Читать книгу 13.11.2015 - Thomas Schiendl - Страница 8

Kapitel – 13.11.2015 New York

Оглавление

Der Mann mit dem abgetragenen dunkelgrauen Anzug saß inzwischen im weißen VW Transporter. Hinten lagen die Leichen der beiden Terroristen und ein kleines Waffenarsenal. Mattis saß am Fahrersitz, wählte die Nummer des CIA Direktors und startete den Wagen. Seinem Team befahl er zuvor zum Ford F-150 zurückzukehren und auf ihn in einer Bar in Soho zu warten.

„Hallo Mr. Davis! Hier spricht Henry Mattis.“

William Davis war seit drei Jahren CIA Direktor, aber schon viele Jahre für die Agency tätig. Er war gerade auf dem Weg zu einem Meeting. Dennoch wollte er nicht sofort nach dem Grund des Anrufes fragen, sondern eine leichte Konversation beginnen:

„Hallo Henry! Wie geht es Ihnen?“

„Danke, Sir. Ich muss dringend mit Ihnen etwas besprechen. Persönlich. Und bis dahin brauche ich Ihre Rückendeckung.“

Dem CIA Direktor war klar, dass ihn Mattis nur in einer heiklen und sehr wichtigen Angelegenheit kontaktieren würde. Henry Mattis hatte einen Sonderstatus in der CIA. Das verdankte er dem Umstand, dass er in jungen Jahren einem früheren CIA Chef das Leben gerettet hatte.

Es war eine streng geheime Aktion in Nicaragua, wozu es keinerlei schriftliche Akten gab. Damals nicht und heute nicht. William Davis kannte nur die Erzählung seines Vorgängers. Jedenfalls hat sich Mattis mit seiner damaligen Aktion Meriten für die Ewigkeit in der CIA erworben. Seit diesem Zeitpunkt hatte Mattis immer einen direkten Draht zum jeweiligen CIA Chef, egal wer es war.

"Okay Henry, ich muss noch in einen Termin und dann nach Philadelphia. Treffen wir uns dort! Lassen Sie sich von meiner Sekretärin den genauen Ort geben."

"Danke Sir, ich mache mich gleich auf den Weg. Ich bin in drei Stunden in Philly und warte dann auf Sie!"

Der weiße VW Transporter fuhr in der Zwischenzeit schon auf dem Henry Hudson Parkway. Mattis hoffte, dass sein Team schon mindestens einen Whiskey getrunken hatte. Das Lokal, in dem sie sich für später verabredet haben, war für seine fast unbegrenzte Auswahl an Whiskeys bekannt. Sogar Rauchen durfte man dort auch noch. Es war perfekt zum Abstürzen.

Deswegen hatte er sein Team auch dorthin bestellt. Er wählte die Nummer seines Stellvertreters, den Mann im hochwertigen Anzug, der inzwischen aber schon seine Streetwear anhatte und somit zu den anderen beiden Agenten kleidungstechnisch besser passte.

"Hi! Ich muss zu einem Mädchen, ich werde es heute nicht mehr schaffen. Wenn ihr mehr als 15 Gläser Tullamore Dew Whiskeys schafft, dann geht das auf mich! Aber nur ihr 3!"

Am anderen Ende der Leitung hörte er zwei Männer und eine Frau jubeln.

"Boss, aber du meinst schon den 18 Jahre alten Whiskey, oder?"

Mattis schnaufte kurz, da er wusste, dass der 18 Jahre alte irische Whiskey um 10 Dollar teurer als der 12 Jahre alte war. 400 Dollar für ein paar Drinks waren nicht wenig.

"Oder 20 Drinks vom 12-jährigen Tullamore. Eure Entscheidung!"

"Okay, 15 vom 18-jährigen und 20 vom 12-jährigen. Danke Boss!"

Sein Gesprächspartner lachte und beendete das Gespräch.

