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Kapitel – 13.11.2015 London

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Emily Jones hatte sich ihre Schicht ganz anders vorgestellt. Als erstes hätte sie heute gar nicht arbeiten müssen. Zum zweiten hätte sie sich einen anderen Partner gewünscht. Normalerweise versah sie ihren Dienst mit gleichaltrigen Männern. Die meisten davon waren recht humorvoll und wenn sie es nicht waren, dann konnten sie zumeist über die gleichen Themen sprechen. Gerade wenn wenig los ist, kann Polizeiarbeit recht langweilig sein. Und wenn dann noch ein langweiliger Partner an der Seite ist, so können sich Stunde wie Tage anfühlen.

Vielleicht war Steve Smith auch gar nicht der Langweiler, den Emily in ihm vermutete. Er war mit seinen 62 Jahren jedenfalls fast dreimal so alt wie sie. In Emilys Wahrnehmung war Smith auch der letzte Schnurbartträger der Welt, zumindest in London. Emily gab sich einen Ruck und dachte für sich, „nun reiß‘ dich schon zusammen! Er ist gar nicht so übel wie er aussieht. Und er ist gleich alt wie mein Dad.“

„Wie lange musst du eigentlich noch arbeiten bis zur Pension?“

Emily beschloss als Einstieg ein harmloses Thema zu wählen. Emily und Steve kannten sich flüchtig aus einem gemeinsamen Polizeikurs aber immerhin so gut, dass sie locker miteinander plaudern konnten.

Steve Smith grinste und antwortete:

„Du hast dir wohl einen anderen Partner für heute Abend gewünscht? Vor fünf Minuten hast du mich schon das gleiche gefragt. Du scheinst einfache Kommunikation betreiben zu wollen. Nun sind es nur mehr 34 Arbeitstage minus fünf Minuten.“

Emily errötete leicht. Sie fing sich jedoch einen Augenblick später und lächelte die Situation einfach weg.

„Naja ich wäre heute auch gerne auf dieses Konzert gegangen. Meine Freundin hätte sogar noch eine Karte für mich gehabt, da ihr Freund kurzfristig abgesagt hat. Für immer abgesagt hat. Aber wer würde nicht einen lustigen Abend mit ein paar Drinks und einer coolen Band gegen ein paar Stunden Streifendienst vor der O2 Arena mit einem Mann, der gleich alt wie mein Dad ist, eintauschen?“

Steve formte seine Hände zu einer kleinen Schüssel und bewegte sie vor seinem Körper mehrmals hin und her.

„Eine Runde Mitleid für die junge Dame neben mir!“

Emily errötete nochmals und blickte verstohlen in alle Richtungen, um abzuschätzen, wie viele Menschen sie beobachteten.

Es war 20.30 Uhr. Vor der O2 Arena standen nur mehr vereinzelt Menschen, der Großteil der Besucher war bereits in der Konzerthalle. Dadurch nahm sonst niemand von Steves Scherz Notiz.

Steve Smith war Zeit seines Lebens Polizist. Zwischendurch kletterte er die Karriereleiter etwas höher. Die letzten Jahre vor seiner Pension ging es aber wieder bergab. Über die Gründe wusste Emily nicht wirklich Bescheid. Beim gemeinsamen Polizeikurs hatte sich Steve irgendwie kryptisch dazu geäußert. Es verstand auch sonst niemand so recht, was er wirklich meinte. Letztlich fragte auch keiner nach.

Bemerkenswert war auch, dass Steve Smith durchaus über sehr gute Kontakte in die Politik und die Verwaltung verfügte. Er selbst machte dies nie zum Thema. Emily schnappte aber einmal in der Kantine auf, dass Steve mit dem MI6 Chef, Sir Robert Fulham, zusammen in die Schule gegangen und seitdem freundschaftlich miteinander verbunden war.

