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Liebe zu Einsamkeit und Schweigen

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1. Minuten der Stille schaffen besinnliche Menschen mit sicherem Auftreten.

2. Den Freunden der Stille erwächst eine noch größere Sicherheit, wenn sie demütig

und geduldig sind.

3. In der Stille begegnen dir: Reue, Trost, Licht und göttliche Nähe.

4. Die Stille bewahrt dein Herz vor unnötiger Zerstreuung.

5. Nicht die laute Welt, die Einsamkeit ist dein Himmel auf Erden.

1. Suche dir eine passende Zeit, um für dich zu sein, und gedenke oft der Wohltaten

Gottes. Laß von der Neugier! Lies Bücher, die mehr der Zerknirschung als der

Unterhaltung dienen. Wenn du dich des übermäßigen Schwätzens und des müßigen

Umherlaufens enthältst und dein Ohr den Neuigkeiten und Gerüchten verschließest,

wirst du genügende und passende Zeit zu guter Betrachtung finden. Die größten

Heiligen mieden den Umgang mit Menschen, wo sie nur konnten, und zogen es vor,

Gott im verborgenen zu dienen. Es hat jemand gesagt: "Sooft ich unter Menschen

weilte, war ich beim Heimgehen weniger Mensch." Das erfahren wir öfter, wenn wir

uns lange unterhalten. Es ist leichter, nichts zu reden, als reden und nicht fehlen. Es

ist leichter, im Hause zurückgezogen zu leben, als draußen genügend über sich zu

wachen. Wer also ein innerlicher, ein geistlicher Mensch werden möchte, muss mit

Jesus der Menge ausweichen. Keiner tritt sicher an die Öffentlichkeit, der nicht gern

im Verborgenen bleibt. Keiner tritt im Reden mit Sicherheit auf, der nicht gern

schweigt. Keiner kann andern sicher vorstehen, der nicht gern untertan ist. Keiner

kann sicher befehlen, der nicht gut gelernt hat zu gehorchen. Keiner wird sich

wahrhaft freuen, wenn er nicht das Zeugnis des guten Gewissens in sich trägt.

2. Doch war die Sicherheit der Heiligen stets mit großer Gottesfurcht gepaart. Sie

lebten, gerade weil sie durch große Tugend und Gnade glänzten, nur um so

wachsamer und demütiger. Die Sicherheit der Bösen aber entspringt dem Stolz und

der Anmaßung und schlägt schließlich in Selbsttäuschung um. Versprich dir niemals

Sicherheit in diesem Leben, mag man dich auch für einen guten Ordensmann oder

einen frommen Einsiedler halten. Die sich im Leben besonderer Hochschätzung der

Menschen erfreuten, sind oft in die größte Gefahr geraten, weil sie zuviel auf sich

selbst vertrauten. Daher ist es für viele besser, dass sie von Versuchungen nicht

gänzlich frei bleiben, sondern öfters angefochten werden, damit sie sich nicht allzu

sicher fühlen, den Kopf nicht zu hoch tragen und nicht zügellos zu äußeren

Tröstungen abschweifen.

3. Wer niemals vergängliche Freude suchte und mit der Welt nichts zu tun haben

möchte, ein wie gutes Gewissen würde der sich bewahren! Wer alle eitle Sorge

ablegte, nur noch an heilsame und göttliche Dinge dächte und seine ganze Hoffnung

auf Gott setzte, welch tiefen Frieden, welche Ruhe würde er kosten! Keiner ist der

Tröstungen des Himmels würdig, der sich nicht eifrig in heiliger Zerknirschung geübt

hat. Willst du bis auf den Grund des Herzens zerknirscht werden, geh in deine

Kammer und verschließe dich dem Lärm der Welt, wie geschrieben steht: "Auf

eurem Lager erwecket Reue" (Ps 4, 5). In der Zelle wirst du finden, was du draußen

so oft verlierst. Stetig bewohnt, wird sie dir lieb, schlecht gehütet, erzeugt sie Ekel.

Wenn du sie zu Beginn deines Ordenslebens treu bewohnst und hütest, wird sie

später deine vertraute Freundin und ein höchst willkommener Trost. Im Schweigen

und in der Ruhe schreitet die hingegebene Seele voran und dringt sie in die Tiefe der

Schriften ein. Dort findet sie die Tränenbäche, worin sie sich allnächtlich wäscht und

reinigt, um ihrem Schöpfer um so näher zu kommen, je weiter sie sich von allem

Treiben der Welt fern hält. Wer sich also von Bekannten und Freunden zurückzieht,

dem naht sich Gott mit seinen heiligen Engeln.

4. Besser ist es, verborgen zu bleiben und für sein Heil zu sorgen, als sich selbst zu

vernachlässigen und Wunder zu tun. Zum Lobe gereicht es dem Ordensmann, wenn

er selten ausgeht, sich nicht gern zeigt und keinen Menschen sehen will. Warum

willst du sehen, was du doch nicht haben darfst? "Die Welt vergeht samt ihrer Lust"

(1 Joh 2, 17). Die Gelüste der Sinne bestimmen dich, spazieren zu gehen, ist aber die

Stunde vorüber, was anderes bringst du heim als ein beschwertes Gewissen und ein

zerstreutes Herz! Ein fröhlicher Ausgang erzeugt oft einen traurigen Heimgang, ein

lustiger Abend gebiert einen traurigen Morgen. So ist es mit jeder sinnlichen Freude:

sie schmeichelt sich ein, und dann beißt und tötet sie.

5. Was kannst du anderswo sehen, was du hier nicht schon sähest? Schaue zum

Himmel, schau auf die Erde, betrachte alle Elemente! Aus diesen ist alles gemacht.

Kannst du anderswo etwas sehen, was von Dauer ist unter der Sonne? Vielleicht

glaubst du dein Genüge zu finden, aber du wirst es nicht erreichen können. Wenn du

auch alles gegenwärtig sähest, was wäre es anders als leerer Schein? Erhebe deine

Augen zu Gott in der Höhe und bete wegen deiner Sünden und Versäumnisse.

Überlaß das Eitle den Eitlen, du aber achte auf das, was Gott dir befohlen hat.

Schließe hinter dir deine Tür und lade Jesus, der dir so lieb ist, zu dir ein. Bleibe mit

ihm in der Zelle; denn anderswo wirst du einen so tiefen Frieden nicht finden. Wärst

du nicht ausgegangen und hättest nichts von den weltlichen Redereien gehört, du

wärst leichter im rechten Frieden geblieben. Seitdem es dich reizt, zuweilen

Neuigkeiten zu hören, musst du damit rechnen, dass du in deinem Herzen von Unruhegequält wirst.

Anleitung zum geistlichen Leben

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