"Zumindest mein Team amüsiert sich", dachte sich Mattis als er sich bereits der George Washington Bridge näherte. Als nächstes galt es nun den Transporter in einer gesicherten Garage unterzubringen. Mit zwei Leichen an Bord konnte eine einfache Straßenkontrolle zu einem mächtigen Problem werden. Deshalb war ein Fahrzeugtausch dringend erforderlich. Gerade Transporter und geschlossenen Lieferwägen waren bei typischen Verkehrskontrollen das bevorzugte Ziel der Polizei.

In Newark hatte er Zugang zu einer kleinen, aber bewachten Lagerhalle. Dort war das „kontaminierte“ Fahrzeug sicher. Mattis verließ die Interstate 95 etwa 40 Minuten später und fand sofort den Weg zum gesicherten Gebäude. Er fuhr zum Tor, schloss es auf, fuhr rein und sperrte das Fahrzeug ab.

Erst als er den Transporter verlassen hatte, blickte er um sich. Er war schon länger nicht mehr in diese Halle gekommen, aber sie schaute noch immer so wie bei seinem letzten Besuch aus. Irgendwie erinnerte ihn die Szenerie obendrein an letztes Mal. Damals lieferte er ebenfalls einen Wagen mit Leichen ab. Nur dass es diesmal ein Transporter war und ehedem ein auffälliger, roter europäischer Luxus SUV mit einer in zwei Teilen zersägten Leiche im Kofferraum.

In einer Ecke der Lagerhalle stand noch immer ein Schreibtisch in einem recht guten Zustand. Aus der obersten Schublade entnahm Mattis ein Mobiltelefon. Er wählte die Nummer aus dem Gedächtnis. Der Mann am anderen Ende der Leitung war kurz angebunden und meldete sich nur mit einem Wort, "ja?"

"Ich habe ein Paket abgeliefert. Bitte prüft den Inhalt sorgfältig. Der Absender hat den Inhalt nicht mehr so gut verpackt. Überhaupt müssen wir uns die Schäden genau anschauen."

Mattis beendete das Gespräch und legte das Telefon zurück.

In der Schublade befanden sich weiters zwei Autoschlüssel, die zu den beiden schwarzen Ford F-150 gehörten, die in der Mitte der Halle geparkt waren. Er verglich die Kennzeichen auf den Fahrzeugen und den Anhängern und behielt sich einen Schlüssel. Mattis sprang in den einen der beiden Wagen, drehte den Schlüssel um und sofort sprang der Motor an.

Dann musste er sich schon wieder auf den Weg nach Philadelphia machen. Die weitere Fahrt verlief ebenfalls ohne Zwischenfälle. Der Verkehr war nicht allzu dicht, sodass er knapp nach 18.45 Uhr schon die Stadtgrenze der mit Abstand größten Stadt Pennsylvanias erreichte.

Über die Walt Whitman Bridge überquerte Mattis den Delaware River und ließ auch das Hafengelände hinter sich. Kurz danach verließ er die Schnellstraße und stellte seinen neuen Wagen auf dem Parkplatz vor einem Meeresfrüchte Restaurant ab. Die Sekretärin von CIA Chef William Davis gab ihm diese Adresse.

Ein Treffen an einem öffentlichen Ort wäre ohne Vorankündigung sowieso nicht möglich gewesen, da dies umfangreiche Sicherheitsroutinen erfordert hätte. Zudem sollte und wollte er nicht zusammen mit dem CIA Direktor gesehen werden. Natürlich gab es noch Alternativen für ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen. Angesichts der kurzen Vorlaufzeit fand Mattis das Treffen vor einem beliebten Restaurant als akzeptabel. Wichtig war, dass er möglichst schnell die Informationen weitergeben konnte.

