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Das reuevolle Herz

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1. Der Reueschmerz entspricht der verbannten, gefährdeten, sündigen Seele.

2. Die Reue setzt die Loslösung voraus. 3. Ohne Reue keine göttliche Tröstung.

4. Zur Reue führt der Gedanke an: Leid, Sünde, Tod, Hölle, Fegfeuer.

1. Willst du vorwärts schreiten, so erhalte dich in der Furcht Gottes. Sei nicht gar zu

frei, sondern halte alle deine Sinne im Zaume und überlass dich nicht einer

ungehörigen Freude. Erwecke von Herzen Reue, und du wirst Hingabe finden. Die

Reue ist der Schlüssel zu vielen Gütern, die Ausgegossenheit bedeutet gewöhnlich

deren schnellen Verlust. Es ist zum Staunen, dass sich der Mensch in diesem Leben

jemals freuen kann, wenn er an seine Verbannung denkt und an die vielen Gefahren,

die seiner Seele drohen. In unserer Leichtfertigkeit und Gewissenlosigkeit gegenüber

unseren Fehlern haben wir das Gefühl für den elenden Zustand unserer Seele

verloren. Wir lachen oft ohne Anlaß, wo wir zu Recht weinen sollten. Es gibt keine

wahre Freiheit und keine edle Freude außer in der Gottesfurcht und im guten

Gewissen.

2. Glücklich, wer alles, was ihn hindert und zerstreut, abwerfen, sich zum Einswerden

heiliger Zerknirschung sammeln kann. Glücklich, wer sich von allem loslöst, was

sein Gewissen beflecken oder belasten kann. Streite männlich! Gewohnheit wird

durch Gewohnheit überwunden. Wenn du es verstehst, die Menschen in Ruhe zu

lassen, so werden sie auch dich in deinem Tun nicht stören. Mische dich nicht in

fremde Dinge, und kümmere dich nicht um die Händel der Großen. Achte immer

zuerst auf dich und ermahne vor allem dich selbst, mehr als alle, die dir lieb sind.

3. Wenn du die Gunst der Menschen entbehrst, werde nicht traurig, das aber nimm dir

zu Herzen, wenn du nicht immer so gut und so vorsichtig wandelst, wie es sich für

einen Diener Gottes und einen frommen Ordensmann geziemt. Es ist dem Menschen

oft dienlicher und sicherer, dass er in diesem Leben nicht viele Tröstungen empfängt,

besonders dem Fleische nach. Doch dass wir den göttlichen Trost gar nicht oder nur

selten empfinden, ist unsere eigene Schuld. Wir bemühen uns nicht um die

Zerknirschung des Herzens und geben den Trost der äußeren Dinge, der doch so

vergänglich ist, nicht auf. Wisse: Du bist des göttlichen Trostes unwürdig, aber

Trübsal in Menge hast du umso mehr verdient.

4. Ist ein Mensch völlig zerknirscht, dann ist ihm die ganze Welt lästig und bitter. Der

gute Mensch findet Grund genug zu trauern und zu weinen. Ob er an sich selbst denkt oder an den Mitmenschen, er weiß, dass keiner hier ohne Trübsal lebt. Und je genauer er sich betrachtet, umso größer wird sein Leid. Unsere Sünden und Fehler bieten Anlass genug zu begründeter Trauer und zur inneren Zerknirschung. Wir sind derartig in sie verstrickt, dass wir uns nur selten imstande fühlen, die himmlischen Dinge zu betrachten. Dächtest du öfter an dein Sterben als an ein langes Leben, du würdest weit eifriger an deiner Besserung arbeiten. Wenn du überdies die zukünftigen Qualen der Hölle und des Fegfeuers mit Herz und Gemüt erwägen wolltest, ich glaube, du nähmst gern Mühen und Leiden auf dich und schrecktest vor keiner Strenge zurück.

Weil uns aber diese Gedanken nicht zu Herzen gehen und unsere Liebe jenen Dingen

gilt, die uns schmeicheln und locken, bleiben wir kalt und maßlos träge. Oft ist es

Mangel an Geist, daß sich der elende Leib so leicht beklagt. Bete darum demütig zum

Herrn, er möge dir den Geist der Zerknirschung verleihen, und sprich mit dem

Propheten: "Speise mich, Herr, mit dem Brote der Tränen und tränke mich mit dem

Tranke der Tränen in reichem Maße" (Ps 80, 6).

Anleitung zum geistlichen Leben

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