Читать книгу Anleitung zum geistlichen Leben - Thomas von Kempen - Страница 12
Frieden erwerben und unermüdlich weiterstreben
Оглавление1. Frieden gewinnt, wer sich nicht unnötig um alles kümmert.
2. Frieden gewinnt, wer sich selbst widersteht.
3. Fortschritte erzielt, wer sich tapfer, gottvertrauend, beharrlich in kleinen
Dingen einsetzt.
1. Wir könnten reich sein an Frieden, wenn wir uns nicht so viel um das kümmerten,
was andere sagen und tun und was uns nichts angeht. Wie kann der lange in Frieden
leben, der sich in fremde Hände mischt, äußere Anlässe sucht und sich wenig oder
selten innerlich sammelt? Selig die Einfältigen! Sie werden viel Frieden haben.
Warum sind manche Heilige so vollkommene und beschauliche Menschen gewesen?
Weil sie bestrebt waren, alle irdischen Begierden in sich zu überwinden; so konnten
sie mit jeder Faser ihres Herzens Gott anhangen und in Freiheit sich selbst gehören.
2. Wir aber lassen uns zu sehr von den eigenen Leidenschaften beherrschen und
durch vergängliche Dinge in Atem halten. Selten erringen wir auch nur über einen
einzigen Fehler einen vollkommenen Sieg. Täglich voranzuschreiten fühlen wir keine
Lust. Deshalb bleiben wir kalt und lau. Wären wir uns selbst vollkommen
abgestorben und innerlich ausgeglichen, dann könnten wir sogar an göttlichen Dingen
Geschmack finden und ein wenig erfahren, was es um die himmlische Beschauung
ist. Das ist das einzige und das größte Hindernis: Wir sind versklavt an die
Leidenschaften und Begierden und versuchen gar nicht, den Weg der
Vollkommenheit, den die Heiligen gingen, zu beschreiten. Bei der geringsten
Kleinigkeit lassen wir sogleich den Kopf hängen und sehen uns nach Menschentrost
um.
3. Setzten wir uns in den Kämpfen wie Helden tapfer ein, wahrhaftig, wir würden
"die Hilfe des Herrn vom Himmel her über uns kommen sehen" (2 Chr 20,17). Denn
er ist bereit, denen zu helfen, die da streiten und auf seine Gnade bauen. Er gibt uns
Gelegenheit zum Kampfe, damit wir siegen. Wenn wir den Fortschritt im religiösen
Leben nur in äußeren Übungen erblicken, wird es mit unserer Innerlichkeit bald am
Ende sein. Legen wir vielmehr die Axt an die Wurzel, um, gereinigt von den
ungeordneten Neigungen, den Frieden des Geistes zu finden. Würden wir jedes Jahr
nur einen einzigen Fehler ausrotten, wir wären bald vollkommene Menschen. Aber
oft genug erleben wir das Gegenteil und finden, dass wir am Anfang unserer Umkehr
besser und reiner waren als nach vielen Jahren der Prozess. Der Eifer und Fortschritt
müssten täglich wachsen, aber heute gilt einer schon als groß, der noch einen Funken
des ersten Eifers in sich erhalten konnte. Würden wir uns anfangs nur ein wenig
Gewalt antun, wir könnten nachher alles leicht und frohgemut schaffen. Es ist
schwer, Gewohntes zu lassen, aber noch schwerer ist es, gegen den eigenen Willen
anzugehen. Doch wenn du über Kleines und Leichtes nicht Herr wirst, wann willst du
die schwierigen Fälle meistern? Widerstehe deiner Neigung gleich im Anfang und leg
die üble Gewohnheit ab, sonst bringt sie dich nach und nach in größere
Schwierigkeiten. Würdest du doch recht bedenken, wie reich der Friede ist, der dir
zuteil wird, und wie groß die Freude, die du anderen bereitest, wenn du dich gut
führst, ich glaube, du würdest auf deinen geistlichen Fortschritt mehr Sorgfalt
verwenden.