Читать книгу Der moderne Mann in unsicheren Zeiten - Thomas Tuma - Страница 8
Оглавление2.
IN HOTLINE-LABYRINTHEN
Herr K. ist von der Kundenorientierung der deutschen Wirtschaft überzeugt – bis bei ihm zu Hause der Router kaputtgeht. Der was? »Das is’ das Ding, das dein WLAN am Laufen hält«, erklärt ihm seine augenrollende Tochter, was ja schon peinlich genug ist. Zur Strafe muss er bei der Hotline anrufen, die diese Router offenbar vertreibt.
»Herzlich willkommen bei Ihrem Anbieter für Internet, Telefon und TV«, begrüßt ihn eine Automatenstimme, die in solchen Fällen immer weiblich ist. »Sie interessieren sich für ein neues Produkt, dann wählen Sie bitte die Eins, bei technischen Fragen oder Störungen die Zwei und für unseren Kundenservice die Drei.« Herr K. kann sich schon an dieser Stelle nicht entscheiden – wer, wenn nicht der Kundenservice, ist denn wohl für Störungen zuständig?
»Um Sie mit dem richtigen Ansprechpartner verbinden zu können, geben Sie bitte Ihre 14-stellige Kundennummer ein.« Er legt wieder auf. Wählt erneut. »Um herauszufinden, ob Sie von einer Störung betroffen sind, geben Sie bitte jetzt Ihre Postleitzahl und das achtstellige Passwort Ihres …« Herr K. fängt an, sich sehr analoge Entscheidungsbäume auf ein DIN-A3-Blatt zu malen. Da heißt es auf einmal zur Abwechslung: »Das Gespräch kann zu Schulungszwecken aufgenommen werden. Wenn Sie damit einverstanden sind, drücken Sie die …«
Minuten, Stunden, Tage – alles verrinnt. »Für HDTV wählen Sie die Eins … für Fritzbox die Zwei … für alle sonstigen Themen legen Sie sich gehackt oder kalte Kompressen auf die Stirn …« Herr K. fängt offenkundig an zu halluzinieren. Er war schon froh, dass er den Begriff »Router« unfallfrei hätte stammeln können, aber es fragt ihn ja niemand.
»Um Ihre Smartcard zu aktivieren, wählen Sie bitte die Sechs, für die Selbstinstallation von Blutdruckmessgeräten und Herzschrittmachern …« Herr K. legt wieder auf, denn er hört mittlerweile schon Stimmen. Absurde Stimmen. »Wenn Sie in das vorherige Auswahlmenü zurückkehren wollen, wählen Sie …« Dann ist Herr K. plötzlich ganz nah dran, denn zu einer Großhirn-zerquirlenden Pausenmelodie-Variante von Helene Fischers »Atemlos« heißt es in den nächsten Stunden: »Sie werden mit unserem nächsten freien Service-Mitarbeiter verbunden.« Manchmal bringt ihm seine Frau Essen ans Telefon.
Irgendwann startet Herr K. einen allerletzten Anlauf und hört: »Sie rufen leider außerhalb unserer Geschäftszeiten an. Für Informationen rund um unsere Kunden-Hotline drücken Sie bitte …« Aber das erreicht ihn schon nicht mehr. Er legt langsam auf und sieht seine Frau, deren Haar grau geworden ist.
Sie erzählt, wie er im Jahr 2017 einen Router bestellen wollte und dass ihre Tochter mittlerweile verheiratet sei und drei Kinder habe. Ihr Sohn studiere in München Maschinenbau. Er müsse jetzt nicht weiter anrufen. Zum einen sei er seit drei Monaten in Rente, zum anderen sei WLAN eine völlig veraltete Technologie. Herr K. umarmt sie müde, aber erleichtert.