Sogar die Premierministerin soll ihn schon zumindest einmal angerufen haben. Das vermutete zumindest der Partner, der mit Smith damals unterwegs war. Smith soll nur „Ma’am“ gesagt und sich dann mit einem peinlich berührten Gesichtsausdruck in eine der wenigen verbliebenen roten Telefonzellen zurückgezogen haben. Der Kollege vermutete entweder eine geheime Affäre oder die Premierministerin. Die wenigen Worte, die er gedämpft aus Smiths Telefon hören konnte, klagen aber eher nach der Premierministerin. Für den Tratsch unter Kollegen eignete sich diese Variante ohnehin auch besser.

Tatsächlich wurde ihm die Premierministerin, Anne Taylor, von seinem Freund Robert Fulham vor vielen Jahren vorgestellt. Sie war damals noch Bürgermeisterin Londons. Als Stadtoberhaupt rief sie ihn damals auch regelmäßig an. Dabei ging es anfangs nur um Polizeieinsätze und warum die Polizei reagierte, wie sie reagierte. Alsbald wurden die Themen aber breiter und die Gespräche verlagerten sich zunehmend auch auf eine persönliche Ebene. Smith, seit jeher ein skeptischer Mensch, glaubte aber wirklich ehrliches Interesse Taylors an ihn und der Polizeiarbeit wahrgenommen zu haben.

Als Anne Taylor dann zur Premierministerin gewählt wurde, wurden die Telefonate seltener. Auch die Veranstaltungen, an denen beide teilnahmen und sie sich trafen, reduzierten sich auf ein, zwei Gelegenheiten im Jahr. Der Kontakt riss so nahezu ab.

Als Emily Jones und Steve Smith vor dem O2 patrouillierten, kam Smith plötzlich wieder die Premierministerin in den Sinn und auch Robert Fulham, der MI6 Chef, den er auch schon lange nicht mehr getroffen hatte. Smith war mit seiner Karriere zufrieden, doch manchmal ertappte er sich dabei, wie er von der Geheimdienstarbeit angezogen wurde. Er fragte sich oft, was der MI6 wusste, dann aber in der Öffentlichkeit verschleiert wurde.

Die Anzahl der Attentate und Bombendrohungen in London ging jedenfalls in den letzten Jahren zurück. Smith fragte sich, wie oft bei in den Medien berichteten tödlichen Unfällen der Geheimdienst seine Finger im Spiel hatte. Sein Freund Fulham hatte einmal kryptisch fallen gelassen, dass bei mehr Unfällen als jeder annimmt, eine staatliche Organisation dahintersteckt. Sei es eine inländische, oder aber eine der unzähligen ausländischen Geheimdienste, die in Großbritannien und vor allem in London operierten.

„Ich muss Robert mal wieder anrufen!“

Steve Smith musste die Gedanken an seinen Freund offensichtlich laut ausgesprochen haben als Emily plötzlich ihren Kopf in seine Richtung drehte und erwiderte,

„dann kennst du wirklich den MI6 Chef? In der Kantine haben sie darüber gesprochen und ich habe es anfangs gar nicht so recht geglaubt.“

„Es klingt spannender als es ist. Robert und ich sind ein paar Straßen voneinander aufgewachsen und einige Jahre in die gleiche Klasse gegangen. Irgendwie sind wir auch danach noch immer im Kontakt geblieben.“

„Siehst du die drei Männer dort drüben?“

Emily zeigte auf drei dunkel gekleidete Gestalten, die neben Rucksäcken auch noch schwere Taschen zu tragen schienen, da sie in gebückter Haltung auf dem Gehsteig gingen.

Vor und nach den Veranstaltungen hielten sich die meisten Besucher zwischen der O2 Arena und der südlich gelegenen U-Bahn-Station North Greenwich auf. Der Weg von der Veranstaltungshalle zur U-Bahn war überdacht, sodass auch Regen die Stimmung der zumeist gut gelaunten und zumindest leicht angetrunkenen Besucher nicht mehr trüben konnte.

