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Kapitel – 13.11.2015 London

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Es war 22.40 Uhr Ortszeit in London. Die Premierministerin Anne Taylor saß seit nunmehr eineinhalb Stunden im Konferenzraum von Downing Street 10, dem offiziellen Amtssitz der Premierministerin des Vereinigten Königreichs. Am frühen Abend empfing sie den Staatschef eines afrikanischen Landes, das sehr enge Verbindungen zu Großbritannien pflegte.

Als die ersten Nachrichten der Terroranschläge aus Paris zu ihr drangen, sagte sie das gemeinsame Abendessen ab. Seitdem empfing sie mehrere Minister ihrer Regierung und Mitarbeiter, die sich geradezu im Minutentakt die Klinke in die Hand gaben. Dazwischen hielt sie Kontakt mit anderen europäischen Staats- und Regierungschefs. Dem französischen Präsidenten sicherte sie in einem kurzen Telefonat volle Unterstützung bei der Aufklärung der Anschläge zu. Zu einem späteren Zeitpunkt würde sie im Namen des britischen Volkes ihr tiefes Beileid gegenüber den Opfern und ihren Familien ausdrücken.

Einer ihrer wichtigsten Berater war Sir Robert Fulham, der Leiter des Auslandsgeheimdienstes MI6. Sie hatte schon viel früher mit ihm gerechnet und auch schon seine geplante Ankunft hinterfragen lassen, als ihr persönlicher Assistent an die Tür des Konferenzraums klopfte. Da sie gerade allein war, trat er ein und kündigte Robert Fulham an. Dieser betrat anschließend den Raum und nachdem die Tür wieder geschlossen wurde, näherte er sich Anne Taylor.

Sie saß auf ihrem Stuhl, der einzige mit Armlehnen, direkt vor dem offenen Kamin. Da beide allein im Raum waren, verzichteten sie auf jegliche Förmlichkeiten. Sie kannten sich nun schon seit einigen Jahre und ihre Zusammenarbeit war von einem großen Vertrauen in die Fähigkeiten und in die Vertraulichkeit des jeweils anderen gekennzeichnet.

„Guten Abend Robert, setz‘ dich bitte zu mir! Es ist schade, dass wir uns zumeist nur bei solchen unerfreulichen Ereignissen sehen!“

„Guten Abend Anne. Du hast Recht. Ich musste mich noch um eine sehr wichtige Angelegenheit kümmern. Ich ließ diese von meinen Mitarbeitern sorgsam prüfen, bevor ich dich darüber in Kenntnis setzen wollte.“

Die vertrauliche Atmosphäre zeigte sich auch darin, dass beide auf das in der Öffentlichkeit so sorgsam gepflegte Gendern gänzlich verzichteten.

„Wir haben noch keine Klarheit zu möglichen britischen Opfern der Terroranschläge in Paris. Ich gehe davon aus, dass du hierzu neue Informationen hast!“

Robert Fulham überlegte am Weg zur Premierministerin wie er am besten über die Vorkommnisse vor der O2 Arena berichten sollte. Er erwog auch, diese Nachricht vor der gesamten Regierung geheim zu halten. Schließlich gelangte er doch zur Überzeugung, zumindest die Premierministerin über die vereitelten Anschläge in London aufklären zu müssen.

„Anne, es gibt da noch eine andere Sache, die ich mit dir bereden möchte.“

Geradezu ungewohnt unterbrach sie ihn und formulierte schon mit etwas Ungeduld in ihrer Stimme, ob es denn etwas wichtigeres als die Anschläge in Paris gäbe.

„Wir sind in London knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt!“ Fulham erwartete nun eine Unterbrechung durch die Premierministerin. Da sie schwieg, führte er seine Ausführungen unmittelbar fort:

„Drei Terroristen wollten Sprengstoff in oder vor – ganz genau wissen wir das noch nicht – die O2 Arena bringen. Das ist eine Multifunktionshalle auf der Greenwich Halbinsel im Südosten Londons. Sie bietet Platz für bis zu 20.000 Zuschauer. Ob dieser Angriff mit den heutigen tragischen Vorkommnissen in Paris im Zusammenhang steht, wissen wir noch nicht. Es gibt nur eine Überlebende und wir sind im Moment mit Hochdruck dabei, alle Spuren zu sichten und auszuwerten. Unser …“

"Verdammt nochmal, warum erfahre ich das erst jetzt?" In einer ungewohnt unhöflichen Art und Weise unterbrach sie ihren Geheimdienstchef. Selbst im privaten Rahmen verwendete Taylor nie Kraftausdrücke. Dies signalisierte Fulham, dass die Premierministerin äußerst besorgt war. Er war es auch.

"Das wäre mein nächster Satz gewesen."

