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WEICHEIER
AUF »WOLKE VIER«
Wann ist man als Mann heutzutage ein richtig moderner Mann? Wenn man mit seinem Sohn auf dem abgefressenen StadtteilSpielplatz Fußball spielt? Wenn man eine Waschmaschine installieren kann? Oder doch eher, wenn man seiner Gattin ohne Thermomix ein dreigängiges Abendmenü zaubert, nachdem der eigene Büro-Tag auch nur so semi-spaßig war? Herr K. fragt sich das immer dann, wenn er moderne Männer Musik machen hört.
Was in den deutschen Charts momentan ganz oben steht, hat inhaltlich etwas seltsam Verheultes, findet er. »Cro« zum Beispiel macht ja ganz gefällige Musik, aber seine Texte!? »Mein Kopf ist voller Wörter, doch es kommt nichts raus«, ist so ein typischer Cro-Satz. Da denkt sich Herr K., dass Mund-Aufmachen vielleicht mal helfen würde. Und dazu trägt Herr Cro immer eine Panda-Maske. Entschuldigung, was verrät das über einen auch nicht mehr ganz jungen Menschen, und juckt die Maske nicht sehr, wenn man schwitzt?
Authentizität scheint andererseits wichtig, deshalb heißen die Sänger heute nicht mehr Costa Cordalis oder Roy Black, sondern Andreas Bourani, Tim Bendzko oder Philipp Dittberner, der eine Weile in jedem Kaufhaus-Aufzug seine »Wolke vier« besang. Herr K. ahnt, dass diese Wolke vier repräsentativ sein könnte für eine ganze Generation von unentschlossenen Weicheiern, Beckenrandschwimmern und Jasmintee-Trinkern, die dann mit unförmiger Strickmütze durchs 17. Semester ihres Sozialpsychologie-Studiums Sitzfahrrad fahren.
Er muss das mal so böse formulieren, denn in dem Song heißt es: »Lass uns die Wolke vier bitte nie mehr verlassen. Weil wir auf Wolke sieben viel zu viel verpassen. Ich war da schon einmal, bin zu tief gefallen. Lieber Wolke vier mit dir als unten wieder ganz allein.«
Mit anderen Worten: Die Besungene ist als Wolke vier eine Notlösung, das Prinzip »Kannste nix verkehrt machen«. Quasi das Billy-Regal unter den Frauen: eher praktisch und preiswert. Auf jeden Fall besser als echte, große, mitunter schmerzhafte Gefühle. Und dazu heult Herr Dittberner seiner bemitleidenswerten Freundin auch noch von seiner Verflossenen vor, die ja drei Wolken-Kategorien besser war, aber sein »kleines Herz zerbombt« hat.
Geht’s noch uncharmanter? Also lieber gar kein Risiko mehr eingehen im Leben? »Und aussehen tut er wie ein Tofu-Taler, dieser Herr Dittberner«, schimpft sich Herr K. vor seiner Frau in Rage. Sie stehen im Supermarkt bei den Tütensuppen, »Wolke vier« tropft sämig aus den Deckenlautsprechern. »Na ja, die Helden deiner Kindheit waren auch eher dubiose Kerle«, wirft sie ein. Er schaut sie fragend an, worauf sie antwortet: »Der Gitarrist von AC/DC rannte schon vor 30 Jahren in kurzen Schulhosen über die Bühne. Und die Jungs von Kiss sahen aus wie eine Mischung aus Billig-Geishas und Ruhrpott-Drag-Queens.« Ach, wie recht sie wieder hat!