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3.


HÖRT DOCH EH
NIEMAND ZU

Neulich war Herr K. bei einem geschäftlichen Empfang, als ihm plötzlich ein alter Schulfreund gegenüberstand: »Möönsch, dich hab ich ja eeewig nicht gesehen!«, patschte ihm der andere auf die Schulter. Er war schon früher so ein Anfasser. Nicht bei Frauen, nur bei »Buddys«, was die Sache nicht besser macht.

Dann fragte der andere: »Wie geht’s dir denn?« Und weil Herr K. wusste, dass der Typ noch nie zuhören konnte, antwortete er: »Neulich hab ich mir zwei Finger abgerissen, und meine Tochter ist heroinsüchtig, aber sonst ist alles paletti.« »Mensch, super, du!« Und dann noch: »The best is yet to come, gell?!« Sein Schulfreund patschte ihm erneut auf die Schulter und war schon weitergezogen.

Diese Erfahrung moderner Kommunikationsdefizite war für Herrn K. so aufwühlend, dass er sie am nächsten Tag auch an seiner Sekretärin austesten musste, als die abends fragte: »Ich würd’ dann gern gehen. Kann ich noch was machen?« Er antwortete: »Können Sie bitte in der Kaffeeküche einen Scheiterhaufen anzünden und Schmitt-Scheckenbach aus dem Controlling auf kleiner Flamme rösten! Für mich reicht ein Strick.«

»Alles klar, dann noch ’n schönen Abend«, grüßte sie fröhlich und entschwand in die oktoberschwarze Nacht. Es erübrigt sich zu sagen, dass weder da noch an den darauffolgenden Tagen irgendwelche Feuerwehreinsätze in der Kaffeeküche zwingend geworden wären. Die Schlussfolgerung, dass man einander nicht mehr zuhört, lag für Herrn K. zu nahe. Eigentlich. Deshalb wollte er am nächsten Mittag in der Kantine noch mal sichergehen.

Dort ging es irgendwann um die Frage nach dem »Und-was-machen-Sie-so-am-nächsten-Wochenende?«. Als nach eintönigstem Allerlei die Reihe an ihn kam, sagte Herr K.: »Meine Frau kommt für zwei Tage aus der Entzugsklinik, um sich von mir zu verabschieden … ich hab ja nur noch zwei Wochen. Aber der künstliche Darmausgang ist schon praktisch!«

Koslowski murmelte abwesend: »Cool.« Berger stand bereits auf und wünschte »viel Spaß!«. Nur Frau Stibbenbrook aus der Rechtsabteilung sah ihn aschfahl an. Er hatte einige Mühe, ihr den experimentellen Charakter seiner Versuchsanordnung zu erklären.

Als er an jenem Abend nach Hause kam, fragte Herr K. seine Frau, was so war, und sie sagte: »Mit deinem Sohn musste ich zum Notarzt, weil er bei einer Schulhofschlägerei eine Gehirnerschütterung abbekommen hat. In der Zeit haben Diebe das Haus auf den Kopf gestellt und das Robbe-&-Berking-Silber mitgenommen. Und deine Mutter ist wegen einer Thrombose ins Krankenhaus eingeliefert worden.«

»Super, Schatz!«, sagte er. »Morgen muss ich dir mal erzählen, wie total aneinander vorbei man im Büro lebt.« Dann drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn und legte sich schlafen.

Was lernen wir daraus? Meine Güte, was soll man schon aus Kolumnen lernen! Vielleicht das: Wenigstens Sie, liebe Leser, hören noch genau zu. Print wirkt!

Der moderne Mann in unsicheren Zeiten

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