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WAHRHEITEN IN
WELLNESS-KATAKOMBEN
Wer seiner Frau heutzutage etwas Gutes tun will, sollte ihr keinen Gutschein für ein Gesichtspeeling schenken. So etwas sorgt bisweilen für Missverständnisse, die sich nur schwer wieder ausräumen lassen. Der moderne Mann überrascht die moderne Frau pünktlich zu den Ferien eher mit einem »Wellness-Wochenende« – das sich Herr K. dann aber doch anders vorgestellt hat.
Ehe er sich’s versah, lag er neben seiner Gattin in einem Landhotel im Nordschwarzwald auf nappalederbespannten Designerpritschen und unterzog sich einer »Phonophorese-Rückenbehandlung«. Dabei fummelte eine gelangweilte Kosmetikerin mit Stimmgabeln an ihnen herum und referierte mit dem Enthusiasmus einer Eieruhr, wie »die Tonpunktur auf Körper, Geist und Seele wirkt und dabei Blockaden löst und die Muskulatur entspannt«.
Vielleicht hatte sie sich mal in einem 90-minütigen Feierabend-Crashkurs zur Diplom-Nail-Designerin ausbilden lassen. Medizinische Fachkenntnisse waren ihr jedenfalls nicht anzumerken. Bei Herrn K. löste sich nix. 30 »Wohlfühlminuten« kosteten trotzdem 89 Euro, womit ihm allmählich klar wurde, warum in den sich metastasenartig vergrößernden Spa-Bereichen heutiger Beherbergungsbetriebe so selten ein Gast zu finden ist.
Die Pools, nein: Badelandschaften werden immer gewaltiger, dekoriert mit diversen Saunen, Dedon-Mobiliar und der jährlichen Granit-Ausbeute kompletter Schwellenländer. Dazu Wallawalla-Musik von peruanischen Hochland-Panflötisten und chronisch adrettes U-25-Servicepersonal, das nie etwas anderes tun muss, als in strahlend weißen Kittelchen freundlich »Hallo« zu sagen.
Oder geht alles so diskret zu, dass man immer gleich in Separees verschwindet für Lymphdrainage und »Detoxing Körperanwendung«? Hotels sind ja auch nur ein Spiegel der Gesellschaft. Vor 20 Jahren brauchten alle Squashplätze, die nun vor sich hin rotten. Jetzt haben alle ein Spa in Fußballfeld-Größe.
»Sind wir hier, weil wir das wollen? Oder weil das jetzt als schick gilt?«, fragte Herr K. vorsichtig seine Frau bei der anschließenden Avocado-Öl-Massage »mit warmen Venusmuscheln« (150 Euro). Sie hatten jetzt noch die Wahl zwischen entschlackendem Heubad, Salz-Öl-Peeling im Dampfbad und 30 Minuten Goldquarzliege, die angeblich schon »im alten Ägypten« den »Energiefluss ins Gleichgewicht« gebracht hatte. Mehr Firlefanz ging eigentlich nicht.
Seine Frau antwortete: »Ich dachte, DU wolltest hier rein! Das ist wie bei deinem SUV. Mit dem fährst du auch nie ins Gelände, willst aber, dass du’s könntest.« Am nächsten Tag machten sie einen langen Spaziergang, redeten viel und aßen später lecker Kuchen.
Herr K. ahnt, dass da ein ganz neuer Reduktionstrend auf die Welt zurollt. Less is more oder so. Er ist kein Fachmann für derlei, wird aber auch das mitmachen.