Читать книгу Philosophie - Eine präzise first-principle Herleitung philosophischer Fundamente. - Thomas Weinreich - Страница 8
4. Herkömmliches und Fortführendes: Wahrnehmung der Wirklichkeit
ОглавлениеLiegt etwas außerhalb des Bereiches möglicher Erfahrung, können wir darüber nichts wissen. Es wäre Existenz von deren Existenz wir nichts wissen können. Versucht man es sich vorzustellen bleibt man immer nur bei Zusammensetzungen aus bereits wahrgenommenen BIen.
Reflexion bedeutet in der Umgangssprache, wenn auf eine geistige Tätigkeit bezogen, Nachdenken oder Überlegen. Im Zentrum stehe dabei die Unterscheidung von auf äußere Objekte bezogenem Wahrnehmen und derjenigen geistigen Tätigkeit, die sich auf die Denk- und Vorstellungsakte selbst richtet. Dies geht in die Richtung von erinnerten und nicht-erinnerten BIen. Jedoch wird hier mit diesem Begriff nicht äußere und innere Wahrnehmung, sondern neue und wiederholte Wahrnehmung unterscheiden. David Humes Einteilung des menschlichen Denkens in impressions und ideas entspricht ziemlich genau den hier erinnert und nicht-erinnert genannten BIen: Die impressions sind die lebhaften und starken perceptions (Wahrnehmungen), wie sie als Folge von hören, sehen, fühlen, lieben, hassen, wünschen oder wollen auftreten. Für das, was Menschen weniger eindrücklich und weniger lebhaft wahrnehmen, verwendete Hume die umgangssprachliche Bezeichnung idea, z.B. im Zusammenhang mit Tätigkeiten wie nachdenken, erinnern und fantasieren. Von diesen Annahmen ausgehend formulierte Hume die Grundthese seines Sensualismus: Alle ideas, so komplex sie auch sind, lassen sich von impressions ableiten. C. I. Lewis schrieb: Es gibt in unserer Erkenntniserfahrung zwei Elemente: die unmittelbaren – etwa von den Sinnen gelieferten – Daten, die dem Geist dargeboten oder gegeben werden, sowie eine Form, Konstruktion oder Deutung, die die Tätigkeit des Denkens repräsentiert. (Mind and the World-Order, 1929)
Die häufige herkömmliche Definition von Wahrnehmung als Sinneswahrnehmung stammt noch aus der Annahme, dass durch Sinneswahrnehmung nur der Wirklichkeit entsprechende BIe entstehen. Jedoch kann sie wie gezeigt als Prozess und Produkt für jeden nicht-erinnerten BI stehen. So enthält auch die herkömmliche Definition von Wahrnehmung das Körperinnere als Quelle für Wahrnehmungen. Wahrnehmung, heißt es, ist der Prozess und das Ergebnis der Informationsgewinnung und -verarbeitung von Reizen aus der Umwelt und dem Körperinnern eines Lebewesens.
Für Rudolf Carnap waren alle Aussagen über anderes als eigene BIe, also über die Wirklichkeit und fremde BIe Pseudo-Aussagen, da sie sich immer nur auf eigenen BIe beziehen können, und nicht auf die Inhalte ihrer eigentlichen Bedeutungen. Dies ist jedoch kein Problem, denn die Vorstellung von etwas (nicht gegenwärtigem) können wir (ganz intuitiv) trotzdem eben als die Vorstellung von etwas betrachten (bzw. beschreiben). Der „Bezug“ zu nicht-Gegenwärtigem ist natürlich keine existierende Verknüpfung, aber das muss es auch nicht sein. Wir können nicht, wie der Anti-Realismus sagt, in unmittelbaren Kontakt mit der Wirklichkeit treten. Trotzdem können wir die Wirklichkeit als existent und unsere „unmittelbaren“ Wahrnehmungen von ihr als ihr entsprechend betrachten.
Die Kausalität des Wahrnehmungsprozesses und die repräsentierenden (also nicht abbildenden) BIe sind Schlüsselelemente im repräsentationalen Realismus. Repräsentationen, heißt es, sind Sinnesdaten sowie vorsprachliche und sprachliche Zeichen der Wirklichkeit. Auf einer höheren Ebene seien diese zu Gedanken und Überzeugungen zusammengeführt. Wenn auch die Repräsentationen nicht unbedingt in ihrer Struktur der Wirklichkeit entsprechen, so bestehe aber eine gleich bleibende Beziehung zwischen Außenwelt und Bewusstsein, eine Isomorphie. Diese Beziehung zwischen Repräsentation und Wirklichkeit wird als kausales Verhältnis aufgefasst.