Die Untersuchung der beiden Leichen war in der Lagerhalle sicher noch nicht abgeschlossen. Zu den beiden Attentätern erwartete er sich keine bahnbrechenden Neuigkeiten. Es waren nur zwei junge Männer, die irgendwo in den letzten Jahren radikalisiert und ausgebildet wurden. Dass Stark sie erledigen konnte, obwohl er schon sechs Monate außer Dienst ist, mag nicht unbedingt gegen die Terroristen sprechen. John Stark war einer der besten Agenten, den die CIA je hatte. Aufgrund seiner Kontakte wusste das auch Mattis, obwohl er nie mit Stark zusammengearbeitet hatte.

Wichtiger als die Details zu den zwei Attentätern, waren die Hintermänner. Wer hat das Attentat geplant, wer hat es finanziert und gab es noch weitere Anschlagspläne? Der letzte Aspekt war im Moment der wichtigste. Die Antwort auf diese Frage entschied über die weiteren Schritte, die zu setzen waren. Letztlich erkannte Mattis in diesem Augenblick, dass er dem CIA Chef eigentlich nicht viele weiterführende Informationen liefern konnte.

Um nicht ganz mit leeren Händen dazustehen, beschloss er den Verantwortlichen für die Lagerhalle anzurufen, bei dem er vor über zwei Stunden die beiden Leichen und den VW Transporter abgestellt hatte.

„Hallo! Haben Sie meinen Wagen schon untersuchen können?“

Trotz höchstmöglicher Verschlüsselung hatte es sich Mattis angewöhnt, nie direkt über sensible Informationen am Telefon zu sprechen. Dies ging zwar zu Lasten des Informationsgehaltes, aber insbesondere dann, wenn es um einen vereitelten Anschlag in New York ging, musste er höchste Vorsicht walten lassen. Er machte sich dabei weniger Sorgen, dass ein ausländischer Nachrichtendienst sein Handy entschlüsseln könnte, sondern er sorgte sich mehr um einen übermotivierten Kollegen.

Im Laufe seines Berufslebens hatte er oft die Erfahrung gemacht, dass Menschen mit hochsensiblen Nachrichten schwer umgehen können. Es schien so, als ob eine Sicherung im Gehirn durchbrennen würde. Viele versprachen sich Aufmerksamkeit, den nächsten Karriereschritt, Geld oder vielleicht noch etwas anderes.

Insofern war die Lagerhalle in New Jersey zwar etwas zu nah an New York, aber ein solches Fahrzeug mit dem Inhalt wäre auch in Anchorage ein Problem gewesen. Nur dass es in ganz Alaska noch nie einen Terroranschlag gab. Mattis schob diese Gedanken zur Seite. Zudem kannte er seinen Gesprächspartner gut. Tom und er waren gleich alt und hatten schon mehrmals miteinander zusammengearbeitet.

„Das Fahrzeug, das Sie uns ohne Vorankündigung in die Halle gestellt haben, ist in keinem so guten Zustand.“

„Ich war in Eile. Der Wagen ist okay, aber der Laderaum ist so schmutzig, da habt ihr viel Arbeit vor Euch.“

„Das stimmt, ich bin auch noch nicht weit gekommen. Ich habe mir den Transporter kurz angeschaut und beschlossen, dass ich niemanden meiner Mitarbeiter an dieses Horrorauto lasse. Ich werde einen Teil von einem Freund in Detroit erledigen lassen.“

Genau das hatte Mattis gehofft. Tom war noch von der alten Schule. Zum einen hatte er sofort die Brisanz des Wageninhalts erkannt und deswegen beschränkte er den Zugang zum Auto. Zum zweiten wählte er eine übliche Taktik, um Dinge zu verschleiern: Er trennte den Inhalt auf. Vermutlich würde er also eine Leiche nach Detroit zur Analyse schicken, die andere wohl zu einem weiteren Team. Zudem entfernte er aus dem VW Transporter sicherlich die Waffen und vor allem die Sprengstoffwesten.

