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Jhwh und Seth

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Wenn Jhwh ein Gott aus dem Süden ist, hat er möglicherweise auch die Eigenschaften eines Steppengottes. Siegelskarabäen, die man im Negev und in Juda gefunden hat und die eine ikonographische Variante des Motivs des „Herrn der Tiere“ aufweisen, können möglicherweise mit einem solchen Steppengott in Verbindung gebracht werden. Sie stammen zum Großteil aus dem 10. und 9. Jh. v.u.Z. und zeigen eine Person, wahrscheinlich eine Gottheit, die Strauße zähmt25. Nach Othmar Keel und Christoph Uehlinger könnte es sich um eine Darstellung Jhwhs handeln26. Falls sich diese Identifizierung als richtig erweist, hätte man hier einen Hinweis darauf, dass Jhwh nicht nur als Gewittergott verehrt wurde, sondern auch als Gottheit der Steppen, der Dürregebiete.

Kann man also vielleicht eine Verbindung zwischen Jhwh und dem ägyptischen Gott Seth herstellen? Dieser Gott ist im Laufe des 2. Jt. aus Ägypten in Richtung südliche Levante gewandert.

Seth war immer ein Gott der Extreme, der in den Bergen, der Wüste und den Oasen lebte. Als aggressiver Kriegsgott ist Seth natürlich der Feind Osiris’ und dessen Sohnes Horus und symbolisiert die Unordnung, das Chaos, das Gegenteil von maʾat (der Ordnung der Welt und der Gesellschaft), aber er ist auch der Begleiter und Beschützer des Sonnengottes. Eine verbreitete ikonographische Darstellung zeigt, wie Seth sich gegen die Schlange Apophis stellt und der Barke des Sonnengottes so ihren Weg freihält. In dieser Funktion trägt er den Namen „Geliebter des Re“. Die Verbindung zwischen dem Sonnengott und Seth zeigt sich auch im Bericht des Wenamun, einer Erzählung aus dem Anfang des 1. Jt. v.u.Z., welcher die Reise eines hohen Beamten nach Byblos schildert. Als dieser am Ziel ankommt, sagt der Fürst von Byblos zu ihm: „Siehe, Amun donnert im Himmel, nachdem er Seth eingesetzt hat in seinen Bereich.27“ Diese enge Verbindung zwischen einem Sonnengott und einem Gewitter- oder Kriegsgott findet man kurze Zeit später wahrscheinlich auch in Jerusalem, als Jhwh sich dort niederlässt.

Wie Jhwh ist Seth ein kinderloser Gott28, obwohl er mit der Göttin Nephthys (der Totengöttin) verheiratet ist. Seth wird jedoch für seine große Manneskraft gerühmt und deshalb auch angerufen; später hat man ihn mit fremden Göttinnen aus der Levante wie Anat und Astarte verbunden. Auf diese Weise wurde Seth für die Ägypter der Gott der Fremde und der Schutzgott derjenigen Ägypter, die in der Fremde lebten. Die Ägypter haben einige Götter der Völker der Levante (Baal, Teschub) mit Seth identifiziert; eine Identifizierung von Seth und Jhwh ist demnach ebenso vorstellbar. Belegt ist diese in jüngeren jüdischen und anti-jüdischen Texten aus hellenistischer Zeit29.

Eine frühere Verbindung von Seth und Jhwh wird vielleicht durch ein ägyptisches Dokument möglich. Der Papyrus Louvre E 32847 (ein medizinischer Traktat)30 erwähnt einen fremden Gott, der auf dem „Berg Laban“ wohnt, in einer Region, die Ûan genannt wird („Gegend des phönizischen oder roten Wachholders“) und die in Edom gelegen haben muss (der einzigen Gegend in Palästina, wo es diese Pflanze gibt)31. Ein aus der 18. Dynastie stammendes ägyptisches Verzeichnis der Orte, an denen sich die Schasu-Nomaden (von denen ja schon die Rede war) aufhielten, erwähnt ein „Land der Schasu von Laban“ und legt so eine Verbindung zwischen diesen Nomaden und Laban nahe, das in diesem Zusammenhang als geographische Angabe verstanden werden muss. Kann man nun eine Verbindung zwischen Jhwh und jenem fremden Gott ziehen, der im Louvre-Papyrus als besonders gewalttätig beschrieben wird? Der ägyptische Ausdruck für diesen Gott identifiziert ihn mit Bebon (einem Affengott), was wiederum die sethianische Bezeichnung des Gottes Thot ist. Es ist schwer zu sagen, ob dieser gewalttätige Gott ohne Namen Jhwh sein könnte. Es ist jedoch interessant, dass in diesem Dokument eine Verbindung zwischen Laban und Edom hergestellt wird. Auf diese Verbindung trifft man auch in der biblischen Erzählung von Jakob (Israel): Er ist der Bruder Esaus (Edoms) und der Neffe Labans.