Repräsentation bezeichnet in der Philosophie die Vergegenwärtigung von nicht unmittelbar Gegebenem in der Vorstellung. Repräsentationen, heißt es, sind mentale Zustände, Vorstellungen, Darstellungen oder Abbilder. In dieser Definition bezeichnet Repräsentation also den BI bzw. dessen Bewusstseins-WI, der einen W/BIen abbildet oder repräsentiert. Der Begriff des Repräsentierens wird im normalen Sprachgebrauch jedoch eigentlich nicht als abbildend verwendet. Deswegen halte ich es für sinnvoll ihn nicht für abbildende sondern nur für repräsentierende BIe zu verwenden. So ist z.B. Farbe als BI eine Repräsentation der Wellenlängen des Lichtes. Und die Vorstellung eines Gegenstandes ist in seiner Form (bzw. seinen Kontrasten) ein Abbild des Gegenstandes. Auch Zeichen wären Repräsentationen, weil ihre Verknüpfung nicht auf abbildender Ähnlichkeit beruht (siehe Kapitel Zeichen).
Die Theorien und Überlegungen des Repräsentationalismus (siehe auch Stanford Encyclopedia of Philosophy: Representational Theories of Consciousness) haben wie so viele ontologische Theorien nicht verstanden, dass die Welt aus sehr einfachen Bestandteilen besteht: Wir erleben nur unsere eigenen BIe, können diese als schwächere Version aus der Erinnerung reflektieren, und könnten in Gedanken so neue Vorstellungen konstruieren, von denen wir manche nach selbst festgelegten Regeln als WIe annehmen. BIe repräsentieren nicht grundsätzlich etwas. Wir sind es, die bestimmte BIe zu Repräsentationen erklären und ihnen einen anderen W/BI zuordnen. Da bestimmte andere BIe, wie die Farben, immer bestimmten WIen bzw. Reizen zugeordnet werden, kann man dies Repräsentation nennen. Das Gefühl von Kälte würde die Eigenschaft der Kälte eines WIes, wie einen Teil des eigenen Körpers, repräsentieren. Bei vielen BIe wie Gefühlen der Fröhlichkeit lässt sich jedoch keine Ursache zuordnen, die repräsentiert werden soll. Viel eher soll so ein Gefühl etwas bezwecken. So führt ein Glücksempfinden dazu, dass das Gehirn (bzw. wir als unser Bewusstsein) sich die Ursache dieses Glücksempfinden merkt, damit zukünftig Maßnahmen ergriffen werden um die Ursache wieder zu realisieren, sodass andere positive Effekte der Ursache (für unseren Körper) wieder eintreten. Hier könnte jedoch das Glücksgefühl repräsentieren, dass dem Körper etwas Gutes widerfahren ist. In all diesen Fällen sind Repräsentationen jedoch nur von uns selbst erfundene Begrifflichkeiten. Die WIe existieren einfach nur und bewegen sich nach den Gesetzen der Physik. Wir versuchen nur in den Prozessen des Gehirns Zustände zu finden die wir auf konsistente Weise Repräsentation nennen können.
These der evolutionären Erkenntnistheorie ist, dass unter evolutionärem Selektionsdruck die Erkenntnisapparate von Lebewesen immer besser dazu befähigt werden, die Wirklichkeit wahrheitsgemäß zu erkennen. Die Frage, wie es sein kann, dass BIe die Wirklichkeit abbilden oder dass Bewusstseins-WIe (Gehirnzustände) die Wirklichkeit repräsentieren, wurde diskutiert als Imagery debate oder Debatte um bildliche Vorstellung, jedoch oft nicht sehr zielführend. Die Gehirnzustände müssen die Anordnungen (Kontraste) der WIe (codiert) abbilden, da sonst die BIe (bildliche Vorstellungen) nicht die gleichen Anordnungen zeigen, wie wir z.B. durch den Tastsinn an den WIen erkennen.
Ähnlich der Idee, dass Kontraste das Fundament der Wirklichkeit sind, erkennt George Spencer-Brown in seinem Buch „Gesetze der Form“, dass Unterscheiden als fundamental für Logik und Wirklichkeit. Demnach teilt die Unterscheidung die anfängliche Unbestimmtheit in Bereiche, ähnlich wie der Kontrast zwischen unterschiedlichen WIen überhaupt etwas hervorruft. (Unterscheidung ist jedoch eine aktive Tätigkeit eines Subjekts, und damit entweder nicht notwendig für die eigenständige Existenz der Wirklichkeit, oder nicht notwendig damit das Subjekt etwas erkennen kann, da das bloße Wahrnehmen eines Kontrastes kein Unterscheiden ist. Auch den Begriff der Unterscheidung als fundamental zusammenhängend mit dem Begriff des Kontrasts zu definieren ergibt keinen Sinn, da der Begriff keine neue Information enthalten würde.)