Damit blieben, isoliert betrachtet, nur zwei getötete Männer und ein Fahrzeug mit einer Menge Blut über. Niemand der Analysten kannte somit das Gesamtbild des versuchten Anschlages, der mindestens 100 Menschenleben gekostet hätte. Die Bedrohung für New York oder eine andere Großstadt war aufgrund der gestückelten Informationen nicht ableitbar. Dadurch gewann er Zeit und konnte mit dem CIA Direktor über die weitere Vorgehensweise beraten.

Nach einer kurzen Pause setzte Tom fort:

„Ich habe auf der Ladefläche in einem der zwei Pakete ein Mobiltelefon gefunden.“

Mit Paketen meinte Tom die beiden Leichen. Er verzichtete ebenso auf eine eindeutige Sprache wie Mattis und versuchte unauffällige und unverdächtige Worte zu wählen. Man wusste nie wer bewusst oder zufällig ein Telefonat mithörte.

Mattis hatte schon so etwas befürchtet. Auf der Fahrt von New York nach Philadelphia reflektierte er den Einsatz vor dem Guggenheim Museum. Trotz seiner Erfahrung lief der Einsatz zu wenig strukturiert ab. Vor allem der Analyse vor dem Zugriff widmete er zu wenig Aufmerksamkeit. Sarah, die Joggerin, war am längsten an Stark und den beiden Terroristen dran. Dennoch befragte er sie nur kurz und halbherzig zu ihren Beobachtungen.

Vermutlich hatte sie sogar bemerkt, dass zumindest einer der beiden Attentäter ein Mobiltelefon bei sich hatte. Sie registrierte auch tatsächlich, dass der zweite Terrorist, als er auf dem Weg vom Guggenheim Museum zurück zum weißen Lieferwagen war, eine Nachricht empfangen hatte. Sarah wollte das Mattis auch noch mitteilen, aber da verließ er sie schon eiligen Schrittes und würdigte sie keines Blickes mehr.

Mattis kannte seine Fehler. Sein größter war wohl seine Hybris. Er glaubte die Situation vollends begriffen zu haben, ja sogar den anderen einen Schritt voraus zu sein. Tatsächlich führte diese Selbstüberschätzung schon in der Vergangenheit zu Fehlern. Fehler in seinem Business bedeuteten oftmals Tote.

Tom unterbrach seine Gedanken und sprach weiter, nachdem Mattis bisher auf den Telefonfund nicht reagiert hatte. Ohne es zu bemerken, wechselte er nun aber in eine direkte Sprache und verbarg den wahren Inhalt nicht mehr durch Metaphern.

„Ich habe das Telefon schon einem Spezialisten übergeben. Vielleicht kann er ein Bewegungsprofil erstellen. Ich bin aber skeptisch, die beiden Typen waren keine Anfänger. Von den Kommunikationsdaten erwarte ich mir auch nicht viel. Ich konnte ohne technische Hilfsmittel nur eine SMS finden. Keine ankommenden oder ausgehenden Telefonate. Keine verdächtigen Apps, kein Datentransfer.“

Mattis war nun wieder hochkonzentriert. Dass er das Mobiltelefon übersehen hatte, war ein unverzeihlicher Fehler. Ein noch so kleiner Hinweis auf einem Telefon konnte eine Wende in einem Fall bringen. Nach 9/11 war man gerade New York City bei Terroranschlägen hochsensibel. Es durfte nie wieder eine Katastrophe wie am 11. September 2001 passieren, als die Bilder von zwei in die beiden Türme des World Trade Centers stürzenden Flugzeuge um die Welt gingen.

„Was stand in der SMS?“

Henry Mattis hoffte insgeheim, dass die Textnachricht unbedeutend war. Dann hätte sein Versagen bei seinen Vorgesetzten weder Konsequenzen noch wären durch seine Nachlässigkeit weitere Menschen gefährdet oder sogar getötet worden. Nur er konnte nicht so recht daran glauben. Vor allem gab es laut Thomas am Mobiltelefon nur diese einzige Nachricht, sonst nichts. Die Mitteilung musste also wichtig sein.

