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Ugarit
ОглавлениеUgarit liegt im heutigen Syrien, in der Nähe der Stadt Latakia, und war im 14. und 13. Jh. v.u.Z. ein blühender Stadtstaat. Systematische Ausgrabungen seit den 1930er Jahren haben zahlreiche beeindruckende Dokumente aus Verwaltung, Kult und Mythologie hervorgebracht, von denen einige auf Ugaritisch abgefasst sind, einer semitischen Sprache, die in alphabetischer Keilschrift geschrieben wurde. In einem der mythologischen Texte – innerhalb eines Passus (Keilschriftliche Texte aus Ugarit [KTU] 1.1.IV,13–323), von dem nur noch Fragmente existieren und der sich auf ein Bankett des Gottes El zu beziehen scheint – findet sich eine Wendung, die man vielleicht folgendermaßen übersetzen könnte: „Der Name meines Sohnes, Jw – Göttin/Gott (Götter?)“. Man hat hierin manchmal eine Abkürzung der Kurzform des Namens des Gottes Israels sehen wollen. Der Gott El würde dann also sagen: „Der Name meines Sohnes (ist) Jhwh.“
In diesem Fall könnte man das Fragment mit der ursprünglichen Version eines Verses aus dem Deuteronomium in Verbindung bringen, in dem Jhwh als Sohn des kanaanäischen Gottes El verstanden zu werden scheint. Der masoretische Text (Dtn 32,8–9), so wie man ihn im Pentateuch findet, lautet: „Als der Höchste den Nationen ihren Erbbesitz zuteilte, als er die Menschen voneinander schied, bestimmte er die Gebiete der Völker nach der Zahl der Söhne Israels. Ja, der Anteil Jhwhs ist sein Volk, Jakob ist sein zugewiesener Teil.“ Dagegen lautet der ursprüngliche Text (den man auf der Grundlage der griechischen Übersetzung und eines Qumran-Fragments rekonstruieren kann): „Als Eljon (der Höchste) die Nationen als Erbe gab, als er die Menschen aufteilte, legte er die Gebiete der Völker nach der Zahl der Söhne Gottes (Els) fest. Ja, der Anteil Jhwhs ist sein Volk, Jakob ist sein zugewiesener Teil.“ Nach diesem Text ist Jhwh einer der Söhne des Gottes El, so wie das auch bei besagtem Fragment aus Ugarit der Fall sein könnte.
Man kann die Gleichsetzung von Jw und Jhwh nicht definitiv ausschließen, was bedeuten würde, dass Jhwh im 13. oder 12. Jh. v.u.Z. in Ugarit bekannt war und (zumindest am Rande) zu dessen Götterwelt gehörte. Allerdings ist dieser Textauszug ziemlich unklar und zu fragmentarisch, als dass man von einer Verehrung des Gottes Jhwh in Ugarit sprechen könnte.
André Caquot, der die französische Edition dieses Textes vorbereitet hat, hat eine Verbindung zwischen diesem Jw und einer Gottheit Ieuô vorgeschlagen, die nach Porphyrios von Tyros (234–ca. 305) eine ehemalige Gottheit Beiruts war. Eusebius (ca. 265–339), Bischof von Caesarea, zitiert Porphyrios in seiner Praeparatio evangelica (Vorbereitung auf das Evangelium) I,9: „Sanchuniaton von Berytos hat eine Geschichte der Juden verfasst, die alle Charaktere der Wahrheit enthält und sich sehr gut mit ihren Namen und ihren Orten auskennt; er hatte dazu Erinnerungsnotizen des Hierombalus bekommen, eines Priesters des Gottes Ieuô.“ Dort (I,10) erfährt man auch, dass die Stadt Beirut dem Gott Poseidon gehörte; daher der Gedanke Caquots, Jw sei eine allographische Variante für Jm und würde Jam bezeichnen, den Meeresgott der levantinischen Götterwelt, – zumal Jm eine Zeile später im ugaritischen Text tatsächlich genannt werde4. Das hieße, KTU 1.1.IV beschriebe ein Bankett, dem El vorsitzt und während dessen er seinen Sohn Jam zum König ernennt, wobei er ihm den Namen Jw gibt.
Aber vielleicht gibt es eine noch einfachere Erklärung: Es könnte sich um einen Schreibfehler handeln, wie er oft bei der Transkription ugaritischer wie auch anderer Texte vorkommt.