Auch die oben genannten möglichen Verbindungen zwischen Seth und Jhwh32 erklären und unterstreichen einen südlichen Ursprung Jhwhs, sein kriegerisches Auftreten und seine Herkunft aus den Steppen.

1 Giovanni Pettinato: „Il calendario di Ebla al tempo del re Ibbi-Sipiš sulla base di TM.75.G.427“, in: Archiv für Orientforschung 25 (1974–1977), S. 1–36.

2 Hans-Peter Müller: „Gab es in Ebla einen Gottesnamen Ja?“, in: Zeitschrift für Assyriologie und Vorderasiatische Archäologie 70 (1980), S. 70–92; Karel van der Toorn: „Jahweh“, in: Dictionary of Deities and Demons in the Bible 19992, S. 910–911.

3 Eine deutsche Übersetzung findet sich bei Herbert Niehr: „Mythen und Epen aus Ugarit“, in: Bernd Janowski und Daniel Schwemer (Hgg.): Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge, Band 8, Gütersloh (Gütersloher Verlagshaus) 2015, S. 177–301, hier S. 191–192.

4 André Caquot u.a.: Textes ougaritiques. Mythes et légendes, Bd. 1, Paris (Cerf) 1974, S. 309.

5 André Finet: „Yahvé au royaume de Mari“, in: Res Orientalia 5 (1993), S. 15–22.

6 Thomas Schneider: „The first documented occurence oft the god Yahweh? (Book of the Dead Princeton „Roll 5“)“, in: Journal of Ancient Near Eastern Religions 7 (2008), S. 113–120.

7 Amara West war ab der Regierungszeit von Sethos I. (1294–1279 v.u.Z.) der Sitz der ägyptischen Verwaltung von Obernubien (Kusch) und bekannt unter dem Namen „Haus-des-Ramses-geliebt-von-Amun“.

8 Manfred Weippert: „Semitische Nomaden des zweiten Jahrtausends. Über die Šȝśw der ägyptischen Quellen“, in: Biblica 55 (1974), S. 265–280 und 427–433.

9 (Vereinfachte) deutsche Übersetzung nach Manfred Weippert: Historisches Textbuch zum Alten Testament, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2010, S. 172–173.

10 (Vereinfachte) deutsche Übersetzung nach Manfred Weippert: Historisches Textbuch zum Alten Testament, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2010, S. 193–194.

11 Bezieht sich auf die Stämme, die in Vers 5 genannt werden.

12 Der hebräische Ausdruck mēriḇḇōt qōdeš ist schwer zu verstehen, einige übersetzen den masoretischen Text mit „er ist von den heiligen Myriaden gekommen“, was keinen wirklichen Sinn ergibt. Der Parallelismus spricht eher für eine geographische Angabe. Die Septuaginta versteht Qadesh als Eigennamen: „mit den Myriaden von Kadesch“. Manchmal findet man die Korrektur mēʿarḇōt „aus den Steppen“, was einen Sinn ergibt, oder – was ebenfalls möglich ist – mimmĕriḇat („aus Meriba“), da Meriba in Vers 8 erwähnt wird, der an den Aufstand in Meriba erinnert (vgl. Ex 17,7).

13 Das Ende des Verses ist so gut wie unübersetzbar. Die masoretische Vokalisierung schlägt so etwas vor wie: „aus seiner Rechten entspringt ein Gesetzesfeuer“. Der Terminus dāt („Gesetz“) ist ein Lehnwort aus dem Persischen; in diesem Fall könnte es sich um eine Glosse oder eine spätere Ergänzung handeln. Die Septuaginta hat „Engel mit ihm“, wohl um einen Parallelismus zu den Myriaden der Heiligen herzustellen. Die Übersetzungsmöglichkeit, die hier gewählt wurde, ist, das Wort als Femininum Plural zu verstehen, ʾašdôt, was so etwas wie „die Hänge“ bedeutet, den Übergang zwischen Hochgebirge und Wüste.

14 Der masoretische Text ist ziemlich unklar. Der hebräische Text wird manchmal von bām sînaj („in ihnen – Sinai“) in bāʾ mîssinaj („er ist vom Sinai gekommen“) korrigiert, aber es gibt keine Handschriften oder Versionen, die dies stützen.

15 Es handelt sich vielleicht um eine theologische Entscheidung der Asaphiten, einer Gruppe innerhalb der Leviten (der Priester, aus denen die Kantoren kamen), die diese Psalmensammlung angelegt und redigiert haben. Dass es genau 42 Psalmen sind, ist wahrscheinlich nicht zufällig. Nach einigen Textzeugnissen enthielt der Elohistische Psalter möglicherweise 42 Erwähnungen des Tetragramms (im Talmud, Traktat Kidduschin 71a findet sich der Gedanke, dass der göttliche Name aus 42 Buchstaben besteht – wahrscheinlich eine Kombination verschiedener Bezeichnungen des Gottes Israels). In Mesopotamien wird diese Zahl oft gebraucht, um lange Hymnen zu unterteilen. Das ägyptische Totenbuch spricht von 42 Gottheiten und 42 Sünden, die man vermieden haben sollte. In der Hebräischen Bibel und im Neuen Testament steht die Zahl 42 auch in dem Ruf, Unglück zu bringen. Siehe dazu ausführlich Laura Joffe: „The answer to the meaning of life, the universe and the Elohistic Psalter“, in: Journal for the Study of the Old Testament 31 (2006), S. 81–101.