Emily und Steve patrouillierten mehrmals entlang des Weges zwischen der U-Bahn-Station und der Multifunktionshalle. Wieder einmal bei der U-Bahn-Station angelangt, beschloss der erfahrene Polizist ihre Route auf den etwas weiter südlich gelegenen Parkplatz auszudehnen und den Parkplatz abzugehen. Eben dort registrierte Emily die drei Verdächtigen.

Inzwischen fiel einer der drei Männer etwas zurück. Die anderen beiden Personen waren entweder sportlicher oder ihre Taschen und Rucksäcke leichter. Sie näherten sich jedenfalls der U-Bahn-Station, wohingegen Emily und Steve südöstlich von ihnen mitten am Parkplatz standen.

Bei Steve Smith machte sich ein ungutes Gefühl im Bauch bemerkbar. Es war zwar nicht ungewöhnlich, dass sich schwarz gekleidete Personen im Umfeld der O2 Arena aufhielten. Aber die Rucksäcke und offensichtlich schweren Taschen waren auffällig. Dennoch entschieden sich die beiden Polizisten vorerst keine Meldung an die Zentrale abzusetzen, sondern sich den Männern weiter zu nähern.

Augenblicke später wusste Smith, dass das ein Fehler war.

"Nähere du dich dem abgeschlagenen Dritten, aber pass' auf, dass er dich nicht sieht! Ich stelle die ersten beiden zur Rede."

Smith setzte zu einem schnelleren Gang an. Ihn trennten von den zwei Männern etwa 30 Meter, wobei er sich ihnen in einem leichten Bogen näherte. Emily war nur 20 Meter von dem dritten Kerl entfernt. Sie wunderte sich, dass sie noch nicht von den Männern bemerkt wurden.

Auch Emily spürte ein Rumoren in ihrem Körper. Auf den Verdächtigen fast zu fokussiert bemerkte sie gar nicht, dass sie über eine am Boden liegende Getränkedose stolperte. Augenblicklich wandte der Mann seinen Kopf in die Richtung des Geräusches und erstarrte für einen kurzen Moment. Die Polizistin blieb auch augenblicklich stehen. Sie waren vielleicht noch zehn Meter voneinander entfernt. Plötzlich ließ der Mann seine beiden Taschen fallen, nahm den Rucksack von den Schultern, schleuderte ihn in Emilys Richtung und lief geradewegs auf sie zu.

Steve Smith registrierte dies alles nicht. Im fast gleichen Augenblick setzte er zu einem Sprint an und blieb in kurzer Distanz vor den beiden anderen Männern stehen, die ihn inzwischen auch bemerkt hatten.

Emily Jones wiederum stellte im letzten Moment fest, dass der Angreifer ein Messer aus dem Gürtel zog. Die lange Klinge reflektierte die Strahlen der Parkplatzbeleuchtung. Er hielt das Messer in der ausgestreckten linken Hand und stürmte auf sie zu. Die junge Polizistin griff reflexartig zu ihrem Schlagstock. Sie trug, wie die meisten Polizisten in London keine Schusswaffe mit sich, sondern nur einen Schlagstock, Pfefferspray und Handschellen.

In diesem Moment konnte sie auch gar nicht mehr über ihre Bewaffnung nachdenken, aber sie wusste, dass sie mit dem Schlagstock den Angriff höchstens abwehren konnte. Der Einsatz des Pfeffersprays wäre aufgrund der kurzen Distanz und der schnellen Bewegung des Angreifers nicht zielführend gewesen. Ein Zielen wäre ohnehin unmöglich gewesen und womöglich hätte bei einem Einsatz des Reizstoffes nur sie sich behindert.

