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Ertrage die Unzulänglichkeiten der anderen

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1. Ertrage, ohne zu streiten, und bitte um Kraft.

2. Beurteile dich und die Welt nicht nach zweierlei Maß.

3. Das Ertragen ist gottgewollte Ordnung.

1. Was der Mensch an sich oder anderen nicht bessern kann, muß er geduldig tragen,

bis Gott es anders fügt. Denke: Es ist so vielleicht besser für deine Bewährung in der

Geduld, ohne die unsere guten Werke ja kein Gewicht haben. Du mußt jedoch bei

solchen Schwierigkeiten zu Gott flehen, daß er dir gnädig zu Hilfe komme und dir die

Kraft gebe, sie ruhig hinzunehmen. Sollte sich jemand nach ein oder zweimaliger

Ermahnung nicht fügen, streite nicht mit ihm, sondern stelle alles Gott anheim, dass

sein Wille geschehe und dass alle seine Diener ihm Ehre erweisen. Es ist ihm ja ein

leichtes, das Böse zum Guten zu wenden.

2. Lerne Geduld zu haben mit anderer Menschen Fehlern und Schwächen, welcher

Art sie auch sein mögen. Auch du hast vieles an dir, was andere ertragen müssen.

Wenn es dir nicht gelingt, ein Charakter zu werden, wie er dir vorschwebt, wie kannst

du den anderen nach deinem Wunschbild formen? Andere haben wir gern

vollkommen, die eigenen Fehler aber bessern wir nicht. Andere sollen streng

zurechtgewiesen werden, wir selbst aber wollen uns nichts sagen lassen. Die

weitgehenden Freiheiten, die anderen gegeben werden, erregen unser Mißfallen, die

eigenen Wünsche aber wollen wir erfüllt sehen. Andere sollen durch Verordnungen

eingeengt werden, und selbst dulden wir keine weitere Einschränkung. So ist es also

offenbar: Wir messen den Nächsten nur selten mit dem Maße, mit dem wir uns

messen.

3. Wenn alle vollkommen wären, was hätten wir dann von den anderen um Gottes

willen zu leiden? Nun aber hat Gott die Ordnung getroffen, dass wir lernen, "der eine

die Last des andern zu tragen" (Gal 6,2). Denn keiner ist ohne Fehler, keiner ohne

Last, keiner sich selbst genug, keiner hinreichend weise. Vielmehr müssen wir uns

gegenseitig ertragen und trösten, ebenso uns stützen, belehren und ermahnen. Wie

weit es aber jeder in der Tugend gebracht hat, zeigt sich am deutlichsten bei

Gelegenheit einer Anfechtung. Denn solche Anlässe machen den Menschen nicht erst

schwach, sondern sie zeigen nur, wie es um ihn steht.

Anleitung zum geistlichen Leben

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