Dass wir die Wirklichkeit nur als Kontraste wahrnehmen, entspricht auch dem ontologischen Strukturenrealismus, nach dem unsere wissenschaftlichen Theorien uns keinen gegenständlichen, sondern einen strukturalen Zugang zur Welt ermöglichen, wobei mit Struktur im weiteren Sinne ein Netz physikalischer Relationen zwischen Objekten gemeint ist, welche selbst nicht existieren. Es sollen also nur die Beziehungen zwischen den Dingen aber nicht die Dinge selbst existieren. Nach einer anderen Variante des Strukturenrealismus existieren Objekte konstituiert durch ihre relationalen Eigenschaften als eine Stelle in einer Struktur – jedoch nicht eigenständig und ohne intrinsische Eigenschaften. Verwiesen wird hier auch auf ähnliche Verhältnisse in der Quantentheorie, welche ganz andere Seinsformen als in der Wirklichkeit existent betrachtet als es klassische Theorien tun. Aber das ist ein anderes Thema. J. Worrall war der Meinung, dass der epistemische Strukturenrealismus nicht den antirealistischen Argumenten unterliegt, jedoch geht auch der Strukturenrealismus bloß von der nicht beweisbaren Annahme aus, dass eine Wirklichkeit existiert.
Es gab in der Philosophie eine große Debatte um die Identität von Objekten, welche sich ziemlich offensichtlich als Unsinn herausstellt, wie auch viele Philosophen und Denker erkannten. Die Identität eines Objektes bezeichnet alle Eigenschaften eines Objektes. Damit bezeichnet die „Identität" eines Objektes einfach nur das Objekt selbst. Zwei Objekte haben nun eine gleiche Identität bzw. sind identisch, wenn sie gleich sind. So wurde viel diskutiert ob es möglich ist, dass zwei Objekte „identisch“ sein können, obwohl es nach den Gesetzen der Physik offensichtlich möglich ist, dass zwei WIe gleich sein können, da z.B. alle Elektronen immer gleich sind. Zu der Verwirrung kam es, weil Identität zum Teil so definiert wurde, dass es eine Identität eines Objektes nicht ein zweites Mal geben kann. Die Aussage, zwei Dinge seien nicht identisch, war also lediglich eine tautologische Aussage mit der Bedeutung, dass das eine Ding nicht das andere Ding ist. Ein anderer Ausdruck für gleich ist identisch. Und Ähnlichkeit bedeutet lediglich, dass etwas nur teilweise identisch ist (wozu auch zählt, dass es gleichförmig aber kleiner/größer ist). Zwei W/BIe an verschiedenen Orten bzw. zu verschiedener Zeit können gleich sein. Um denselben W/BI handelt es sich, wenn ein W/BI bloß ein W/BI zu früherer/späterer Zeit ist, weil wir diese kausale Verbindung beider W/BIe annehmen.
Ähnlich zu der Vorstellung, dass die Wirklichkeit nur aus bestimmten Zuständen besteht, meinte David Lewis: „All there is to the world is a vast mosaic of local matters of particular fact, just one little thing and then another.“ Diese Tatsachen sind jedoch keinesfalls nur materieller Natur und sind vielleicht sogar laut Quantentheorie unbestimmt, das heißt handelt sich nicht um eine bestimmte, einzelne Tatsache.