"Den Inhalt verstehe ich nicht. Es muss ein Code oder ein Kürzel für etwas sein. Sie wurde jedenfalls von einem französischen Telefon verschickt. Die Nummer begann mit +33."

"Wann wurde die Nachricht gesendet?"

"Sie kam heute um 15.38 Uhr Ortszeit New York an."

Der CIA Agent musste nicht lange rechnen. Der Attentäter hatte die Textnachricht kurz vor dem geplanten Anschlag empfangen. Im nächsten Moment klopfte ein Hüne an die Fensterscheibe von Mattis Auto. Er hatte niemanden bemerkt, da er sich ganz auf den Anruf konzentrierte und sich vom Fahrerfenster leicht wegdrehte. Mattis legte auf, als der Mann noch einmal, diesmal schon deutlich ungeduldiger, auf das Fenster schlug.

"Ich komme schon."

Es war einer der Personenschützer des CIA Direktors. Neben ihm stand ein schwarzer Cadillac Escalade. Der Agent deutete Mattis, dass er in den Wagen einsteigen sollte und öffnete ihm die Autotür. Dieser konnte seine Überraschung überspielen. Ihn ärgerte es auch, dass er den Cadillac nicht früher bemerkt hatte.

Er hätte auch noch gerne die neuen Informationen sortiert. Mattis hatte sich zwar auf der Fahrt von Newark nach Philadelphia ein schönes Konzept zurechtgelegt, wie er den CIA Chef informieren wollte. Es gab aber ein paar Schwächen im heutigen Einsatz und die wollte er unbedingt für sich behalten.

"Hallo Sir! Danke, dass Sie sich Zeit für mich nehmen. Es ist überaus wichtig."

Inzwischen war die Autotür wieder geschlossen und die anderen beiden Männer, die zuvor noch im Fahrzeug saßen, standen nun bei dem Hünen draußen vor dem schwarzen Escalade. Der CIA Direktor saß auf der anderen Seite der Rückbank. Er trug einen eng geschnittenen dunklen Anzug mit einem weißen Hemd und einer dezent blau, weiß gestreiften Krawatte. Trotz seiner eleganten Kleidung machte er keinen guten Eindruck, obwohl er für sein Alter noch immer ein attraktiver Mann war. Er war schlank, trug volles Haar und verfügte kaum über einen Bauchansatz. Ein gepflegtes, aber nicht übertriebenes Äußeres rundete sein Erscheinungsbild ab.

"Hallo Henry! Ja das hoffe ich! Haben Sie mitbekommen was gerade in Paris vor sich geht?"

"Nein. Ich bin von New York über Newark direkt hierhergefahren."

"Ich habe nur ganz kurz Zeit, ich muss sofort zurück nach Langley. In Paris gab es mehrere Terroranschläge, eine Geiselnahme läuft noch. Es werden wohl über einhundert Tote zu beklagen sein. Es sind sicher auch Amerikaner darunter. Sie wissen was das bedeutet?"

Mattis verschlug es angesichts dieser Information fast den Atem, er stammelte nur,

"zwei Terroristen wollten das Guggenheim stürmen und sich selber in die Luft jagen!"

Nun atmete William Davis tief durch.

"Erzählen Sie mir die wichtigsten Punkte. Dann müssen wir schnell entscheiden!"

Henry Mattis setzte nun den CIA Direktor über die wesentlichen Aspekte der letzten Stunden in Kenntnis. Er begann mit der Überwachung von Stark, berichtete über den weißen Lieferwagen mit den beiden Männern, die sich später als Attentäter entpuppten und schließlich über die Anforderung seines Teams durch die Joggerin, die permanent Stark oberserviert hatte. Der Agent leitete nun zur Stürmung des Fahrzeuges über, die er sogar so unspektakulär, wie sie sich tatsächlich abgespielt hatte, erzählte.