Eine Sekunde später stürzte der Mann schon auf sie ein. Eigenartigerweise spürte sie nicht die Klinge in ihrem Körper. Der Attentäter wollte ihr das Messer in den Unterleib rammen, doch Emily konnte mit einer ruckartigen Bewegung des Schlagstockes die Stoßrichtung abändern. Das Messer drang nicht in ihren Rumpf ein. Auch später würde sie nicht mehr wissen, wie ihr das gelungen war.

Der Mann, er war sicherlich knapp 1,80 Meter groß und wog an die 100 Kilogramm, begrub sie mit seinem ganzen Körper unter sich. Emily registrierte noch wie warmes Blut über ihren ganzen Körper floss. In ihren Augenhöhlen sammelte sich die rötliche Flüssigkeit.

Beide gaben bisher fast keinen Laut von sich. Kein Stöhnen, kein Fluchen, nur die Kampfgeräusche. Erst das Niederstürzen auf den Boden verursachte etwas mehr Lärm. Emilys Schutzweste war dafür verantwortlich, vor allem aber auch ihr Funkgerät, das in unzählige Teile zersprang.

Smith begrüßte in der Zwischenzeit schon die anderen beiden Männer.

„Schönen guten Abend! Wie geht es Ihnen?“

Die beiden Männer wechselten leicht nervöse Blicke, was dem Polizisten nicht entging.

„Wir sind auf dem Weg zum Konzert.“

Mehr brachte einer der Männer mit einem starken Akzent nicht hervor. In diesem Moment realisierte er, dass diese Antwort zwar der Wahrheit entsprach, aber angesichts der Taschen und Rucksäcke für den Officer höchst verdächtig war. Insofern war die nächste Frage keine Überraschung mehr.

„Was haben Sie in den Rucksäcken und Taschen? Kann ich einen Blick hineinwerfen?“

Steve Smith spürte, dass etwas faul war und instinktiv wandte er seinen Kopf in Richtung seiner Kollegin, um sich zu vergewissern, dass bei ihr alles in Ordnung war. Er konnte sie aber nirgends mehr erblicken. Dort wo er sie vermutete, nahm er nur mehr einen Mann war. Es musste der dritte Verdächtige sein, den Emily beschatten sollte. Dieser Kerl schien auch auf einem Gegenstand zu liegen. Die Taschen waren es jedenfalls nicht, denn die lagen ein paar Meter entfernt.

„Es muss Emily sein“, dachte der erfahrene Polizist und sehr schnell realisierte er wie gefährlich die Situation war. Er fluchte, dass er die Zentrale nicht verständigt und seine Kollegin in eine so brenzlige Situation gebracht hatte. Nur wenige Augenblicke später wandte er seinen Blick wieder den zwei Verdächtigen zu als ein kraftvoller Faustschlag seinen Kopf weit nach hinten riss.

Halb benommen taumelte er zurück und griff nach seinem Schlagstock. Durch den Schlag war sein Blickfeld eingeschränkt, denn er nahm nur mehr einen der beiden Angreifer wahr. Es war jener, der ihm den mächtigen Schlag mit der Faust versetzt hatte. Dieser stürzte noch einmal auf ihn zu. Smith begriff, dass er diesem Mann kraftmäßig weit unterlegen war. Doch es sollte noch weit dramatischer und vor allem tödlicher werden.

Als Polizist hatte er schon einige gefährliche Situationen überstanden und wusste die Verhältnisse immer ganz gut einzuschätzen. Dieses Mal würde er den Einsatz nicht überleben. Das wurde ihm mit einem Mal klar. Jetzt ging es darum, vor allem seine Kollegin zu retten, Verstärkung zu rufen und die Männer von ihrem eigentlichen Vorhaben abzubringen.

Aufgrund der Brutalität des ausgeführten Schlages glaubte er, dass diese Typen etwas weit Größeres vorhatten als zwei Polizisten zu töten, die zufällig ihre Wege kreuzten. Es musste mit den Taschen und Rucksäcken zu tun haben.

