel, den sie mir gegeben hatten, war zwar nicht mehr der Jüngste, auch nicht der Schnellste und schon gar nicht der Schönste, doch er schien robust zu sein und einen gutmütigen Charakter zu besitzen. Keine Luxusklasse also, aber ein solides, zuverlässiges Modell, das einen nicht so schnell im Stich ließ und seinen Reiter genau dort hinbrachte, wohin er auch wollte. Leider fiel mir kein passender Name für das gute Tier ein. Ich war jedoch zuversichtlich, dass mir da noch etwas Originelles einfallen würde.
Ein letztes Mal bevor ich nach Süden zur Tolemak-Ranch aufbrach, warf ich einen Blick zurück nach Copperhole, der kleinen Siedlung im Schatten eines namenlosen Berges, den die Zwerge auf ihrer Suche nach Kupfer nahezu vollständig ausgehöhlt hatten. Hier war ich zur Welt gekommen, hier hatte ich meine Kindheit verbracht und hier hatte ich die Menge eines Ozeans an Fusel gesoffen. Bis auf die Zeit bei der Army hatte ich hier mein ganzes Leben verbracht. Jetzt im Licht der hoch stehenden Sonne, sah dieser Ort fast schon idyllisch aus – na ja, zumindest so idyllisch wie ein paar Holzhütten am Fuß eines kahlen, grauen Berges eben aussehen können.
Doch es war nicht die Wehmut, die mich ergriff und auch nicht die Traurigkeit. Es war etwas ganz anderes, das mich beschäftigte.
Ich fragte mich, wie die Anwohner des kleinen Städtchens wohl auf den Anblick des splitternackten Zwergs reagierten, der genau in diesem Augenblick geknebelt und auf dem Rücken eines Ochsen festgebunden durch die Ortschaft trabte und zwischen dessen blanken Arschbacken der Stern eines Hilfssheriffs steckte.