Stark hatte die beiden Terroristen schon übel zugerichtet und getötet. Der CIA Agent schilderte anschließend seine Fahrt mit dem Transporter nach Newark, damit er dort untersucht werden konnte. Auch fügte er die Details hinzu, dass er sein Team gleich nach dem Einsatz in ein Lokal verschickte und dass Tom als einziger den weißen VW Bus mit den beiden Leichen, Waffen und den Sprengstoffwesen gesehen hatte. Davis kannte Tom ebenso und war wie Henry Mattis von seiner Loyalität und Verschwiegenheit überzeugt.

Abschließend legte Mattis noch dar, dass die Leichen und der VW Transporter getrennt analysiert wurden. Er bemerkte, dass ihn der CIA Chef an ein, zwei Stellen gerne unterbrochen hätte. Ganz ungewohnt konnte Mattis die Geschichte jedoch bis zum Schluss erzählen.

„Okay Henry. Danke für den Kurzbericht. Es scheint, dass wir an einer Katastrophe knapp vorbeigeschlittert sind. Schildern Sie mir noch bitte, ob wir Hinweise zu Hintermännern haben. Gibt es noch eine weitere Zelle? Was haben die ersten Untersuchungen der Terroristen und ihres Fahrzeuges ergeben? Kommunikationsmittel? Spuren?“

„Wir haben ein Mobiltelefon bei einem der Attentäter gefunden. Wir fanden nur eine Nachricht, die aus Frankreich verschickt wurde.“

Bei dieser Information stockte Mattis kurz. Zum einen, weil er den späten Fund verschleiern wollte. Die SMS war zum anderen im Lichte der Anschläge in Paris, über die ihn der Leiter der CIA vor ein paar Augenblicken aufgeklärt hatte, ganz anders zu beurteilen.

„Die Nachricht haben wir aber noch nicht entschlüsselt. Sonst haben wir keine Spuren auf andere Beteiligte oder Hinweise auf weitere Anschläge gefunden. Die beiden Attentäter haben wir noch nicht identifiziert, wobei wir uns hier nicht allzu viele Rückschlüsse erwarten. Sie waren jedenfalls gut ausgerüstet und auch gut ausgebildet. Sie hatten wohl geplant mit den Sturmgewehren und Handgranaten ins Guggenheim Museum vorzudringen, möglichst viele Geiseln um sich zu scharen und dann mithilfe der Sprengstoffwesten ein Blutbad anzurichten.“

„Wo ist Stark?“

„Er ist aus dem Transporter ausgestiegen und hat sich davon gemacht. Er lebt auf der Straße, vermutlich wechselt er seinen sonst üblichen Schlafplatz. Wir beschatten ihn im Moment nicht mehr.“

„Lassen Sie Stark vorerst einmal in Ruhe! Wir haben ihm heute viel zu verdanken! Wie ist er eigentlich auf die beiden Kerle gestoßen?“

Das war ein weiterer Schwachpunkt des heutigen Einsatzes. Er hatte mit seiner Mitarbeiterin Sarah, die als Joggerin getarnt war, nicht darüber gesprochen. Dabei wäre das auch wesentlich gewesen, um eine allfällige weitere Zelle identifizieren zu können.

Mattis begann ungewohnt kleinlaut, „wir wissen es nicht.“

„Wissen wir es nicht oder wissen Sie es nicht?“

Der CIA Direktor war nicht zu unterschätzen. Er hatte den wunden Punkt getroffen.

„Ich kläre das, Sir!“

„Okay, nur das Ergebnis zählt. Der Anschlag wurde vereitelt. Sie wissen, dass diese Information hochsensibel ist. Wenn etwas nach außen dringt, dass wir heute in New York um Haaresbreite einem schweren Anschlag entgangen sind, dann können wir unsere Koffer packen. Das überleben wir politisch nicht! Sie fahren zu Tom und entziffern die Nachricht! Untersuchen Sie das Mobiltelefon mit allen Möglichkeiten, die wir haben. Wir dürfen uns keine Fehler mehr erlauben. Sie können alle Unterstützung haben, die Sie brauchen. Aber machen Sie es nicht zu offensichtlich! Immer schön unauffällig…“

Davis ließ das Fenster herunter und winkte seinen drei Begleitern und gab ihnen das Zeichen, dass er weiterfahren wollte.