"Entschuldige bitte Robert!" Ganz leise flickte sie diesen Satz in die kurze Gesprächspause.

"Unser Hauptaugenmerk liegt im Moment darin, alle Spuren zu beseitigen. Ursprünglich wollte ich nicht einmal dich informieren, aber das wäre falsch gewesen. Aus meiner Sicht sollten wir mit dieser Nachricht aber sehr, sehr sorgsam umgehen und im besten Fall niemanden mehr einweihen."

"Okay, Robert, entschuldige bitte noch einmal meine Reaktion. Deine besten Leute beseitigen die Spuren. Du sprachst von einer Überlebenden. Wie geht es ihr und können wir ihr vertrauen?"

"Sie ist eine Polizistin, die mit ihrem Partner die drei Terroristen überwältigt hat. Sie ist im Moment in einer geheimen Wohnung in London. Einer unserer Ärzte hat sie untersucht und wir haben sie entsprechend versorgt. Körperlich hat sie keine größeren Verletzungen. Eine meiner besten Agentinnen hat sie bisher keinen Augenblick aus den Augen gelassen und ist mit ihr Stück für Stück den heutigen Abend durchgegangen.

Alle Angaben haben sich bisher als zutreffend erwiesen. Ich war kurz zuvor auch noch bei ihr, Emily Jones ist übrigens ihr Name. Ich glaube wir können ihr vertrauen, wobei wir aber nicht sicher sind, wie sie diese Extremsituation in den kommenden Tagen und Wochen verarbeitet. Dafür haben wir ein Sicherheitsprotokoll, worüber du dir aber nicht den Kopf zerbrechen musst."

Der MI6 Chef glaubte in der Premierministerin für einen kurzen Moment einen etwas verstörten Blick wahrzunehmen. Sie ging vielleicht davon aus, dass sie im besten Fall in ein anderes Land verfrachtet und ein paar Jahre quasi unter Hausarrest gestellt wird. Tatsächlich plante Fulham sie in einer psychiatrischen Anstalt zu isolieren und ihre Entwicklung ganz nah zu verfolgen.

In der Zwischenzeit wusste er alles über Emily Jones: Sie lebte allein, hatte keine Kinder, keinen Mann und es schien auch keinen Lebensgefährten zu geben. Ihre Eltern waren geschieden, sie hatte nur gelegentlichen Kontakt zu ihrer Mutter und ebenso zu ihrer Halbschwester. Man konnte die Polizistin also relativ mühelos für ein paar Monate aus ihrer gewohnten Umgebung nehmen.

Die temporäre Beurlaubung bei der Polizei war auch schon akkordiert. Da sie ihren Partner an einem Herzinfarkt sterben sah, war ihr Abtauchen bei ihren Kollegen auch nicht ungewöhnlich. Insofern war Emily Jones ein relativ leichter Fall, um sie für ein paar Monate aus der Schusslinie zu nehmen.

"Robert du sagtest, dass sie mit ihrem Partner die Angreifer außer Gefecht gesetzt hat. Was ist mit ihm passiert?"

Fulham fürchtete sich vor diesem Teil des Gespräches am meisten, denn er wusste, dass sie Steve Smith nicht nur kannte, sondern auch mochte. Die brutalen Details seiner Ermordung wollte er jedenfalls vor ihr aussparen. Fulham schluckte noch einmal kurz und fing dann langsam an.

"Er wurde von den Terroristen ermordet. Du kanntest ihn."

Anne Taylor erschrak kurz, blickte ihn dann mit traurigen Augen an. Sie sagte nur ein Wort.

"Steve?"

"Es tut mir sehr leid Anne. Er hatte keine Chance. Offiziell verstarb er an einem Herzinfarkt. Es waren schon Polizisten bei seiner Frau und haben versucht, ihr seinen Tod möglichst schonend beizubringen."

"Danke Robert, wenn es neue Entwicklungen gibt, will ich sofort darüber Bescheid wissen!"

Sie schob ihren Stuhl zurück, stand auf und zeigte ihm damit unmissverständlich, dass sie allein sein wollte. Fulham ging zur Tür, verabschiedete sich und setzte noch einmal an.

„Anne, es gibt noch ein wichtiges Detail zum Anschlagsversuch!“

„Kann es bis morgen warten?“

„Natürlich.“

„Dann treffen wir uns morgen um 7 Uhr wieder hier.“

Fulham schloss die Türe hinter sich, ging durch den Empfangsraum zurück und ließ das übliche Procedere beim Verlassen von Downing Street 10 über sich ergehen. Zwei Minuten später stand er schon bei seinem Dienstwagen. Der Chauffeur öffnete ihm die Wagentür und er ließ sich in den angenehmen Ledersitz sinken.


13.11.2015

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