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BETRIEBSAUSFLUG
IN DEN WIESN-WAHN
Natürlich hätten sie es nicht tun müssen. Aber die Einladung kam aus der PR-Abteilung eines befreundeten Unternehmens, und schon waren Berger aus dem Marketing, Frau Doktor Schwielow aus dem Vorstand und Herr K. auf dem Weg zum Oktoberfest. Alle machen das mittlerweile: Sie laden entweder selbst zu dem Besäufnis ein oder werden eingeladen.
Das ist umso erstaunlicher, als mittlerweile jedes Unternehmen mit geradezu hysterischem Eifer darauf bedacht ist, nur ja nicht in den Ruch zu kommen, allzu exzessive Spaßorgien zu unterstützen. Definitiv vorbei sind die Zeiten, als Ergo seine Außendienstler noch in Budapester Thermen einlud. Wobei Herr K. zugeben muss, dass er von diesen Zeiten überhaupt erst erfuhr, als ihnen durch die Enthüllungen ein brüskes Ende beschert wurde. Der wildeste Betriebsausflug in seiner eigenen Karriere ging ins Elbsandsteingebirge und wurde von einem greisen Mitglied des Schwäbischen Albvereins angeführt.
Für Herrn K. und seine beiden Kollegen war der Wiesn-Betriebsausflug jedenfalls mit gewissen Missverständnissen verbunden: Herr K. glaubte, das sei Spaß. Frau Schwielow meinte, man könne in so einer Luxus-Loge unter ausdauernder »Das ist Waaahnsinn«-Beschallung mit bereits druckbetankten Managerkollegen über Joint-Venture-Pläne für ein kroatisches Logistikzentrum sprechen. Und Berger fand allen Ernstes, dass er in seiner Lederhose urig aussehe.
Apropos Optik: Frau Doktor Schwielows durchaus vorhandenes Verständnis für einen gewissen Anpassungsdruck in puncto Wiesn-Outfit führte am Münchener Flughafen zu einer charmanten Szene: Im Leih-Dirndl erreichte die norddeutsche Akademikerin den Mietwagenschalter, wo sie mit einer sächsisch sprechenden Sixt-Kraft kollidierte, die ebenfalls Tracht tragen musste. Beiden fehle eine gewisse »Street Credibility«, flüsterte Berger. Ein frivoles Duo oberbayerischer Lebensfreude stellt man sich jedenfalls anders vor.
Diese anfänglichen Defizite waren in der Käfer-Schänke schnell vergessen. Die gastgebende Firma ist im Maschinenbau zu Hause, wo ohnehin rustikalere Umgangsformen dominieren. Und so lobte der Erste schon nach einer halben Stunde Frau Doktor Schwielows … wie soll man das sagen … sekundäre Geschlechtsmerkmale? Wie sie es in diversen Deeskalations-Workshops gelernt hatte, suchte sie daraufhin die Waschräume auf, was ihr neuer Verehrer allerdings als Einladung missverstand.
Das Finale des Abends fand später zweierlei Interpretationen: Frau Doktor Schwielow hält Herrn K. seither für einen ritterlichen Kollegen. Herr K. wollte den Verehrer nur am Arm vom Betreten der Damentoilette abhalten, als der in einer säuerlichen Pfütze ausrutschte und schwer atmend, wenn auch unverletzt liegen blieb.
Über das Logistikzentrum reden jetzt andere. Herr K. hat indes wertvolle Bonuspunkte im großen Gender-Bingo kassiert. So doof findet er das Oktoberfest gar nicht mehr.