„Alles klar Henry? Rufen Sie mich bei wichtigen Neuigkeiten sofort an. Meine Nummer haben Sie ja. Sparen Sie sich ihre verdammten Verklausulierungen! Niemand kann uns abhören.“

Zum ersten Mal am heutigen Abend lächelte der Leiter der CIA. Er kannte Mattis und seine verschleiernde Sprache. Es war sinnlos, zumeist nervig und nur manchmal konnte er drüber lachen, wenn die gewählten Worte einfach so überhaupt nicht passten.

„Danke Sir!“

Mattis verließ den Cadillac Escalade und ging die wenigen Schritte zu seinem Auto. Er zog sein Mobiltelefon heraus und wählte die Nummer der Joggerin. Er öffnete die Fahrertür, blieb aber stehen und drehte sich einmal um die eigene Achse, um das Umfeld im Blick zu haben.

„Hallo Sarah! Wie geht es dir?“

Die Agentin am anderen Ende der Leitung war gleich doppelt überrascht. Zum einen, dass ihr Chef sie heute noch anrief und zum zweiten, dass er sie fragte, wie ihr Wohlbefinden war. Nachdem sie vor ein paar Stunden unfreiwillig vom Einsatz abgezogen wurde, lief sie durch den ganzen Central Park Richtung Norden. Sie rannte nicht mehr als Tarnung, sondern um den Kopf frei zu bekommen.

Sie fragte sich immerzu, wie John Stark auf sie aufmerksam wurde. Sarah entdeckte kein Indiz, dass er sie wahrgenommen hatte. Ihr war auch kein Fehler bewusst, wo sie sich verraten hatte. Aber seine Worte waren eindeutig. Er hatte sie bemerkt. Die Frage war noch, ab welchen Zeitpunkt er ihre Beschattung erkannt hatte. Sarah zweifelte ein wenig an ihren Fähigkeiten. Sie tröstete sich jedoch damit, dass Stark früher zu den besten Agenten der CIA gehörte. Er war wohl noch immer besser drauf, als es den Anschein machte.

Sie stieg dann in ein Taxi und ließ sich in ihre Wohnung am Central Park West, nicht weit vom Columbus Circle entfernt, chauffieren. Nach einer ausgedehnten Dusche setzte sie sich in einem weißen Bademantel auf die Couch. Schon in einer etwas besseren Stimmung öffnete sie eine Flasche ihres Lieblingsrotweines aus Kalifornien, schenkte sich ein Glas ein und schaltete den Fernseher ein.

Nach dem ersten Glas schlief Sarah friedlich auf der Couch ein, bis sie das Klingeln ihres Telefons weckte. Sie sammelte sich kurz, nahm das Gespräch an und sprach nun mit ihrem Vorgesetzten, der sie heute so geärgert hatte. Dementsprechend war sie auch kurz angebunden.

„Danke, es geht. Ich hätte heute noch gerne mitgearbeitet!“

„Du hast nichts versäumt. Dein Mann hat alles erledigt, es gab nichts mehr für uns zu tun. Nachdem wir ihn begrüßt haben, ist er auch verschwunden.“

Die Wortfolge dein Mann betonte er etwas zu intensiv. Sarah war aber ohnehin klar, dass er John Stark damit meinte.

„Noch was Henry?“

„Wie ist er auf die beiden Männer gestoßen?“

Nun dämmerte es Sarah, warum er sie anrief. Mattis interessierte sich natürlich nicht dafür, wie es ihr ging. Er wollte sich nicht dafür rechtfertigen oder sogar entschuldigen, dass er sie heute so früh vom Einsatz abzog. Damit hatte sie auch nicht gerechnet, obwohl ein kleines Fünkchen Hoffnung da war.