16 Walter Gross: Richter, Freiburg, Basel, Wien (Herder) 2009, S. 306–307.

17 Christoph Levin: „Das Alter des Deboralieds“, in: Fortschreibungen. Gesammelte Studien zum Alten Testament, Berlin–New York (Walter de Gruyter) 2003, S. 124–141; Bernd-Jörg Diebner: „Wann sang Debora ihr Lied? Überlegungen zu zwei der ältesten Texte des TNK (Ri 4 und 5)“, in: Amsterdamse cahiers voor exegese en bijbelse theologie 14 (1995), S. 106–130.

18 Giovanni Garbini: „Il cantico di Debora“, in: La parola del passato 33 (1978), S. 5–31.

19 Die interpolierten Bibelverse greifen Beschreibungen wieder auf, die sich im poetischen Text von Gen 49,13–16 finden. Die Theorie, wonach die Erwähnung der anderen Stämme in Richter 5,15–17 von einem späteren Redaktor eingefügt worden ist, kann sich auch auf Richter 4 stützen, wo nur die Stämme Naftali und Sebulon erwähnt werden.

20 Hier findet sich der Name Eloah (mit „Gott“ übersetzt), der vor allem im Buch Ijob verwendet wird.

21 Ernst Axel Knauf: Midian. Untersuchungen zur Geschichte Palästinas und Nordarabiens am Ende des 2. Jahrtausends v. Chr., Wiesbaden (Harrassowitz) 1988, S. 52 Anm. 260.

22 Henrik Pfeiffer: Jahwes Kommen von Süden: Jdc 5, Hab 3, Dtn 33 und Ps 68 in ihrem literatur- und theologiegeschichtlichen Umfeld, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2005.

23 Die Diskussion geht weiter in: Berliner Theologische Zeitschrift 30 (2013). Henrik Pfeiffer: „Die Herkunft Jahwes und ihre Zeugen“ bleibt hier bei seiner Position, während Manfred Kebernik: „Die Anfänge des Jahwe-Glaubens aus altorientalistischer Perspektive“ die Hypothese von einer südlichen Herkunft Jhwhs für die wahrscheinlichste hält.

24 IV R 28 Nr 2; französische Übersetzung bei Dominique Charpin: „Chroniques bibliographiques 3. Données nouvelles sur la région du petit Zab au XVIIIe siècle av. J.-C.“, in: Revue d’assyriologie et d’archéologie orientale 2004, S. 151–178, S. 153.

25 Wir werden die Bedeutung der Strauße auf der midianitischen Keramik im folgenden Kapitel noch behandeln.

26 Othmar Keel und Christoph Uehlinger: Götter, Göttinnen und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen, Freiburg, Basel, Wien (Herder) 1992, S. 155, 157–158. Pirhiya Beck: „Bird figurines“, in: Itzhaq Beit-Arieh (Hg.): Ḥorvat Qitmit. An Edomite Shrine in the Biblical Negev, Tel Aviv (Institute of Archaeology Tel Aviv University) 1995, S. 141–151 ist der Meinung, dass diese Figur eher einen Helden darstellt.

27 Eine deutsche Übersetzung findet sich in Manfred Weippert: Historisches Textbuch zum Alten Testament, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2010, S. 216–223, Zitat S. 220.

28 Das ändert sich im Neuen Testament …

29 Vgl. Willem Pleyte: La Religion des pré-Israélites. Recherches sur le dieu Seth, Leiden (T. Hooiberg & Fils) 1865, S. 117–127.

30 Dieser Text wurde gerade ediert: Thierry Bardinet: Médecins et magiciens à la cour du pharaon. Une étude du Papyrus Médical Louvre E 32847, Paris (Musée du Louvre, Éditions Khéops), 2018.

31 Thierry Bardinet: „La contrée de Ouân et son dieu”, in: Egypte nilotique et méditerranéenne 3 (2010), S. 53–66; vgl. auch Ders.: Médecins et magiciens à la cour du pharaon. Une étude du Papyrus Médical Louvre E 32847, Paris (Musée du Louvre, Éditions Khéops) 2018, S. 270–272.

32 Im Buch Genesis erscheint Seth als der dritte Sohn Adams (Gen 4,25). Möglicherweise gibt es keine Verbindung zwischen ihm und der ägyptischen Gottheit, obwohl die griechische Schreibweise beider Namen identisch ist.

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