„Sprengstoff, O2 Arena, Anschlag, tausende Tote und Verletzte!“

Plötzlich verstand er es. All diese Gedanken strömten in Sekundenbruchteilen durch seinen Kopf. Noch in der Rückwärtsbewegung sah er wieder den zweiten Terroristen, wie er eine Pistole zog. Doch er konnte nicht abdrücken, denn der andere Angreifer packte ihn mit der rechten Hand am Hals und blockierte dadurch dessen Schusslinie. In der linken Hand hielt dieser wiederum unversehens ein Messer, zog es nach hinten, um damit einen maximal kräftigen Stoß ausführen zu können.

Smith gelang es sich nach unten zu bücken und sich damit vom Griff des Terroristen zu befreien. Der versuchte Stich mit dem Messer ging dadurch ins Leere. Der Polizist konnte sogar noch einen Fußtritt in den Unterleib seines Gegners landen, der sich vor Schmerzen krümmte, aber noch immer keinen Laut von sich gab. Der Typ mit der Pistole war von dieser Wendung so überrascht, dass er bereits seine Waffe gesenkt hatte. Er ging wohl davon aus, dass sein Partner den Polizisten in einer Sekunde umbringen würde und er damit seine Hände nicht mehr schmutzig machen musste. Plötzlich stürmte der Polizist auch noch auf ihn zu.

„Ich bin nicht tot!“

Emily Jones glaubte, dass schon Minuten seit ihrem Sturz auf den Boden vergangen waren. Tatsächlich waren es aber nur wenige Sekunden. Der Angreifer begrub sie unter sich, doch er schien sich nicht mehr zu bewegen. Das Blut, das ihren Kopf und schon fast ihren ganzen Oberkörper bedeckte und noch immer weiter floss, war nicht ihres.

Offensichtlich konnte sie mit dem Schlagstock das Messer so ablenken, dass die Spitze der Stichwaffe auf die Kehle des Angreifers traf. Da der Mann auf Emily fiel, presste er sein gesamtes Körpergewicht gegen das Messer. Die Klinge bohrte sich fast zur Hälfte durch die Kehle in den Kopf des Kerls. Dadurch war auch der große Blutverlust erklärbar und dass er nur mehr regungslos auf der Polizistin lag.

Emily versuchte anfangs noch den Typen mit ihren Händen wegzudrücken, doch dafür reichten ihre Kräfte einfach nicht aus. Mit einer letzten Anstrengung gelang es ihr den Oberkörper des Mannes ein wenig anzuheben und auf die rechte Seite zu schieben. Dadurch hatte sie etwas mehr Spielraum mit ihren Händen. Auch ihre Füße konnte sie ein bisschen seitwärts bewegen, sodass nur mehr ihr Rumpf vom Körper des Angreifers bedeckt war.

Nach ein paar weiteren Bewegungen konnte sie den inzwischen toten Leib zur Seite rollen, sodass sie wieder aufstehen konnte. Instinktiv blieb sie aber noch liegen, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Vor ein paar Minuten plauderte sie noch mit ihrem Kollegen und patrouillierten zwischen den Autos am Parkplatz. Dann registrierte sie die Verdächtigen und nur wenige Atemzüge später trachteten Unbekannte nach ihrem Leben und wohl auch nach jenem ihres Kollegen.

Am Boden liegend ließ sie ihre Blicke kreisen. Die Autos verstellte ihr dabei teilweise die Sicht. Emily sah ihren Partner wie er losstürmte. Wohin konnte sie nicht erkennen.

„Gott sei Dank, Steve lebt.“

Langsam richtete sie sich auf. Dabei kniete sie sich nur hin und schob sich einen guten Meter vor, um hinter einem Auto verborgen die Situation besser einschätzen zu können. Sie wusste nun von der Gefährlichkeit der drei Männer und dass sie vor nichts zurückschreckten, schon gar nicht vor einem Mord an einer Polizistin, die sich ihnen in den Weg stellte.

