Читать книгу Hoffnung, Wunder und Liebe: 7 Arztromane - Thomas West - Страница 16
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Hilde Heinze eilte durch den strömenden Regen nach Hause. Von einer Telefonzelle aus hatte sie ihre Schwiegertochter angerufen.
Fast eine Stunde lang hatte sie nach Anuschka gesucht. Von ganzem Herzen hoffte sie, ihre Schwiegertochter würde recht behalten, und Anuschka würde vor dem Haus auf sie warten.
An der Beethovenstraße 25 angekommen, blickte sie ängstlich über die Hecke.
„Anuschka!“ Mit einem lauten Schrei machte sich ihre Erleichterung Luft. Sie klappte den grellgelben Regenschirm zu und eilte den Gartenweg entlang.
„Anuschka! Da bist du ja!“ Vor der eichenen Haustür der Jugendstilvilla lag die schwarze Dogge.
Hilde Heinze hastete die fünf Treppenstufen zur Haustür hinauf und beugte sich zu dem Tier herunter.
„Meine Anuschka, einfach weglaufen. Was sind denn das für neue Sitten?“
Sie kraulte den Hund am Nackenfell. Aber was war das? Kein freudiges Bellen. Keine zärtlichen Nasenstüber. Kein aufgeregtes Schwanzwedeln. Die Dogge hob nicht einmal den Kopf. Aus blutunterlaufenen Augen starrte sie Hilde Heinze an.
Beunruhigt kramte Hilde Heinze den Schlüssel aus der Manteltasche, schloss auf und stellte den Schirm in den Schirmständer.
„Auf, Anuschka, komm rein.“
Langsam trottete die Dogge in den Hausflur. Sie schien erschöpft zu sein.
„Sag mal“, lachte Hilde Heinze, „bist du so wild hinter einer Ratte hergehetzt, dass du jetzt schon müde bist?“
Mit steifen Beinen stand Anuschka schließlich im Flur. Sorgenvoll beobachtete Frau Heinze den großen Hund. „Was ist los mit dir?“
Wieder beugte sie sich zu Anuschka herab. Zärtlich streichelte sie den Kopf ihres Lieblings.
„Deine Schnauze ist ja ganz trocken und heiß. Bist du etwa krank?“
Anuschka knickte mit den Hinterläufen ein und ließ sich schwer auf den Teppichboden des Hausflurs fallen. Normalerweise wäre sie jetzt die Treppe hoch gesprungen, um ihren Lieblingsplatz am Kamin aufzusuchen.
Kopfschüttelnd kniete Frau Heinze neben ihr und betrachtete beunruhigt das zitternde Tier. Sie hatte doch vor einer Stunde mit einem quietschfidelen Hund das Haus verlassen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Sollte Anuschka etwa ...
Entschlossen stand Frau Heinze auf und wählte die Nummer des Marien-Krankenhauses. Im Notarzt-Zimmer konnte sie ihre Schwiegertochter nicht erreichen. Sie rief die Pforte an.
Paul Ahlers war am Telefon. Er versprach, Alexandra Heinze über den Piepser zu suchen und sie um Rückruf zu bitten.
Hilde Heinze versuchte die aufkommende innere Unruhe zu beherrschen. Aus der Küche holte sie einen Napf mit frischem Wasser und stellte ihn der regungslosen Dogge direkt vor die Schnauze.
„Komm, Anuschka, trink was, bitte.“
Anuschka rührte das Wasser nicht an. Apathisch lag sie da, den Kopf auf die ausgestreckten Vorderläufe gelegt.
Hilde Heinze eilte ins Wohnzimmer und kehrte mit einer Wolldecke zurück. Sorgsam umhüllte sie das zitternde Tier. Die folgenden Minuten, während sie auf den Rückruf ihrer Schwiegertochter wartete, wich Frau Heinze nicht von Anuschkas Seite. Unablässig streichelte sie den Kopf des Tieres und redete Anuschka zärtlich zu.
Endlich klingelte das Telefon. Alexandra Heinze meldete sich.
Mutter Heinze schilderte ihrer Schwiegertochter den Zustand des Hundes. Eine Zeitlang schwieg die Notärztin am anderen Ende der Leitung.
„Hört sich ganz nach einer Vergiftung an“, ließ sie sich schließlich mit heiserer Stimme vernehmen. „Versuch ihr soviel Wasser wie möglich zu geben. Sie muss trinken, hörst du, trinken, trinken.“
„Sie rührt keinen Tropfen an.“
Wieder ein kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung. „Ob du sie zum Erbrechen bringen kannst?“
„Oh weh, Alexandra, ich weiß nicht, ob ich das schaffe.“
„Dann rufe ich Frau Dr. Kayser, unsere Tierärztin an.“
„Alexandra, du glaubst nicht, wie apathisch Anuschka plötzlich ist. Ich fürchte, ich müsste sie zur Tierärztin tragen. Und die Kraft hab ich einfach nicht.“
„Vielleicht kann Frau Kayser ins Haus kommen.“
Hilde Heinze schwieg einen Augenblick. „Gut, ich danke dir“, seufzte sie schließlich.
„Und halte mich auf dem Laufenden, ja?“