Ihr Vorgesetzter hatte also etwas vergessen. Eigentlich kam er relativ spät drauf. Wie war John Stark auf die Terroristen gestoßen? War es Zufall, war er Teil einer verdeckten Mission? Darüber dachte sie noch immer nach. Letzteres glaubte sie eigentlich nicht. Sie hatte ihn über mehrere Wochen beobachtet. Wenn er tatsächlich an einer Operation gearbeitet hatte, dann war er wirklich ein sehr guter Schauspieler. Er wirkte wie ein Trinker, der sein Leben nicht in den Griff bekam. Auf der anderen Seite schien er die zwei Terroristen gekonnt eliminiert zu haben. Diese waren sicherlich auch gut ausgebildet und vor allem hochmotiviert. Sie beschloss den Fehler ihres Vorgesetzten für sich zu nutzen.

„Dann bin ich also wieder Teil des Teams?“

„Wie meinst du das?“

„Wir werden uns doch sicher wieder an seine Fersen heften?“

Sarah betonte seine nun genauso übertrieben wie zuvor Henry Mattis.

„Was hat das mit meiner Frage zu tun?“

„Ich will wieder dabei sein!“

Mattis überlegte kurz. Er ging zwar inzwischen davon aus, dass Sarah bluffte und eigentlich keine Ahnung hatte wie Stark auf die zwei Kerle gestoßen war. Aber das Risiko, dass es anders war, konnte er nicht eingehen. Er beschloss sie also wieder einzubinden. Vielleicht konnte sie bei der Entschlüsselung der SMS helfen. Sarah war intelligent, weiblich, jünger und wählte oft einen anderen Zugang als er, wenn es ein Problem zu lösen galt.

Mattis und Tom tickten hingegen ähnlich. Wenn einer der beiden ein Rätsel nicht lösen konnte, dann konnte es in der Regel der andere auch nicht. Zudem würde er ihr nur die Nachricht zeigen. Sie würde also – so wie alle anderen außer Tom – nur einen kleinen Puzzlestein zu sehen bekommen

„Kennst du die Lagerhalle in Newark?“

„In der wir zwei einmal waren?“

Sarah holte ihren Chef damals ab, als er dort das auffällige rote Auto mit der zerstückelten Leiche ablieferte. Sie kam zwar nur bis zur Tür, konnte jedoch einen kurzen Blick in das Gebäude erhaschen. Der Wagen blieb ihr allerdings in Erinnerung, da sie weder davor noch danach je wieder dieses Modell gesehen hatte.

„Genau. Wir treffen uns in zwei Stunden dort. Sei in Rätsellaune… und bringe bitte was zum Essen mit.“

Dann legte Mattis schon auf. In zwei Stunden würde er Sarah nochmals fragen, wie John Stark auf die zwei Verbrecher gestoßen war. Er stand noch immer vor der geöffneten Fahrertür und wählte eine neue Nummer.

„Ich bin in circa zwei Stunden wieder in Newark. Ich nehme Sarah mit. Wir werden nur an der Nachricht arbeiten. Sie soll auch nichts anderes sehen.“

Tom sagte nur Okay und drückte das Gespräch dann weg. Mattis seufzte kurz als er sich auf den Fahrersitz niederließ. Er wusste, dass er nun den ganzen Weg nach Newark wieder zurückfahren musste. Seit mehreren Stunden hatte er nichts mehr gegessen.

Er öffnete das Handschuhfach und fand darin zumindest eine kleine Wasserflasche und einen Schokoriegel. Er startete den Wagen, ließ das Meeresfrüchte Restaurant hinter sich und fuhr nach Osten, Richtung Hafengelände und der Walt Whitman Bridge.


13.11.2015

Подняться наверх