Ihr Funkgerät wurde beim Kampf zuvor zerstört, damit konnte sie keine Hilfe mehr holen. Es blieb noch ihr Smartphone. Als sie dieses hervorzog bemerkte sie sofort das gesprungene Display. Damit konnte sie also auch nichts bewirken.

Über den Parkplatz zu laufen und so Hilfe zu organisieren schied auch aus, als nun auch die beiden Terroristen in ihr Blickfeld gelangten. Offensichtlich konnte sich Steve von einem befreien und stürmte nun auf den anderen zu. Dieser konnte seine Pistole nicht mehr rechtzeitig auf ihren Kollegen richten, da warf sich Steve schon auf ihn und versuchte die Waffe an sich zu reißen.

Emily realisierte beim Anblick der Waffe, dass ihr Gegner auch sicherlich eine Schusswaffe bei sich trug. Sie robbte also zurück zum Körper des toten Angreifers und durchsuchte seine Taschen. Sofort ertastete sie die erhoffte Waffe in der linken Seitentasche seiner Hose.

„Sogar mit Schalldämpfer.“ Die Terroristen hatten an alles gedacht. Auch Emily erkannte nun, was die drei finsteren Gestalten wohl vorhatten.

„Da steckt ein ausgeklügelter Plan dahinter. Sollten sie von irgendjemanden überrascht werden, dann konnten sie diese mit den schallgedämpften Waffen aus dem Weg räumen. Und damit hätten sie ihren Plan weiterverfolgen können, mit dem Sprengstoff in oder kurz vor die Halle zu kommen und damit ein gigantisches Blutbad anzurichten.“

Die Gedanken sprudelten aus Emily hervor wie ein ausbrechender Vulkan. Das musste sie verhindern, koste es was es wolle.

Steve Smith wusste nicht, dass seine Kollegin noch immer lebte und dass sie ihm zu Hilfe eilen wollte. Er kämpfte mit dem Terroristen, sie wälzten sich am Boden. Er konnte zwischendurch immer nur für einen Sekundenbruchteil den anderen Kerl wahrnehmen. Dieser schien den Fußtritt in die Weichteile schön langsam verkraftet zu haben und kam langsam auf sie zu und zog auch seine Waffe. Gegen zwei Gegenspieler gleichzeitig hatte er überhaupt keine Chance, das wusste Smith.

Smith konzentrierte sich darauf, dass er seinem Gegner die Pistole nicht überließ. Dieser war zäh, er hielt sie noch immer umklammert, egal in welche Richtung Steve sie drehte. Eigentlich müsste er schon mindestens einen gebrochenen Finger haben. Fast unbemerkt konnte der Terrorist mit der anderen Hand ein Messer hervorziehen. Als es Steve bemerkte, war es schon zu spät.

Ein stechender Schmerz jagte von seinem linken Oberarm durch die Nervenstränge in sein Gehirn. Dadurch ließ er mit der linken Hand von der Pistole los und taumelte nur einen kleinen Schritt zurück. Sein Gegner nutzte den entstandenen Raum und trat ihn mit einem kräftigen Fußtritt von unten zwischen seine Beine. Steve wurde dadurch ein paar Zentimeter in die Höhe gehoben. Der Schmerz war fast nicht zu ertragen, doch er wollte seinem Gegner nicht die Genugtuung zuteilwerden, dass er dies durch Schmerzensschreie zugab.

Der Terrorist setzte nach und rammte sein Messer in Steves Bauch. Er drehte das Messer links, rechts und drehte es so weit er konnte. Damit wollte er sichergehen, dass die inneren Organe irreparabel zerstört wurden. Er zischte auch noch in seinem schweren Akzent.

