Читать книгу Made in China - Tilman Spengler - Страница 17

4

Оглавление

Kommissar Wu, der Stählerne Wu, hat den Bericht von Lili dreimal sorgfältig gelesen und verpasst dem Dokument den obligaten Stempelabdruck, bevor er es dem Gesamtdossier über Zwirn hinzufügt. In einer Pappschachtel liegen bereits das Protokoll der Untersuchung von Zwirns Gepäck und seit gestern die schriftliche Analyse zu den toxikologischen Befunden über die Medikamente aus dem kleinen Lederkoffer.

Diese Befunde erfüllen den Kommissar immer noch mit einem Gefühl der Befriedigung, wie er es sonst nur kennt, wenn er einen Täter nicht nur überführt, sondern ihn auch noch zu einem gerichtsverwendbaren Geständnis gebracht hat.

Die Genossen vom Städtischen Gesundheitsamt haben nur zwei Tage gebraucht, um die Substanzen in den nicht näher etikettierten braunen und grauen Fläschchen zu identifizieren. In die Sprache des Laien übersetzt handele es sich um Extrakte von Morcheln, insbesondere von Stink- und Spitzmorcheln, vom Glänzenden Lackporling und dem Dunkelrandigen Düngerling, zusammengefasst: von Pilzen, denen allen der Ruf anhängt, entweder die männliche Zeugungskraft oder die weibliche Lust zu stärken. Das Labor habe die Fläschchen nach der Analyse mit Ersatzstoffen nachgefüllt, wieder verschraubt und in den Lederkoffer zurückgepackt, ohne Spuren zu hinterlassen.

›Es handelt sich also‹, denkt Kommissar Wu, ›recht beurteilt, um ein kleines, doch gut knatterndes Feuerwerk von vier Glücksfällen. Wir haben hier erstens einen ausländischen, somit international erfahrenen Experten, der nach Auskunft der Genossin Lili in Kunstfragen so ungewöhnlich vielfältig zu verwenden ist wie bei der Fahndung nach politisch Verdächtigen. Was, nebenbei bemerkt, polizeitaktisch wohl ertragreich miteinander zusammenhängt. Wir verfügen zweitens über deutliche Hinweise, dass der Lebenswandel dieser Person durch ein ihn ständig gefährdendes Triebleben leicht zu überwachen ist. Wir haben es drittens, das gefällt mir ganz besonders, mit einem Ausländer zu tun, der in keiner offiziellen Meldeliste geführt wird, außer eben der unseren. Ein Mann ohne Zugehörigkeit. Woher er, viertens, seine männlichen Lock- und Kraftstoffe bezieht, wird er mir auch noch verraten. Ein Mann, ganz zu unseren Diensten, zu Diensten unseres Volkes.‹

›Aber auch zu den meinen‹, beschließt Kommissar Wu, der sich so gern wie häufig im zwanglosen Gespräch nach dem Ende einer politischen Konferenz als »Lenzwunder« bezeichnet und dafür auch persönliche Statistiken ins Feld führt. Jetzt entzündet er zufrieden eine Zigarette der Marke »Langes Leben«, von der er zur Sicherheit stets zwei Packungen in der Uniformtasche bewahrt. Aus halbgeschlossenen Lippen pufft er ein ovales Rauchzeichen hoch zu den Gipsköpfen von Marx, Engels, Lenin und Stalin auf dem Regal mit den Klassikern. ›Vier Glücksbringer‹, denkt er. ›Genau vier. Alles Ausländer.‹ Ein grauer Kringel verharrt in einem trägen Flügelschlag eine Weile über der hohen Stirn von Lenin. Den verehrt die Mutter des Kommissars als Einzigen der Gruppe, weil sie beim Anblick des Kopfes an eine Erscheinung, wenn nicht gar an die Wiedergeburt des Buddhas erinnert wird. Keine Ahnung, woher plötzlich der Gedanke an die Mutter kommt. Wu überlegt seit langem, ob er die kleine Gipsstatue des russischen Revolutionärs nicht bald einmal entfernen soll. Auf einem Hausaltar hat sie jedenfalls nichts zu suchen. Die Zeiten ändern sich rasch, und die korrekte Bewertung historischer Figuren nach den Leitlinien der Herrschenden ist in China stets ein heikles Unterfangen gewesen. Daran hat der Sozialismus wenig geändert. Nein, recht besehen überhaupt nichts. Man muss ständig auf der Hut sein. Auch deswegen soll Zwirn sich hier zunächst einmal wohlfühlen wie ein kleiner Goldkarpfen im Teich. Man darf es ihm nur nicht zu deutlich zeigen.

Made in China

Подняться наверх