Wie Wahrnehmungen zu wahren Erkenntnissen führen beschreibt z.B. Moritz Schlick in diesem Beispiel aus „Positivism and Realism“: „I observe two pieces of green paper and determine that they have the same color. The proposition which asserts the sameness of color is verified, among other ways, by the fact that at the same time I have two experiences of the same color. The proposition: 'there are two spots of the same color before me now' cannot be reduced to others; it is verified by the fact that it describes the given.“
Der Begriff rational definiert sich herkömmlich als von der Vernunft bestimmt, und Erkenntnis als Einsicht, die durch die Verarbeitung von Eindrücken und Erfahrungen gewonnen wird. Dabei ist der Begriff Einsicht jedoch synonym mit Erkenntnis. Eindrücke und Erfahrungen lassen sich mit dem Begriff der Wahrnehmung zusammenfassen. Eine rationale Erkenntnis wird also durch die Verarbeitung von Wahrnehmungen durch die Vernunft gewonnen. Dabei muss eine Erkenntnis immer rational sein, denn nur die Vernunft kann Erkenntnisse aufstellen. Wenn man z.B. etwas wahrnimmt, und dann behauptet man hätte es nicht wahrgenommen, ist das keine Erkenntnis. Die vernunftmäßige Aussage jedoch, dass man es wahrgenommen hat, ist eine Erkenntnis. Eine nicht-rationale Perspektive ist damit pragmatisch bzw. beim Erfüllen von Wertungen hinderlich, da sie den Wahrnehmungen widersprechen würde. Donald Davidson meint in „Probleme der Rationalität“, dass Rationalität eine notwendige Bedingung ist, um das Denken, Sprechen und Handeln anderer zu interpretieren, also verstehen zu können. Rational bzw. vernunftgemäß könnte bedeuten, dass etwas unserer intuitiven Logik folgt oder entspricht. Deswegen sei Rationalität auch internalistisch und die internen Fakten ließen sich allein durch nachdenken erschließen bzw. begründen. Es erscheint auch möglich, dass man verschiedene Logiken und Systeme der Rationalität entwickeln und anwenden kann. Und das Erlernen unserer intuitiven Logik kann auch extern, also durch unsere Umgebung bestimmt sein. Die rationalen Regeln darüber, was sein kann und was woraus folgt, lassen sich aus unseren Wahrnehmungen der Wirklichkeit ableiten.
Die erkenntnistheoretischen Abhandlungen von Sartre wie in „Das Sein und das Nichts“ oder auch Werke von anderen berühmten Philosophen wie Hegel scheinen größtenteils sinnlose oder nicht relevante sprachliche Konstrukte zu sein, die sich in realitätsfernen bzw. bedeutungslosen Überlegungen verlieren, und sollen deshalb hier nicht näher untersucht werden.
Unter Multipler Realisierung versteht man die Vermutung, dass ein mentaler Zustand (also ein bestimmter BI) in verschiedenen Wesen durch ganz verschiedene Gehirnzustände (also verschiedene Bewusstseins-WIe) realisiert sein kann. Es sei inzwischen bewiesen, dass bei verschiedenen Personen ein bestimmter mentaler Zustand auch mit unterschiedlichen neuronalen Zuständen in Wechselbeziehung zueinander stehen kann. Dies ließe sich heutzutage mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie beobachten. Herkömmliche Argumentationen von Multipler Realisierung nehmen als Beispiel oft Schmerz. Solche nicht der Wirklichkeit entsprechenden BIe lassen sich jedoch viel schwieriger den Bewusstseins-WIen zuordnen, da man nicht wissen kann ob es sich um gleiche BIe handelt, wenn diese angeblich durch zwei verschiedene Bewusstseins-WIe realisiert sind. Bei einem der Wirklichkeit entsprechenden BI hingegen lässt sich theoretisch durch Kommunikation genau wissen, ob es sich um den gleichen dargestellten WI handelt. Eine Ursache in der Wirklichkeit kann z.B. bei verschiedenen Lebewesen oder bei digitaler Technik aufgrund verschiedener Formen der „Wahrnehmung“ verschiedene WIe bewirken, welche ebenfalls Bewusstseins-WIe sein könnten. Nun müsste es sich aufgrund unterschiedlicher Bewusstseins-WIe auch um verschiedene BIe handeln. Jedoch entstanden sie aus der gleichen Ursache, müssen also Abbild oder Repräsentation dieser sein. Verschiedene Repräsentationen können diese BIe nicht sein, da ein der Wirklichkeit entsprechender BI immer minimal einen Kontrast darstellt – wodurch diese BIe sich widersprechen würden, wenn sie aufgrund verschiedener Bewusstseins-WIe verschiedene Kontraste darstellen. Dies müsste sich durch Kommunikation herausstellen. Verschiedene WIe müssten also deswegen den gleichen BI besitzen, weil sie den gleichen abgebildeten Kontrast enthalten, welcher auf verschiedene Weisen realisiert ist. So könnte sich das Problem der gleichen BIe auf verschiedenen Bewusstseins-WIen lösen. Natürlich stellen nicht-der-Wirklichkeit-entsprechende BIe keinen Kontrast von etwas dar. Ihre Bewusstseins-WIe können aber trotzdem gleich sein. Denn die Positronen-Emissions-Tomographie zur Untersuchungen von Gehirnzuständen hat eine zu geringe Auflösung um auszuschließen, dass nicht die Gehirnzustände auf kleinerer Ebene (einzelne Neuronen) entscheidend dafür sind, was für ein BI realisiert wird. Verschiedene Zustände können auf kleiner Ebene gleich sein und gleiche Zustände können auf kleiner Ebene verschieden sein. Siehe auch The Internet Encyclopedia of Philosophy: Mind and Multiple Realizability: ii. New Physical Typologies I.