„Stirb Bulle.“

Der zweite Angreifer hatte sich nun vollends erholt. Da er sah, dass sein Kollege die Situation im Griff hatte, blieb er stehen und begann seinen Kopf in alle Richtungen zu drehen. Offensichtlich wollte er sichergehen, dass sie noch immer nicht entdeckt worden waren. Smith spürte, dass er immer schwächer wurde. Er war aber noch bei Bewusstsein, kniete und sah zuerst auf seinen Bauch und dann in das Gesicht seines Mörders.

Doch plötzlich explodierte der Kopf des Killers. Eine dünne Wolke aus Blut, Gehirnmasse und Knochenteilen stieg an der Stelle empor, wo sich gerade noch eben die lächelnde Fratze des Terroristen befand. Er starb damit noch vor Smith.

Der einzige noch lebende Widersacher analysierte die neue Situation blitzschnell. Aus dem Augenwinkel heraus nahm er die Polizistin wahr, als sie den Schuss abfeuerte. Wegen des Schalldämpfers nahm auch er nur das Geräusch des Projektils wahr, als es in den Kopf seines Freundes eintrat.

Augenblicklich hob er die Pistole und zielte auf Emily. Er konnte nur einen Schuss abfeuern, als ihn die erste Kugel in die Seite traf. Er wusste, dass er diese Verletzung überleben würde, wenn er als Sieger aus diesem Duell ging und keine weiteren Treffer mehr einstecken musste. Durch den Aufprall wurde aber die Waffe aus seiner Hand geschleudert und er hatte alle Mühe sich auf den Beinen zu halten.

Emily bekam auch einen Treffer ab. Noch ehe ihre Kugel in den Körper des Terroristen eintrat, wurde ihre linke Schulter getroffen. Sie wusste, dass sie als Siegerin hier vom Platz gehen musste. Es standen zu viele Menschenleben am Spiel. Auch ihr Partner schien schwer verletzt zu sein. Zum ersten Mal in ihrem Leben machte sich in ihr ein unbändiges Rachegefühl breit.

Sie setzte sich in Bewegung so schnell sie konnte. Die circa zwanzig Meter überwand sie in nur wenigen Augenblicken. Dann stand sie vor dem Angreifer, der ihr die Kugel verpasst hatte. Er taumelte vor ihr. Seine Waffe lag am Boden hinter ihm. Er versuchte noch sie anzuspucken und murmelte etwas in einer fremden Sprache. Für Emily klang es arabisch.

„Schwein!“

Nur dieses eine Wort brach aus ihr heraus und sie drückte so oft am Abzug der Pistole, bis keine Kugel mehr im Magazin war. Sie versenkte alle Kugeln im Körper des Terroristen, ließ die Waffe fallen und warf sich neben ihren Partner auf den Boden.

Steve kniete inzwischen nicht mehr, sondern war auf den Boden gesackt und lag auf der Seite. Er war noch immer bei Bewusstsein, die ganze Situation erfasste er aber nicht mehr. Er erkannte aber, dass seine Partnerin alle drei Angreifer außer Gefecht gesetzt hatte.

„Ruf Fulham an!“

Smith zog mit seinen letzten Kräften sein Handy aus der Tasche. Es war zum Glück noch unversehrt. Es war ein altes Ericsson Telefon, kein Smartphone. Ein altmodisches Gerät, das heutzutage fast niemand mehr benutzte. Klein, ein Minidisplay und fast nicht zerstörbar.

„Kurzwahl 5!“

Er reichte ihr zitternd sein Mobiltelefon.

„Der MI6 muss sich drum kümmern. Das ist eine riesige Sache, da dürfen nicht die falschen Leute involviert werden!“

Emily erkannte, worauf ihr Partner hinauswollte. Robert Fulham als MI6 Chef sollte sich um die Sache kümmern. Nicht die Polizei, die zu wenig Erfahrung mit so einem massiven Anschlagsversuch hatte. Vor allem ließ sich bei der Polizei nichts geheim halten, da regelmäßig zu viele Personen Bescheid wussten und zu viele Berichte geschrieben und verteilt werden mussten.


13.11.2015

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