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Felix stockte der Atem. „Was sagst du da?“

Ediths Gesicht war blass, sie presste ihre Lippen aufeinander und starrte durch die regennasse Windschutzscheibe auf die Fahrbahn.

„Zwei Jahre!“ Felix lockerte den Sicherheitsgurt und beugte sich ganz nah zu ihr herüber, als wollte er seiner Frau direkt in die Augen blicken. Empörung raubte ihm die Selbstbeherrschung.

Er schrie laut auf: „Seit zwei Jahren geht das schon so?“ Er schlug mit der flachen Hand auf das Armaturenbrett. „Seit zwei Jahren betrügst du mich mit diesem Nideggen? Das glaube ich nicht! Das glaube ich nicht!“

Edith schwieg und starrte weiterhin mit ausdruckslosem Gesicht durch die Windschutzscheibe.

Vor ihr scherte ein BMW auf die linke Fahrbahn. Sie betätigte die Lichthupe und bremste ab. Eine Wasserfontäne klatschte auf die Frontscheibe.

Felix ließ sich fassungslos auf seinen Sitz zurückfallen und schlug beide Hände vor das Gesicht. Er nahm einen tiefen Atemzug und ließ die Luft aus den aufgeblasenen Wangen in seine Hand zischen.

Nein, es war keine Eifersucht, was er spürte. Es war Enttäuschung, maßlose Enttäuschung.

„Ich habe dir vertraut.“ Er schloss die Augen und ließ seinen Kopf auf die Nackenstütze fallen. „In all den Jahren habe ich dir vertraut.“

Edith trommelte nervös mit den Fingern ihrer rechten Hand auf das Lenkrad. Gefährlich dicht fuhr sie auf den vorausfahrenden BMW auf. Unablässig blendete sie auf.

„Ich habe dir vertraut, ich habe dir vertraut“, äffte sie ihn nach. „Jetzt mach bloß kein Drama daraus, als wären wir das unzertrennliche Traumpaar gewesen!“

„Darum geht es nicht“, schrie Felix, „du hast mein Vertrauen missbraucht, darum geht es!“

„Schrei mich nicht so an! Und du, was hast du denn getan, du hast meine Geduld missbraucht.“ Auch Edith wurde jetzt laut. „Ich wollte einen Mann und keinen Theaterbesessenen. Deine Welt ist nicht meine Welt. Von Anfang an war sie es nicht. Sie war ein Irrtum, unsere Ehe, ein gewaltiger Irrtum!“

Die Autobahn war jetzt fast leer. Trotz des stärker werdenden Regens gab Edith noch mehr Gas. Die Tachonadel zitterte bei 180 km/h.

„Fahr nicht so schnell. Du kommst noch früh genug zu ihm“, stieß Felix bitter hervor.

„Du brauchst mir nicht zu sagen, was ich zu tun habe“, zischte Edith.

Eine Zeitlang schwiegen beide. Das Brummen des Motors und das zischende Geräusch der die regennasse Fahrbahn pflügenden Reifen erfüllte das Innere des Hondas.

„Wer hat denn heute Nacht von Scheidung gesprochen“, nahm Edith von Neuem das Gespräch auf. „Für dich war es doch genauso vorbei wie für mich, lange bevor du dieses Wort ausgesprochen hast. Was hat uns denn noch verbunden in den letzten Jahren?“

Felix schüttelte den Kopf. Der Schock war einer traurigen Nachdenklichkeit gewichen.

„Mir hat deine ehrliche Art immer imponiert. Die Klarheit und Selbständigkeit, mit der du die Welt und die Menschen beurteilt hast. Und nun“, seine Stimme wurde heiser, „sehe ich nichts mehr als Lügen. Zwei Jahre eine einzige Lüge!“

„Felix, verdammt noch mal, spiel dich hier nicht als Moralapostel auf!“ Sie schlug mit beiden Fäusten aufs Lenkrad. „Ja, verdammt noch mal, ich habe dir Stefan verschwiegen. Ich weiß selber nicht, warum. Es hat mir einfach Spaß gemacht!“

Felix warf einen besorgten Blick auf das Tachometer. Immer noch fuhr sie 180 km/h. Er verkniff sich eine kritische Bemerkung.

„Was ist besonderes an Nideggen?“, fragte er stattdessen.

Edith scherte auf die linke Fahrbahn aus, um einen Sattelschlepper zu überholen.

„Besonderes? Nichts, zum Teufel! Weder liebt er Theater, noch malt er Bilder, noch schreibt er Bücher, noch besteigt er Achttausender! Er hat keinen von diesen Spleens, die ihr sogenannten Künstler euch meint leisten zu müssen.“

Ihre Heftigkeit überraschte ihn.

„Stefan ist ein ganz normaler Mann, der mit beiden Beinen auf der Erde steht und deswegen mit fünfunddreißig schon zweihunderttausend im Jahr verdient!“ Die letzten Worte hatte sie herausgeschrien.

Für einen Moment starrte Felix sie entgeistert an. Dann verzog sich sein Mund zu einem zynischen Grinsen. „Dein liebevolles Verhältnis zu Zahlen habe ich schon immer an dir bewundert.“ Wieder fiel sein Blick auf das Tacho. Das Wasser von den Reifen des LKW schlug auf die Windschutzscheibe. „Und fahr nicht so schnell, verdammt noch mal!“

Edith geriet außer sich. „Oh, wie ich deine Ironie hasse. Und zum letzten Mal, sag mir nie mehr, was ich zu tun habe! Es ist aus zwischen uns. Aus und vorbei!“

Im Rückspiegel seines Lastzuges sah Erwin Merkel ein rotes Fahrzeug heranrasen. „Der spinnt doch“, murmelte er.

Als er auf gleicher Höhe mit ihm war, erkannte er die Automarke: ein roter Honda. Auf dem Beifahrersitz sah er einen Mann mit langem Blondhaar gestikulieren. Dass eine dunkelhaarige Frau den Wagen steuerte, hatte er schon im Rückspiegel erkannt.

„Haben wohl Streit“, brummte Merkel.

Der rote Honda zog an ihm vorbei und blinkte nach rechts. Um ihn herum spritzten Wasserfontänen auf.

„Was macht der denn jetzt?“, rief Merkel überrascht aus.

Statt sich vor ihm auf der rechten Fahrbahn einzuordnen, behielt der Honda seine schräge Fahrtrichtung bei. Trotz aufleuchtender Bremslichter raste er mit unverminderter Geschwindigkeit auf den Seitenstreifen zu.

Entsetzt trat Merkel auf die Bremse.


Hoffnung, Wunder und Liebe: 7 Arztromane

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